Kartellrecht kontrolliert die Lizenzierung von Software:Kein Faustrecht bei Software-Überlassung

26.05.1989

Große und kleine Software-Häuser kämpfen um die Gunst der Anwender. Mit Lizenzverweigerungen, Kartellbildungen und eingeschränkten Nutzungsbefugnissen könnten Konkurrenten verdrängt werden. Michael Lehmann zeigt, wie europäische und deutsche Rechtsprechung unlautere Verkaufspraktiken einschränken.

Nach dem weltweiten Sieg des copy-right-approaches für den Schutz von Computerprogrammen, führte er in Deutschland allerdings zunächst zu einer Fehlentwicklung der Rechtsprechung des BGH (Stichwort Inkassoprogramm-Entscheidung). Diese Fehlentwicklung wird allerdings als nächstes wohl durch die EG-Richtlinie zum Schutz von Computerprogrammen korrigiert werden. Es geht nunmehr um die adäquate Entwicklung eines Computerprogramm-Lizenzvertragswesens.

Im Zusammenhang mit den Sonderschutzrechten des Gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts verhält sich die Anbieterseite oft zunächst wie eine kleine, schnurrende Katze, die mitleidserregend um einen adäquaten Rechtsschutz seitens des Staates bettelt. Gewährt dann der Staat ein wettbewerbstimulierendes Exklusivrecht, ein Property Right zur Förderung des Wettbewerbs, so möchte die Katze am liebsten zum Tiger werden, der mittels des staatlich abgesicherten Sonderschutzrechts möglichst viele Marktanteile an sich zu reißen und zu monopolisieren versucht.

Kartellrechtler als Dompteur

Dem Kartellrechtler kommt in diesem Moment dann die Rolle eines Dompteurs zu, der diese Verhaltensweisen des wirtschaftlichen Wettbewerbs und Machtkampfs in ihre Schranken verweisen muß, ohne den Fortgang des evolutiven Entdeckungsverfahrens des Wettbewerbs zu behindern. Häufig genügt dafür schon die Entwicklung von abstrakten Verhaltensverboten, die gleich einem Damoklesschwert über dem Haupt der Wettbewerber wirken. Auf jeden Fall ist "law in action" und nicht "law in the books" vonnöten.

Bezeichnenderweise gaben die EG-Kommission und IBM Ende letzten Jahres bekannt, daß IBM ihre Verpflichtungen zur Lieferung von bestimmten Informationen über Schnittstellen an ihre Wettbewerber in der EG auch künftig weiter erfüllen wird. Erstmalig ist es zu einem derartigen Schwur vor der Kommission im August 1984 gekommen, als die Kommission ein Antitrust-Verfahren gemäß Artikeln 85, 86, Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV), gegen IBM eingeleitet hatte.

Schnittstellen sind ein besonders sensibler Bereich für Computerprogramme, denn ohne deren Bekanntgabe können ganze Bereiche des Wettbewerbs in der Computerbranche, zum Beispiel für den Anschluß von Peripheriegeräten, ausgeschlossen werden. Schnittstellen sollen daher zu Recht entsprechend der kommenden EG-Richtlinie von dem Schutz von Computerprogrammen durch das Urheberrecht gänzlich ausgenommen werden.

Die vorhandenen Vorschriften des Deutschen und Europäischen Kartellrechts reichen nach bisheriger Erkenntnis jedenfalls dafür aus, um einen wettbewerbsschädlichen Mißbrauch bei der Überlassung von Computerprogrammen auszuschließen.

Zunächst ist auf das Erschöpfungsprinzip hinzuweisen, das für den gesamten Gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht in Deutschland sowie in der EG Geltung als zwingendes Rechtsprinzip beanspruchen kann:

Jeder Schutzrechtsinhaber kann nur ein einziges und erstes Mal eine marktkonforme Vergütung bei der Veräußerung eines sondergesetzlich geschützten Gegenstandes (also zum Beispiel auch eines urheberrechtlich geschützten Computerprogramms) verlangen; nach der Entrichtung des Kaufpreises gilt er als angemessen marktkonform belohnt und darf den Käufer an der kommerziellen Verwertung dieses konkreten Programms nicht mehr durch das Urheberrecht zu behindern oder zu beschränken versuchen.

Der Käufer darf das Programm weiterveräußern, verleihen oder so oft für sich verwenden und es zum Einsatz auf jeglicher Hardware bringen, wie es ihm beliebt. Eine Vervielfältigung des Programms wird freilich dadurch nicht erlaubt.

Wird ein Werkstück, zum Beispiel eine bestimmte Diskette oder ein sonstiger Programmträger mit der dazu gehörenden Software, erstmalig in einem EG-Staat durch Veräußerung in den Verkehr gebracht, ist es urheberrechtlich nicht möglich, seine Weiterveräußerung in einem EG-Staat zu untersagen. Entsprechende Quer- oder Rücklieferungs- beziehungsweise Ex- oder Importverbote würden gegen die Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs in der EG verstoßen. Eine Erschöpfung tritt freilich nicht ein, wenn die Programme nur vermietet oder verpachtet werden, es sei denn, es läge ein Fall des Kauf-Leasing vor.

Weiterhin sind Artikel 85 und 86 EWGV zu beachten: Die lizenzmäßige Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsbefugnisse darf nicht zeitliche, sachliche oder räumliche Beschränkungen enthalten, die über den Schutzumfang des Urheberrechts, das heißt, über den Inhalt und Bestand dieses Schutzrechts hinausgehen. Die Ausübung eines Gewerblichen Schutzrechtes oder Urheberrechts kann gegen Artikel 85 Absatz 1 EWGV verstoßen, wenn sie Gegenstand, Mittel oder Folge eines wettbewerbsrechtlich verbotenen Kartells darstellt.

Dumping ist

auch untersagt

Eine Verletzung von Artikel 86 EWGV kann gegeben sein, wenn die inhaltliche Ausgestaltung eines Überlassungs- beziehungsweise Lizenzvertrages auf der mißbräuchlichen Ausübung einer marktbeherrschenden Stellung beruht; dies kann sich zum Beispiel in Liefer-, Wartungs-, Koppelungs- und sonstigen Diskriminierungsstrategien äußern. Auch Dumping oder sonstige Behinderungsmethoden bei der Berechnung von Lizenzgebühren sind untersagt.

Nach deutschem Kartellrecht sind Software-Überlassungsverträge vollinhaltlich zu überprüfen, weil Paragraph 20, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), für urheberrechtlich geschützte Software nicht zur Anwendung kommt; für urheberrechtlich freie Programme wird eine analoge Anwendung Paragraph 20 GWB vorgeschlagen.

Prüfungsmaßstab können somit insbesondere die Paragraphen 1, 25, 15, 18, 22, 26 und 38 GWB sein. Zum Beispiel kann die stillschweigend fiktive Anerkennung der Existenz eines urheberrechtlich geschützten Programms zwischen einem Lizenzgeber und einem Lizenznehmer einen gemäß Paragraph 1 GWB verbotenen Kartellvertrag oder ein gemäß Paragraph 25 GWB verbotenes abgestimmtes Verhalten zu Zwecken oder mit der Folge einer Wettbewerbsbeschränkung darstellen.

Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, zum Beispiel die Preisbindung der zweiten Hand, sind gemäß Paragraph 15 GWB, Ausschließlichkeits- oder ursachgemäße Koppelungsbindungen und gemäß Paragraph 18 GWB grundsätzlich untersagt. Ähnlich wie Artikel 86 EWGV verbietet auch Paragraph 22 GWB jede mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung, die auch auf der Innehabung der Rechte an einem Computerprogramm beruhen kann.

Besonders wichtig ist Paragraph 26 GWG, weil damit privatrechtlich einer wettbewerbswidrigen Lizenzverweigerung oder einem Boykott wirksam begegnet werden kann. Leider ist die im Rahmen der gegenwärtig diskutierten fünften GWG-Novelle

vorgeschlagene Einschränkung der Aktivlegitimation, also der Klagebefugnis aus Paragraph 26 GWB, insoweit als ein deutlicher Rückschlag für das Kartellrecht zu bewerten.

Gerade weil Computerprogramme heute zu den Schlüsseltechnologien unseres technischen und kaufmännischen Fortschritts zu zählen sind, müssen sie jedem Gewerbetreibenden zu in etwa angemessen gleichen Bedingungen zugänglich und für ihn erhältlich sein. Entsprechendes gilt auch für den Abschluß der notwendigen Wartungs-, Updating-, Ersatzteilelieferungs- und sonstigen Programmpflegeverträge. Jede Koppelung einer Software an bestimmte Hardware ist im Regelfall per se wettbewerbswidrig, denn die Software darf nicht in kartellrechtswidriger Art und Weise zu einem Zugpferd für die Hardware gemacht werden; die Computerindustrie hat daher ihre früher geübten Bundling-Strategien aufgeben müssen.

Viele Einzelprobleme bedürfen noch einer endgültigen höchstrichterlichen Entscheidung, obwohl das Spannungsfeld zwischen Urheber und Kartellrecht dem Grunde nach schon in etwa geklärt zu sein scheint.