Chairman betont Bedeutung der Initiative für die EG

Jessi soll die Position der Elektronikindustrie stärken

27.03.1992

HANNOVER (CW) - Seit Siemens und IBM den 64-Megabit-DRAM gemeinsam - ohne Jessi - entwickeln, Philips das SRAM- sowie andere Projekte auf Eis gelegt hat und sieh die EG mit der Finanzierung zurückhaltender zeigt als erwartet, droht die europäische Mikroelektronik-Initiative Jessi an Bedeutung zu verlieren. Dennoch sprach ihr Chairman Raimondo Paletto auf der CeBIT vom "bedeutendsten transnationalen europäischen Entwicklungsprogramm, das je in dieser Branche aufgelegt worden ist".

Paletto bezeichnet die Initiative als ein anwendungsorientiertes Industrieprogramm, das eine konsequente Antwort auf die Entwicklungen in anderen Teilen der Triade USA-Europa-Fernost darstelle. Er verwies dabei auf die Mittel des amerikanischen Verteidigungsministeriums und auf die der ebenfalls im Pentagon beheimateten Defence Advanced Research Programms Agency (Darpa). Bei den Japanern hätten die Keiretsu genannten Industrie-Konglomerate unter Führung des Miti die Grundlagen für "den Kampf um die Märkte der Mikroelektronik" geschaffen.

Den oft gemachten Vorwurf, Jessi käme nicht aus den Startlöchern heraus und konkrete Ergebnisse ließen auf sich warten, versuchte Paletto zu entkräften. Weil für eine solche transnationale Kooperation fast alle realen und politischen Voraussetzungen in Europa gefehlt hätten, mußte sich Jessi diese Basis während der Startphase erst selbst schaffen.

Diese Zeit sei dabei keineswegs vergeudet, denn die nun begonnene Hauptphase könne auf ein gemeinsames Regelwerk der Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Kräften zurückgreifen.

Für 1992 ein Etat von 875 Millionen Mark

Als Erfolge könne Jessi folgende Leistungen verbuchen: Die Mitarbeit an den Grundlagen für die 16-Mbit-Speichertechnologie, die Sicherstellung der Produktionstechnik für Chip-Strukturen unter 0,7 Mikron, die Realisierung von Labormustern mit Strukturgrößen von 0,25 Mikron und die erste Version eines durchgehenden CAD-Systems für den Chip-Entwurf.

Für dieses Jahr steht laut Paletto ein Etat von 430 Millionen ECU (rund 875 Millionen Mark) für die Initiative zur Verfügung. Davon wird etwa die Hälfte aus der Industrie kommen, 35 Prozent von den nationalen Regierungen und 15 Prozent aus der Europäischen Gemeinschaft. Der Chairman aüßerte die Erwartung, daß die EG ihren Anteil an den Jessi-Beiträgen in den nächsten Jahren erhöhen wird: "Es ist im öffentlichen Interesse, eine Basistechnologie zu fördern, die im nächsten Jahrzehnt die Grundlage für den Wohlstand in unserer Informationsgesellschaft bringen soll. Alle Prognosen weisen darauf hin, daß die Elektronikindustrie bis zum Jahr 2000 der führende Industriezweig in Europa sein wird."

Diese Stellung nehme die Branche in Japan bereits heute ein, sie sei die Basis für die jetzige starke Wettbewerbsposition der Japaner, so Paletto weiter.

Ob Jessi allerdings wesentlich dazu beitragen kann, die Position der europäischen Mikroelektronik gegenüber den USA und Japan zu verbessern, hängt nicht zuletzt von den vorgesehenen Geldern ab: Bis 1996 - dem Ende der Laufzeit - stehen für die Jessi-Projekte allerdings nur drei Milliarden ECU (rund 6,15 Milliarden Mark) zur Verfügung.