Integration für weiteres Wachstum

Jumptec bringt IT-Systeme unter ein Dach

29.06.2001
Der in den vergangenen Jahren stark gewachsene Anbieter von Embedded Computer Technology (ECT) Jumptec mit Sitz in Deggendorf war an die Grenzen seiner IT-Kapazitäten gestoßen. Die daraufhin gewählte Standard-ERP-Lösung von IFS konnte innerhalb von sechs Monaten den Echtbetrieb aufnehmen. Von Bernd Benicke und Josef Kaser *

Embedded Computer Technology (ECT) ist ein junger IT-Markt mit hohen Wachstumsraten: Ob in Bankautomaten, Diagnosegeräten oder Bildtelefonen, miniaturisierte Computer mit integrierter Software erobern immer mehr Einsatzgebiete, in denen bislang die weniger flexiblen Mikrocontroller das Regime führten. Dies bescherte der börsennotierten Jumptec AG aus Deggendorf jährliche Umsatzsprünge zwischen 80 und 200 Prozent.

Auswahl durch Internet-FragebogenAngesichts des Wachstums stieß das 1991 gegründete Unternehmen Ende der neunziger Jahre an die Grenzen seiner Informationstechnik: Das Geflecht von Insellösungen war nicht mehr in der Lage, das sich ständig ausweitende Geschäft effizient abzubilden. Spätestens mit der seit 1999 zunehmenden Internationalisierung und der Akquise neuer Firmen war klar, dass Jumptec ein integriertes Informationssystem brauchte. Das Ziel lag darin, eine einzige Plattform zu schaffen, auf der in einem ersten grundlegenden Schritt alle internen Geschäftsprozesse verknüpft werden konnten. Anschließend sollten sämtliche Mitglieder der Lieferkette ihren Rollen entsprechend in die Lösung eingebunden werden.

Anfang 2000 machte sich Jumptec auf die Suche nach einer geeigneten Unternehmenssoftware und startete ein mehrstufiges Auswahlverfahren. Gemeinsam mit dem Systemhaus UBK aus Lauf erarbeitete das Unternehmen rund 500 Fragen zu den Prozess- und Systemanforderungen. Der detaillierte Fragebogen wurde ins Internet gestellt. In der Folge erhielt Jumptec Rückmeldungen von 100 Unternehmen.

Nach einer K.-o.-Auswahl blieben vier Anbieter übrig: Glovia, IFS Industrial & Financial Systems, Navision und SAP. Diese wurden im März zu Workshops eingeladen. Ihre Aufgabe bestand darin, an von Jumptec definierten Prozessen zu zeigen, wie ihre Systeme arbeiten. Hierbei interessierten vor allem zwei Aspekte: Wie werden die jeweiligen Abläufe abgebildet? Und sind die den Systemen zugrunde liegenden Softwaretechnologien zukunftssicher? Die Entscheidung fiel schließlich für IFS.

Anwenderurteil hatte GewichtAusschlaggebend waren vor allem zwei Faktoren: Während sich alle vier getesteten Softwaresysteme in ihrer Kernfunktionalität kaum voneinander unterschieden, boten die IFS Applications zusätzlich ein integriertes Werkzeug zur Modellierung von Geschäftsprozessen: den Business Modeler. Zudem erwies sich die schwedische Unternehmenssoftware als rein objektorientiertes System, an das Drittsysteme mit vergleichsweise geringem Aufwand andocken können. Die Offenheit des Systems war ein besonders wichtiger Faktor für Jumptec, denn das übergeordnete Ziel der neuen IT-Strategie liegt darin, eine lieferkettenübergreifende Kommunikationsplattform zu schaffen.

Die Implementierung begann im Mai 2000. Eine zentrale Rolle spielten dabei acht Key-User, welche die involvierten Fachabteilungen vertraten. Das Urteil der Anwender wurde sehr ernst genommen. So konnten einzelne Implementierungsschritte erst abgeschlossen werden, wenn die Key-User dies schriftlich bestätigten.

Beim Projektteam von IFS achtete Jumptec vor allem auf Kontinuität. Ein zentraler Punkt waren kurze Kommunikationswege: Während der Einführung hatte Jumptec die Möglichkeit, kompetente Ansprechpartner bei IFS, zum Beispiel Datenbankexperten oder Softwareentwickler, direkt anzusprechen, ohne den üblichen Weg über die Projektleitung gehen zu müssen. Auf diese Weise konnten zeitkritische Anforderungen, die erst im Projektverlauf deutlich wurden, schnell gelöst werden.

Datenübernahme unerwartet aufwändigDie Implementierung bestätigte die Ergebnisse der Workshops: Die überwiegende Mehrzahl der Geschäftsabläufe ließ sich im Standard der Software abbilden. Anpassungen beschränkten sich auf die Ansicht und die Auswertung von Daten. Hierbei wurde auf der Datenbankebene nichts geändert. Dadurch lässt sich der Aufwand auch bei späteren Releasewechseln so gering wie möglich halten.

Im November 2000 ging der Kern des neuen Informationssystems, das Rechnungswesen und die Distribution inklusive der Produktionsplanung, in Betrieb. Somit dauerte die Implementierung sechs Monate, einen Monat länger als geplant. Die Verzögerung ging auf das Konto der Datenübernahme, die erheblich aufwändiger war, als zunächst gedacht. Jumptec wollte mit einem möglichst kompletten Datenstamm starten, um die Akzeptanz des neuen Systems nicht zu gefährden.

Das Umschalten von dem Warenwirtschaftssystem Büroware und dem Finanzsystem Datev auf IFS Applications verlief fast reibungslos: Vom Start weg wurden Lieferungen und Rechnungen generiert. Schwierigkeiten gab es zwar zunächst durch eine Reihe von Systemabstürzen bei den Clients. Das Problem konnte jedoch vom Anbieter behoben werden.

Insgesamt haben die derzeit rund 60 User die neue Software positiv angenommen. Hierbei erwies sich der Business Modeler als akzeptanzfördernd. Das Werkzeug zeichnet alle Geschäftsprozesse grafisch nach, die Endanwender erhalten so eine detaillierte Dokumentation, aus der sie per Mausklick in die gewünschten Masken gelangen. Die integrierte Schulungsfunktion nützt auch dem künftigen Wachstum von Jumptec: Neue Mitarbeiter werden schneller in ihre Aufgabengebiete eingeführt.

Grundlage für KennzahlensystemeDurch die Integration der Informationssysteme hat Jumptec die Transparenz seiner Geschäftsprozesse deutlich erhöht. Beispiel Lagerauswertungen: Sie ließen sich früher nur über Nacht und mit unsicheren Ergebnissen erstellen. Heute erhält der Logistikleiter seine Bestände und Werte auf Knopfdruck und innerhalb von Minuten. Darüber hinaus lassen sich jetzt zusätzliche Themen wie Liefertreue und -service untersuchen. Insgesamt hat Jumptec wertvolles neues Wissen über Performance und Qualität seiner Abläufe erworben. Auf dieser Grundlage bauen Vorstand und Fachbereiche Kennzahlensysteme auf, mit denen sie ihre Geschäftsziele überprüfen. Im Laufe des Jahres wird dies auch im Bereich des Personalwesens möglich sein, da dann als vorläufig letzter Baustein die Personalabrechnung eingeführt wird.

Für Jumptec dient die neue Geschäftssoftware als Eckpfeiler der weiteren Unternehmensentwicklung. Derzeit wird untersucht, wie die Tochterunternehmen eingebunden werden können. In der zweiten Hälfte des Jahres startet Jumptec die nächste Ausbaustufe: Künftig sollen auch Lieferanten und Distributoren einen rollenbasierten Zugriff auf die Plattform erhalten. Ziel ist, dass alle Glieder der Wertschöpfungskette über Portallösungen ihre Aufträge selbst steuern können.

* Bernd Benicke ist Organisation- und Supply-Chain-Manager bei der Jumptec AG, Josef Kaser arbeitet dort als IT-Manager.

Das UnternehmenIm Markt für Embedded Computer Technology (ECT) entwickelt und vertreibt die Jumptec Industrielle Computertechnik AG (www.jumptec.de) mit Sitz in Deggendorf miniaturisierte Computerboards mit integrierter Software. Diese "Binary Brains" werden zur Steuerung von komplexen Geräten und Systemen eingesetzt, zum Beispiel in der Motorelektronik von Fahrzeugen, der Überwachung von Lungenbeatmern, der Steuerung von Geldkartenterminals oder in der Bildtelefonie. Im Jahr 2000 steigerte das 1991 gegründete Unternehmen seinen Umsatz von 37 Millionen Mark (1999) auf 118 Millionen Mark. Besonders erfreulich entwickelten sich die Auslandstöchter mit zirka 90 Prozent organischem Wachstum.

Linux als BasisIFS Applications läuft bei Jumptec auf einer Oracle-Datenbank unter Red Hat Linux mit Windows-Clients. Die Entscheidung für die Open-Source-Plattform fiel aus mehreren Gründen: Erstens verfügt Jumptec über ein erhebliches Linux-Know-how. Zweitens überzeugte das Betriebssystem durch seine Stabilität und Performance. Drittens spart der Einsatz von Open-Source-Software Lizenzgebühren ein, die sich in die Hardware und in Endanwendungen investieren lassen.