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Landet EU-Kartellrechtsklage gegen Microsoft vor dem Europäischen Gerichtshof?

11.08.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Beobachter des laufenden EU-Kartellverfahrens gegen Microsoft rechnen damit, dass der Fall in erster Instanz vor dem Europäischem Gerichtshof (EuGH) landet. Für die Gates-Company bedeutet dies eine gute Chance, dass die Strafe gemildert oder sogar aufgehoben wird. So hat das Gericht in Luxemburg bereits mehrmals Fusionsverbote der EU-Kommission aufgehoben und hohe Strafen gesenkt.

Das Antitrust-Verfahren gegen Microsoft gewann in der vergangenen Woche wieder an Brisanz, als EU-Kommissar Mario Monti dem Unternehmen noch eine letzte Chance zur Stellungnahme vor der Urteilsfällung einräumte (Computerwoche online berichtete). Monti erklärte in diesem Zusammenhang, dass die dem Konzern vorgeworfenen Praktiken weiterhin andauerten, und stellte bereits mögliche Gegenmaßnahmen vor.

Microsoft hatte dagegen argumentiert, dass die von US-Wettbewerbshütern durchgesetzten Maßnahmen auch europäischen Ansprüchen genügen müssten. Gleichzeitig erklärte die Softwareschmiede in einer offiziellen Stellungnahme, sie arbeite an einer gütlichen Einigung mit der Brüsseler Behörde.

Sollten beide Parteien an ihren Positionen festhalten, könnten sich die Redmonder nach den Maßnahmen der EU-Kommission als ersten Schritt an den Europäischen Gerichtshof wenden und die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung beantragen. Theoretisch kann die EU eine Strafe von bis zu zehn Prozent der weltweiten Jahreseinnahmen erheben, in der Regel beträgt das Bußgeld jedoch kaum mehr als zwei Prozent. Zugleich könnte Microsoft argumentieren, dass der Fall bereits seit vier Jahren auf dem Tisch ist und es daher keinen Grund für drakonische Maßnahmen gebe, bis das Gericht den Fall wieder aufgenommen hat.

Einige Anwälte argumentieren dagegen, es werde der Gates-Company schwer fallen, die hohe Tragweite der Sanktionen darzulegen. So sei das Unternehmen nach wie vor in der Lage, Lizenzgebühren zu verlangen und den Geschäftsbetrieb weiterführen. Auch Vertreter der EU-Kommission sind der Ansicht, dass Microsoft einen schweren Stand habe, eine Aufschiebung von Sanktionen einzufordern, berichtet das "Wall Street Journal". So sei das Überleben des Unternehmens nicht bedroht. EU-Kommissar Mario Monti bemühe sich daher, den Fall zumindest gegenüber juristischen Einwänden kugelsicher zu machen, indem er die Anschuldigungen ein drittes Mal darstelle und neue Beweise für die unterstellten Vergehen vorlege.

Der Europäische Gerichtshof hatte im vergangenen Jahr mehrmals Urteile der Monti-Behörde wegen nicht ausreichender Beweise für ungültig erklärt. Um einer weiteren Schlappe vorzubeugen, hat die EU-Kommission nun einen Wirtschaftexperten eingestellt. Außerdem setzte Monti ein Komitee ein, das als "Advocatus diaboli" die Schlagkraft von Beweisen der Gegenseite testet. Dieses empfahl dem EU-Kommissar Anfang des Jahres, seine Vorwürfe gegenüber Microsoft zu konkretisieren, damit diese vor Gericht standhielten.

Dabei droht nicht nur ein Einspruch der Gates-Company, sondern auch von Konkurrenten wie Sun, Real Networks und Apple, die schärfere Strafen fordern. So hatte eine Interessenvertretung bereits den Vorschlag zur Verbesserung des Wettbewerbs im Bereich Media-Player als nicht ausreichend zurückgewiesen. Monti fordert, dass die Gates-Company künftig ihren Windows Media Player wahlweise vom System Windows lösen oder Media Player der Wettbewerber mit seinem Windows ausliefern soll. (mb)