Kongress entlarvt Tarife als Multimedia-Blocker Europa muss eine Vision fuer den Information-Highway entwickeln

09.12.1994

MUENCHEN (pg) - Ein heisses Eisen fassten der Muenchner Kreis und das Bundesministerium fuer Forschung und Technologie in Muenchen an. Unter dem Titel "Neue Maerkte durch Multimedia" diskutierten Experten auf dem zweitaegigen Kongress nicht nur den Status quo, sondern auch zukuenftige multimediale Szenarien. Im Zentrum der Ueberlegungen standen vor allem deutsche und europaeische Interessen (siehe Seite 21).

Ohne die sonst uebliche Teilnahme eines Bonner Ressortchefs musste diesmal der Muenchner Kreis auskommen. Der frischgebackene Bundesminister fuer Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, Juergen Ruettgers, hatte seinen Staatssekretaer Gebhard Ziller entsandt, die Position der Regierung zu vertreten. Die wird, wie Ziller sagte, in ihrem neuen Konzept mit dem Titel "Innovationen fuer die Informationsgesellschaft" der Foerderung von Multimedia- Anwendungen besonderes Gewicht einraeumen. Der Schwerpunkt der Foerderung werde im Bereich wissenschaftlicher Anwendungen liegen, solche bezuschussten Projekte koennten aber nur Anstosscharakter haben.

Lizenz fuer Versuchsnetze schon vor 1998 geplant

Gefordert ist jetzt nach Ansicht des Staatssekretaers die Wirtschaft, die in Multimedia-Dienste und -Programme investieren muesse. Technisch, so Ziller, seien in Deutschland die Voraussetzungen fuer die Schaffung multimedialer Maerkte gegeben. Innovationshemmend wuerden sich jedoch monopolistische Tarife sowie die zoegerliche Haltung des EU-Ministerrats bei der Aufhebung der Netzmonopole auswirken. "Aus innovationspolitischer Sicht ist deshalb ein nationaler Alleingang zu bedenken", betonte Ziller die Dringlichkeit.

Paul Laufs, Staatssekretaer im Bundesministerium fuer Post und Telekommunikation (BMPT), das Ende 1997 abgeschafft werden soll, nahm den Ball aus dem Forschungsministerium auf. Der Staatssekretaer deutete an, Versuchsnetze moeglicherweise schon vor dem 1. Januar 1998 zu lizenzieren.

Kritik musste sich das BMPT als Regulierer stellvertretend fuer die Telekom auch von anderer Seite gefallen lassen. "Die tarifpolitische Situation in Deutschland ist keine Voraussetzung dafuer, dass sich Multimedia hierzulande entwickeln wird", monierte Michael Salmony, Leiter Marktentwicklung Media & Kommunikationstechnologie der IBM. Rueckendeckung erhielt Salmony von Tom Sommerlatte, Managing Director Europe bei Arthur D. Little International.

Der Berater zeichnete ein klares Bild der Hindernisse, die einer erfolgreichen Entwicklung von Multimedia in Europa im Wege stehen. Neben Netzgebuehren, die in der Alten Welt deutlich zu hoch seien, kritisierte Sommerlatte die mangelnde Technologieakzeptanz, fehlende Standards, eine unzureichende Klaerung offener Rechtsfragen sowie die schleppende Liberalisierung der TK-Maerkte.

"Es fehlt eine europaeische Vision fuer den Information-Highway", brachte der Manager das Dilemma auf den Punkt und rief die Regierungen auf, Impulse zu setzen, wie dies in den USA und Japan schon geschehe. In den Vereinigten Staaten haetten Clinton und Gore diesen Geist beschworen, indem sie unter Netzbetreibern, Kabelanbietern und Systemherstellern ein Wir-Gefuehl erzeugten.

In Japan existiere eine Vision durch das Vorhaben der Regierung, bis zum Jahr 2010 alle Haushalte mit Glasfaser zu vernetzen. Die EU muesse deshalb schnell Aufklaerung in der Oeffentlichkeit betreiben. Darueber hinaus sei von hoechster Prioritaet, dass die treibenden Multimedia-Kraefte in der Wirtschaft, naemlich die Computer-, Unterhaltungs- sowie TK-Industrie, ihre Energien aufeinander abstimmten.