Standardisierte Desktops für 9500 Mitarbeiter

Lufthansa Passage löst Windows NT ab

20.02.2004
FRANKFURT/M. (rg) - Die Lufthansa Passage ersetzt rund 9500 Desktops an weltweit 350 Standorten. Der Carrier erhofft sich Einsparungen von rund 30 Prozent pro PC-Arbeitsplatz. Für den damit verbundenen Wechsel von Windows NT auf XP mussten 200 Applikationen getestet werden.

Im vergangenen Jahr beschloss die Lufthansa Passage, alle 9500 Desktops an insgesamt 350 Standorten durch neue Geräte zu ersetzen. Dabei kann sie auf einschlägige Erfahrungen zurückgreifen. Schon vor fünf Jahren hatte die Airline ihre Mitarbeiter weltweit mit einem standardisierten Arbeitsplatz ausgestattet. Das auf Windows NT basierende System wird nun abgelöst: "Die derzeitige Infrastruktur genügt in einigen Bereichen nicht mehr unseren heutigen technischen Anforderungen", fasst Christoph Ganswindt, Leiter Information Management bei der Lufthansa Passage, die Ausgangslage zusammen. Die Vorbereitungen für das Großprojekt laufen seit Anfang 2002, im vergangenen November startete das Unternehmen den Rollout der neuen Desktops, Notebooks und Server unter Windows XP an rund 350 internationalen Standorten.

Outsourcing mit Kostenhebel

Die Einführung der neuen IT-Infrastruktur hat die LH Passage komplett an Lufthansa Systems ausgelagert. "Das für das Gesamtprojekt erforderliche IT- und Dienstleistungs-Know-how haben wir nicht im Hause", erklärt Ganswindt. Die anstehenden Investitionen schrieb LH Passage jedoch nicht im Paket aus, sondern teilte sie in acht Gewerke auf. Diese wurden so definiert, dass theoretisch acht unterschiedliche Anbieter beauftragt werden können. So will der Carrier vermeiden, von einem Auftragnehmer abhängig zu sein, wenn dessen Performance in Teilbereichen nicht stimmt. "Die Modularisierung des Projekts dient außerdem als Kostenhebel, da sich die einzelnen Bereiche so transparenter und leichter verhandeln lassen", ergänzt Ganswindt.

Die Generalunternehmerschaft vergab das Unternehmen an Lufthansa Systems, die 1995 ausgegründete IT-Tochter des Lufthansa-Konzerns. Hier haben laut Ganswindt insbesondere die guten Erfahrungen bei dem ersten Standardisierungsprojekt den Ausschlag gegeben. Außerdem konnte der IT-Dienstleister drei weitere Gewerke gewinnen. So zeichnet er für die Server-Umgebungen verantwortlich, die die Verbindung zu den klassischen operativen Systeme wie Check-in oder Reservierung sicherstellen, sowie für das Workstation-Management und das Engineering. Der Auftrag für die Planung aller Veränderungen im Betriebsablauf (Bestellungen oder Umzüge) ging an den IT-Dienstleister Xenta Systems.

Engineering beugt Problemen vor

Auch bei der Ausschreibung für den User Help Desk, Field-Service sowie Wartung und Reparatur stellte die LH Passage fest, dass sich erhebliche Preisvorteile erzielen lassen, wenn ein Anbieter alle drei Bereiche abdeckt. Letztendlich kam hier T-Systems zum Zuge, wobei jedoch drei separate Verträge abgeschlossen wurden. Um die Anforderungen weltweit erfüllen zu können, holte sich die Telekom-Tochter Fujitsu Services als Unterauftragnehmer ins Boot.

Dem Engineering kommt sowohl bei der Vorbereitung des Projekts als auch nach dem Umstieg auf die neue Infrastruktur eine zentrale Bedeutung zu. Es umfasst vor allem aufwändige Tests, mit denen sichergestellt werden soll, dass die rund 200 bei der LH Passage eingesetzten Applikationen mit der neuen Architektur reibungslos zusammenspielen. "Wir haben im vergangenen Jahr ein gesondertes Projekt aufgesetzt, das zum Ziel hatte, alle 200 Anwendungen Windows-XP-fähig zu machen", erläutert Bernd Voigt, Leiter des Geschäftssegments Infrastructure Services bei Lufthansa Systems, die Vorgehensweise. Beispielsweise werden im Netzbereich vorrangig Novell-Produkte eingesetzt und unter anderem "Zenworks" für die automatische Softwareverteilung genutzt. "Anfängliche Probleme im Zusammenspiel mit Windows XP konnten wir über intensive Kontakte mit Microsoft und Novell schnell beheben", so Voigt.

Mit der Drucker-Default-Steuerung führt Ganswindt ein weiteres Beispiel an. So sind Druckereinstellungen unter Windows NT durch Applikationen lokal veränderbar, ohne dass andere Anwendungen betroffen wären. Dies war bei Windows XP anfangs anders. Für die Beseitigung damit verbundener Probleme musste laut Voigt aber nicht in die Programmierung eingegriffen werden. Mittlerweile haben alle Applikationen den Engineering-Prozess durchlaufen und wurden zertifiziert.

Die Installation des Betriebssystems sowie der jeweiligen Software erfolgt an den einzelnen Standorten automatisiert mit Hilfe zentraler Server. Dadurch ist das aufwändige Prozedere einer Vorkonfektionierung nicht erforderlich.

Der Auftrag für die Lieferung sämtlicher Hardwarekomponenten (Server, Desktops, Notebooks und Drucker) ging an Hewlett-Packard (HP). Dabei legt Ganswindt Wert auf die Feststellung, dass sich sein Unternehmen mit dieser Entscheidung keinesfalls auf längere Zeit an den Anbieter gebunden fühlt: "Beim nächsten Rollout können wir ohne weiteres auch auf einen anderen Hersteller wechseln", so der CIO der LH Passage.

Problemfall Hardware: Begrenzte Chargengröße

Um die Kosten für das Engineering so gering wie möglich zu halten, entschied sich die Airline, nur ein einziges Desktop-Modell mit identischen Bauteilen einzukaufen. Denn ebenso wie die Applikationen müssen die Hardwarekomponenten das Engineering durchlaufen. Und hier liegt die Tücke im Detail. Auch für einen Hersteller wie HP ist es schwierig, bei derart großen Stückzahlen wirklich identische Desktop-Rechner auszuliefern. "Alle großen Lieferanten haben Schwierigkeiten, 5000 Geräte aus einer Charge in einem festgelegten Zeitraum zu produzieren", so Ganswindt. Dies liege in erster Linie an der Verringerung der Fertigungstiefe bei den Herstellern. Wenn beispielsweise trotz gleicher Konfiguration eines Rechners unterschiedliche RAM-Speicher oder Grafikkarten verbaut werden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Geräte im Netzverbund unterschiedlich verhalten. Daher muss jede Charge neu durchgetestet werden.

Schwierige Logistik

"Wir unterhalten ein großes Zwischenlager, um sicherzustellen, dass wir beim Rollout immer auf genügend identische Geräte zurückgreifen können", beschreibt Voigt den Aufwand. Dennoch gab es bereits Situationen, wo die Hardware zum Engpass wurde: Einmal konnte HP eine Charge nicht termingerecht ausliefern, weil sie den internen Qualitätsanforderungen des Herstellers nicht genügt hatte.

Zum anderen stellt die termingerechte Bereitstellung der Rechner an den 350 weltweit verteilten Standorten große Herausforderungen an die Logistik. Derzeit sind 15 Rollout-Teams unterwegs und auf vollständige Lieferungen angewiesen. "Das Equipment rechtzeitig durch den Zoll zu bekommen, ist mitunter recht schwierig", verdeutlicht Voigt.

Die einzelnen Standorte variieren stark in ihrer Größe. 150 der insgesamt 350 Niederlassungen haben weniger als sechs Arbeitsplätze und sind teilweise mit niedrigen Bandbreiten ausgestattet. Um Überraschungen beim Rollout zu vermeiden, startete die LH-Systems in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres Pilotprojekte an unterschiedlich großen Standorten in Oporto, Tokio, Dubai, Dallas und Frankfurt. Der flächendeckende Rollout für die Airline beginnt in Deutschland und setzt sich in den europäischen Lokationen fort. Dann folgen Amerika, Asien und Afrika.

Im Juni 2004 soll das Projekt beendet sein. Bis zu ihrer kompletten Ablösung wird die bisherige Infrastruktur weiterbetrieben. Die Konzeption und Abwicklung des einmaligen Rollout-Projekts übergab die LH-Systems dem Unternehmen Systeam. Es leistet den Aufbau der neuen Infrastruktur, die Datenmigration sowie den Abbau der Altgeräte.

Die Netzkapazitäten mussten indes nicht erhöht werden. "XP stellt kaum höhere Anforderungen an die Bandbreite", so Ganswindt. Neue Anforderungen an die Netze ergäben sich allenfalls durch die zunehmende Nutzung von Web-basierenden Frontends.

Zu den Kosten des Projekts wollen beide IT-Verantwortliche nicht Stellung nehmen - sehr wohl hingegen zu dem erhofften Nutzen: Ganswindt geht davon aus, dass sich mit der neuen Infrastruktur rund 30 Prozent der Ausgaben pro Arbeitsplatz einsparen lassen. Neben der weitreichenden Standardisierung seien hierfür vor allem der starke Hardwarepreisverfall sowie das hohe Einkaufsvolumen ausschlaggebend.

Steckbrief

Projektart: Erneuerung der IT-Infrastruktur (LAN, Server, Endgeräte), Migration von Windows NT auf XP.

Branche: Luftfahrt.

Zeitrahmen: Konzept von Januar bis Juni 2002, Ausschreibung und Pilotphase von Juli 2002 bis Oktober 2003, weltweiter Rollout ab November 2003, voraussichtlicher Abschluss im Juni 2004.

Stand heute: Rollout in Deutschland und Europa.

Aufwand: 15 Teams migrieren insgesamt 350 Standorte.

Produkte: Desktops, Notebooks, Server und Drucker von HP, Betriebssystem Windows XP.

Dienstleister: LH Systems (Generalunternehmerschaft, Server, Workstation-Management, Engineering), T-Systems (User-Helpdesk, Field-Service, Maintenance & Repair), Systeam (Konzeption und Abwicklung des einmaligen Rollouts), Xenta Systems (Planung aller Veränderungen im Betriebsablauf).

Umfang: alle Niederlassungen der LH Passage.

Ergebnis: standardisierte IT-Infrastruktur, automatisierte Softwareinstallation und -Upgrades, Kostenersparnis von 30 Prozent je Arbeitsplatz.

Herausforderung: Engineering von 200 Applikationen.

Nächster Schritt: Folgeprojekte für andere Unternehmen innerhalb des Lufthansa-Konzerns.

Kommentar

Die Lufthansa liegt mit dem Outsourcing ihrer Desktop-Umgebung voll im Trend. Dass dieser Schritt bei großen Konzernen nicht so einfach ist, zeigt das Beispiel von Daimler-Chrysler (siehe www.computerwoche.de/go/80114449). Bei dem Auslagerungsversuch des Automobilbauers lieferte HP nicht nur die Hardware wie beim hier beschriebenen Projekt der Lufthansa, sondern sollte darüber hinaus den gesamten Betrieb, die Wartung, den User-Helpdesk und die Konfiguration der Rechner übernehmen. Wenn es um den riesigen Anwendungszoo eines Großunternehmens geht, bekommt die Auswahl des Anbieters eine besondere Brisanz. Und hier liegt ein Partner wie Lufthansa Systems, der die Systeme der Airline seit 1995 begleitet, bestimmt näher als ein Hardwarelieferant, der sich seine Meriten als Dienstleister für Konzerne erst noch verdienen muss.

Bemerkenswert bleibt zudem die Tatsache, dass alle Hardwarehersteller Probleme haben, Desktops und Notebooks bei großen Stückzahlen in identischen Konfigurationen auszuliefern. Dies ist für Unternehmen, die Kosten sparen wollen, äußerst ärgerlich. Die erhofften Einsparungen durch die erleichterte automatische Softwareverteilung schrumpfen, wenn jede einzelne Rechnercharge erneut das Testszenario durchlaufen muss. Bislang scheint aber nur ein solches Engineering vor unliebsamen Überraschungen beim Rollout zu schützen.

Robert Gammel

Redakteur CW