Kandidatenkuer war nicht unumstritten IBM-Manager Henkel ist als neuer BDI-Praesident nominiert

07.10.1994

MUENCHEN (CW) - Der designierte Nachfolger von Tyll Necker, dem Praesidenten des Spitzenverbandes der deutschen Industrie, heisst Hans-Olaf Henkel. Nach laengeren Querelen im Vorfeld der Nominierung haben die sieben Vizepraesidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) einmuetig beschlossen, ihn der Mitgliederversammlung als Praesident vorzuschlagen. Wenn Henkel im Januar 1995 nach 30 Jahren im Big-Blue-Management seine Amtszeit als BDI-Chef antritt, uebernimmt er gleichzeitig den Vorsitz im Aufsichtsrat der IBM Deutschland.

Der Vorschlag war nicht unumstritten, da mit Henkels Wahl zum erstenmal in der Geschichte ein Mann an die Spitze des BDI tritt, der kein Unternehmer ist. Ausserdem war er lange Jahre Topmanager eines auslaendischen Konzerns, dem er ueber sein Aufsichtsratsamt fuer die IBM Deutschland nach wie vor eng verbunden bleibt.

Henkels Nominierung stiess offenbar bei einigen Verbandsfunktionaeren auf Kritik. Wie "Die Welt" berichtet, ist der IBM-Mann fuer einige BDI-Praesiden nicht der rechte Kandidat gewesen. Auch aus dem Kanzleramt sei "Stoerfeuer" gegen ihn gekommen. Ausserdem soll sich Siemens-Chef Heinrich von Pierer unter anderem wegen des Konkurrenzkampfes zwischen Siemens und IBM im Computerbereich gegen Henkel ausgesprochen haben.

Siemens-Sprecher Eberhard Posner widerspricht dieser Darstellung allerdings: "Da wird viel Geheimniskraemerei betrieben." Von Pierer habe sich lediglich positiv ueber den urspuenglichen Vorschlag der BDI-Findungskommission geaeussert, den Vorstandschef der Holsten- Brauerei, Klaus Asche, zu nominieren.

Die deutsche Industrie denkt international

Auf Engagements im Ausland legten die BDI-Funktionaere bei ihrer Kandidatenkuer offenbar grossen Wert. "Er verfuegt ueber erhebliche internationale Erfahrungen. Das ist fuer einen BDI-Praesidenten sicher positiv", so Verbandssprecher Volker Franzen weiter.

Doch auch auf nationaler Ebene hatte sich der damalige Chef der IBM Deutschland in Arbeitgeberkreisen einen Namen gemacht, als er fuer die Halbleiterwerke in Boeblingen und Sindelfingen Sonntagsarbeit durchsetzte. Ebenfalls umstritten war der Auszug der Stuttgarter aus dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Von den Tochtergesellschaften der deutschen IBM ist nur noch die Produktion GmbH Mitglied dieser Unternehmervereinigung und somit an die Tarifvereinbarungen mit der IG-Metall gebunden.

Noch nicht ganz sicher, was der IBM-Aufsichtsratsvorsitzende aus seinem neuen Amt macht, scheint der Bundesverband Informationstechnologie (BVIT) zu sein. Man werde die Situation erst einmal beobachten. "Wir erwarten von Henkels Praesidentschaft massive Zeichen fuer die IT-Industrie, besonders fuer die deutsche Software- und IT-Dienstleistungsbranche", erklaerte BVIT- Geschaeftsfuehrer Alexander Bojanowski. Persoenlich haette er sich zwar einen Wirtschaftsfuehrer als Chef des BDI gewuenscht, der "ein originaer deutsches Unternehmen leitet". Dennoch vertraut Bojanowski darauf, dass "Henkel zwischen dem Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der IBM Deutschland und dem des BDI- Praesidenten zu unterscheiden weiss".

Wird Henkel am 28. November von der Mitgliederversammlung fuer zwei Jahre auf den Chefsessel des Spitzenverbandes gehoben, ist die deutsche IBM - obwohl Tochter eines multinationalen Konzerns, der der heimischen DV-Branche schwer zu schaffen macht - in den hiesigen Branchenverbaenden gut vertreten.

Manager Bernhard Dorn ist stellvertretender Vorsitzender des BVB, und Finanzchef Alfred Esslinger sitzt dem Fachverband Informationstechnik im VDMA und ZVEI vor.