Customer-Relationship-Management/Kundeninformationen an allen Kontaktpunkten verfügbar

Lufthansa Passage startet CRM-System

10.10.2003
Mit einem Internet-basierenden System für das Kunden-Management baut die Deutsche Lufthansa AG ihre Kundenbeziehungen aus. Gleichzeitig kann Deutschlands größter Carrier künftig schneller auf Kundenwünsche reagieren, da bisher getrennt gehaltene Daten unter einer Oberfläche zusammengeführt wurden. Seit August 2003 ist das System in Betrieb.Von Detlev Karg*

Die Deutsche Lufthansa zählt nach Passagieren zu den Top Ten der Branche weltweit, beim Umsatz war der deutsche Marktführer 2002 weltweit Nummer drei. Täglich transportiert das Unternehmen rund 120000 Fluggäste, 24000 Kundenanfragen werden von acht über den Globus verteilten Call-Centers bearbeitet. Doch die Margen geraten unter Druck: Fliegen in Deutschland ist im ersten Quartal 2003 deutlich billiger geworden, weil sich die Konkurrenz der Billigflieger für Flüge von Deutschland aus bemerkbar macht. Auch auf dem Markt für Geschäftsreisende gibt es neue Herausforderungen für den Marktführer.

Der Kunde und sein Wert für das Unternehmen rücken so viel stärker in den Mittelpunkt der IT-Strategie. "Realtime-Business heißt für uns, unsere Kundeninformationen überall da verfügbar zu haben, wo wir die Kunden ansprechen", sagt Christoph Ganswindt, CIO bei Lufthansa Passage. Bis 2005 soll das überall der Fall sein, vom Call-Center bis zum Check-in-Terminal.

Lufthansa verfügt über eine große Anzahl von Kundendaten: Gut 7,5 Millionen Teilnehmer zählt das Miles&More-Programm der Lufthansa derzeit. Hinzu kommen Datensätze über Frequent Flyer, Beschwerden und Firmenkunden. Alles in allem zehn Millionen Datensätze bewegte die Kranich-Airline in ihren verteilten Systemen. In der Praxis führte das zu Problemen. Viele Kundendatensätze waren nicht vollständig, weil Informationen nur in verschiedenen Quellen vorhanden waren. Dazu zählten das Host-gestützte Miles&More-System, das Beschwerde-Management von Vantive Software sowie die lokalen Datenbanken der Verkaufsbüros. Das bewirkte unter Umständen Widersprüche, wenn ein Kunde mit mehreren Adressen vermerkt war wie etwa Privat-, Geschäfts- und Reiseadresse. Auch konnten Mitarbeiter im Beschwerde-Management die Flugbewegungen der Kunden nicht einsehen.

Kürzere Bearbeitungszeiten

Auch andere Kundeninformationen waren für die Mitarbeiter nicht auf einen Blick verfügbar. Sie mussten zwischen den verschiedenen Anwendungen wechseln, was die Bearbeitungszeiten unnötig verlängerte. "Es wird immer wichtiger für uns, bei jedem relevanten Kundenkontakt zu wissen, wie der Service beim letzten Flug war, um auf eventuelle unerfreuliche Erlebnisse unserer Kunden individuell reagieren zu können", sagt Michael Erfert, Programmleiter CRM bei Lufthansa Passage.

Die Lufthansa entwickelte darum eine Drei-Säulen-Strategie für das Kunden-Management. Damit einhergehend wurden mit dem Beratungs- und Integrationspartner IBM Business Consulting Services (IBM BCS) eine CRM-Architektur entwickelt und drei Kernanwendungen definiert. Eine gemeinsame Datenbasis für Kundendaten sollte in einer zentralen Datenbank aufgebaut werden, damit den Anwendern ein einziges operatives System für alle Bereiche zur Verfügung steht. Schließlich sollte ein Data Warehouse zur Auswertung aller Kundendaten eingerichtet werden.

CRM für besseren Workflow

Darauf aufbauend entschloss sich die Lufthansa im März 2001 zur Einführung einer Software, die das Customer-Relationship-Management unter einer Oberfläche vereint und vereinfacht. Vor allem die Verfügbarkeit und die Antwortzeiten, die wegen der heterogene Systemumgebung unbefriedigend waren, mussten stark verbessert werden. In dem sechsmonatigen Auswahlprozess konnte sich Peoplesoft gegen drei namhafte Wettbewerber durchsetzen und erhielt im Oktober 2001 den Zuschlag für das Projekt "Connect 2", mit dem die Airline ihr Kunden-Management ausbauen wird.

Mit der Implementierung wurde IBM BCS beauftragt. Eingebunden waren zudem Lufthansa Systems und die Consulting-Organisation von Peoplesoft, Peoplesoft Global Services (PGS). "Wir haben uns für Peoplesoft entschieden, weil deren CRM-Lösung gegenüber dem Wettbewerb technisch am ausgereiftesten war und die reinste Internet-Architektur bot. Zudem war sie am flexibelsten, was die Anpassung an unsere Wünsche betraf", erinnert sich Ingolf Wald, CRM-Project Manager Connect bei der Lufthansa. Ausschlaggebend war auch das Lizenzmodell von Peoplesoft. "Zum Zeitpunkt des Projektstarts war Peoplesoft einziger Anbieter von Site-Lizenzen. Einzelplatzlizenzen hätten aus unserer Sicht keinen Sinn gegeben", bekräftigt CIO Ganswindt die Entscheidung.

Schwieriger Datentransfer

Während der Implementierung zeigte sich, dass die Überführung der Daten aus den Altsystemen und dem zentralen Stammdatensystem der Lufthansa sowie deren Bereitstellung für das CRM-System die größte Herausforderung darstellten. "Wichtig war uns, die Sicht auf die logischen Datenmodelle so zu verbinden, dass die Arbeit nahtlos weitergehen konnte", sagt Projekt-Manager Wald. Als Schnittstelle fungiert dabei der "Integration Broker" von Peoplesoft. Über diesen können die verschiedenen Anwendungen über die Peoplesoft-Web-Services miteinander kommunizieren. Daten aus der Datenbank stehen den Mitarbeitern somit quasi in Echtzeit zur Verfügung. Der Integration Broker transformiert zudem die Datenformate. Die Infrastruktur wurde so ausgelegt, dass 500 Transaktionen in der Minute bearbeitet werden können. "Die Anforderungen an die Verarbeitung der großen Datenmengen verlangte ein hohes Maß an Engagement aller Beteiligten und detaillierter Produktkenntnis", erinnert sich Hans Maul, CRM-Projekt-Manager bei IBM BCS.

Mit der Lufthansa als Auftraggeber schloss Peoplesoft eine Partnerschaft für die Weiterentwicklung der Produktlinie CRM. Der Softwarehersteller hat die Anforderungen der Airline bei der Entwicklung neuer Versionen berücksichtigt und diese in das laufende Projekt integriert. "Unsere Erfahrungen sind in Peoplesoft CRM eingeflossen. Wir wollten künftige Releases mitgestalten, um unseren Entwicklungsaufwand gering zu halten. Peoplesoft ist uns da weiter entgegengekommen als die Mitbewerber", ergänzt CIO Ganswindt. Die Einführung und Anpassung von Peoplesoft CRM 8.4 bei der Lufthansa startete sogar vor der offiziellen Ankündigung der Software. Entsprechend eng arbeiteten die Projektteams bei Connect 2 zusammen.

Großer Anpassungsbedarf

"Keine andere Airline hat derzeit Vergleichbares", stellt CRM-Experte Wald fest. Das spiegele sich auch in der Implementierungszeit wider, ergänzt sein IBM-Kollege Maul: "Gewöhnlich gehen wir bei dieser Art von CRM-Lösungen von einem Jahr Anpassungszeit aus." Um möglichst detailliert den Wünschen des Anwenders zu entsprechen, habe man die Standardlösung mehr als gewöhnlich anpassen müssen und dabei eng mit der Entwicklungsabteilung von Peoplesoft in den USA zusammengearbeitet.

Seit August 2003 ist das System bei der Lufthansa in Betrieb. Derzeit sind laut Wald weltweit rund 1400 User an das CRM-System angeschlossen. Vier Module unterstützen die Lufthanseaten nun bei ihrer Arbeit: Kundenfeedback-Manangement, Sales Force Automation, Kundendaten-Management und Kundenkontakt-Management.

Auch das Marketing läuft zielgerichteter über die regionalen Vertriebsbüros. Diese können nun schnell und leicht auf alle für sie relevanten Daten zugreifen und ihre regionalen Kundengruppen mit zielgerichteten Mailings ansprechen. Änderungen der Kundendaten sind sofort live und für alle Mitarbeiter widerspruchsfrei sichtbar. Verschiedene Abteilungen haben nun die Sicht auf die Daten, die sie für ihre Arbeit brauchen.

Außerdem sollen künftig auch die Kunden selbst Zugriff auf ihre Daten haben. Sie sollen sich via Internet ein eigenes Profil einrichten und Daten aus dem CRM-System nutzen können. Die ersten Betriebserfahrungen zeigen, dass alle Systeme funktionieren. Da die Browser-basierende Benutzeroberfläche zahlreiche Funktionen in sich vereint, müssen sich Mitarbeiter, die noch nicht in Schulungen vorbereitet wurden, noch an das neue System gewöhnen. Im Vorfeld legte die Projektleitung allerdings großen Wert auf die interne User-Meinung und die Wünsche der Anwender, um die Einführung möglichst reibungslos zu gestalten. "Wir haben während der Projektentwicklung regelmäßig Key-User nach Frankfurt eingeladen und sie befragt, welche Funktionen sie sich für die tägliche Arbeit wünschen", berichtet Wald. Die Browser-gestützte Anwendung ist über das Lufthansa-Intranet mit der für alle Kundendaten zentralen Oracle-Datenbank unter Sun Solaris verbunden, Hardwareplattform ist ein Sun-Fire-6800-Server. Das derzeitige Datenvolumen beträgt rund 300 bis 400 Gigabyte. Die bisherigen Lösungen wie die Host-basierende Miles&More-Datenbank bleiben parallel weiterhin in Betrieb und werden auch gepflegt. Mittelfristig werden sie jedoch abgelöst.

Bis 2004 werden Kundeninformationen Zug um Zug an allen relevanten Kundenkontaktpunkten (www.lufthansa.com, Call-Center, Check-In, Inflight) weltweit verfügbar gemacht. "Wir müssen uns vom Wettbewerb differenzieren, und das begründet sich auch zunehmend in wichtigen Kriterien wie Ser-vice- und Transaktionsqualität. Das ist für die Bindung wertvoller Kunden sehr wichtig", bringt es Programmleiter Erfert auf den Punkt. Auf diese Weise soll sich die CRM-Investition rasch bezahlt machen. CIO Ganswind rechnet mit einer schnellen Rentabilität. (rg)

*Detlev Karg ist freier Journalist in Köln.

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Das Browser-basierende Customer-Relationship-Management-(CRM-)System der Deutschen Lufthansa vereint alle Kundendaten unter einer Oberfläche und wird nach und nach an allen Kundenkontaktpunkten, vom Call-Center bis zum Check-in-Terminal, verfügbar gemacht.