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Kommentar: Warum Semiramis scheitern musste

08.11.2006

Semiramis ist es zwar gelungen, die verärgerten Kunden vor der Öffentlichkeit versteckt zu halten, existiert haben sie trotzdem. Als weiteres Alarmzeichen ist die fehlende Branchenfokussierung im Marketing zu nennen. In vielen Fällen war schlicht weg nicht zu verstehen, wie das gehen sollte: Semiramis war überall, aber nirgendwo so richtig. Eine klare Branchenfokussierung erlaubt es, die Entwicklerkapazitäten zu bündeln und zu fokussieren. Dies ist gerade in einer schnellen Aufbauphase, wie sie das Management verfolgt hat, unabdingbar.

Ein weiterer Mangel war mehr als offensichtlich und bei vielen Entscheiden gegen Semiramis mit Sicherheit ein zentraler Entscheidungspunkt: Die Software verfügt über keine eigene Buchhaltung. Dieses Manko mag mit dem Versuch, sich auf die eigenen Ressourcen zu konzentrieren, begründbar sein. Am Markt hat sich jedoch das Paradigma des "integrierten ERP-Systems" klar durchgesetzt - und zwar zu recht. Semiramis stand damit für den Business-orientierten Entscheider von Anfang an in der zweiten Reihe. Erstaunlich nur, dass dies den Analysten, die Semiramis so gerne gelobt haben, meistens nicht einmal einen Nebensatz wert war.

Ein letzter kritischer Punkt ist die Flexibilität von Semiramis. Auf den ersten Blick ist es der Aspekt, der das Produkt auszeichnet und dessen Fehlen man den Marktführern so gerne vorwirft. Zu viel Flexibilität kann den Einführungsprozess beim Kunden aber erheblich verlangsamen, da der rote Faden, der "Referenzprozess" fehlt. Dadurch wird Prozesswissen zu einer noch kritischeren Größe, als bei starren Systemen, die aber über klar definierte Prozesse verfügen. Gerade in einer Phase des Marktaufbaus sind schnelle und kalkulierbare Projekte absolut zwingend.

Natürlich gab es viele erfolgreiche Semiramis-Projekte. Der Erfolg war aber nicht skalierbar. Dazu haben eine angepasste Strategie, eine klare Fokussierung und eine ausgereifte Projektmethodik gefehlt.