Lochkarten-Erbe

02.06.1989

DV/Org.-Chefs als IBM-minded zu bezeichnen, ist eine Sache, der IBM selbst monopolistisches Verhalten vorzuwerfen, eine andere. Gefährlich, für den Kritiker, ist beides nicht. Und auch Softwarehäuser der Kungelei mit der IBM zu bezichtigen, kann sich der Kolumnist leisten, ohne um seine Narrenfreiheit fürchten zu müssen. Wehe aber, man deutet an, /370-Anwender betrieben, im Vergleich etwa zu DEC- und Unix-Kunden oder gar zu Schrägstrich-Anwendern, die weitaus schlechtere Datenverarbeitung - und zwar sowohl hinsichtlich der DV-Technik und der Benutzerfreundlichkeit als auch unter wirtschaftlichen Aspekten. Da kommt keine Schadenfreude auf.

Jetzt hat es die Redakteure des amerikanischen Wirtschaftsmagazins "Business Week" gelüstet, die Gemeinheit solchermaßen auf die Spitze zu treiben. Die Titelstory der Ausgabe vom 29. Mai war aus aktuellem Anlaß (SAA-Ankündigung, Officevision) der Mainframe-IBM gewidmet, und gleich die erste Frage ist nicht von Pappe: Are IBM's glory days gone forever?" Die "Business-Week"-Redakteure waren klug genug, diese Frage nicht direkt zu beantworten, sondern die (IBM-) Geschichte für sich sprechen zu lassen.

Schon ein interessantes Kapitel: Warum die IBM das sogenannte "Future System" (FS) nicht auf den Markt gebracht hat, stattdessen an der /370 festhielt, einer Architektur, die bereits Mitte der 70er Jahre, so das Wirtschaftsmagazin, veraltet war, wie die IBM selbst einräumte". Dann kommentiert Business Week sinngemäß: "Ironically" könnte die Schwäche des Systems /370, nämlich seine Batch-Herkunft (Stichwort: Lochkarte), die IBM-Anwender gezwungen haben, wesentlich mehr Hardware zu kaufen, als dies beim Einsatz moderner DV-Technologie erforderlich gewesen wäre.

Mitfühlender und zugleich hintersinniger kann man den Teufelskreis, in dem sich die IBM-Anwender befinden, nicht umschreiben: /370-Kompatibilität zum Schutz der Software-Investitionen und Hardware-Innovation schließen sich gegenseitig aus. Das mußte, ein Dankeschön an die Business Week; wieder einmal gesagt werden.

Zu der Frage nach den 1000 fetten Jahren der IBM hielten sich die US-Wirtschaftsjournalisten aus verständlichen Gründen bedeckt. Wir wollen sie an John Imlay vom SAA-Softwarehaus MSA (siehe Seite 1) weiterreichen. Die Kernthese stand, weniger rücksichtsvoll formuliert, am 27. März 1987 in der CW-Kolumne. Auszug:

"Was die politische Seite der SAA-Medaille betrifft, so geht es für die IBM ans Eingemachte: Sie wird nur solange marktbeherrschend sein, wie ihre Konzepte der "De-facto-Standards" greifen. Auf einen kurzen Nenner gebracht: SAA ist der Versuch, gegen den Strom (Open Systems) zu schwimmen, eine Extrawurst zu braten, die den Entwicklern einmal im Halse steckenbleiben könnte. Es dürfte der letzte Versuch bleiben."