600 Teilnehmer bei den Hamburger Strategietagen

IT-Chefs erwarten den Aufschwung

05.03.2004
HAMBURG (qua) - "Ich hoffe, der Hype lässt noch ein halbes Jahr auf sich warten, denn wir sind immer noch beim Aufräumen." Mit diesem Satz umriss Klaus-Hardy Mühleck, CIO der Markengruppe Audi, Seat, Lamborghini, die positive Grundstimmung, die in diesem Jahr die "Hamburger Strategietage" kennzeichnete.

"Neue Impulse für den Aufschwung" - Unter diesem Titel veranstaltete die COMPUTERWOCHE gemeinsam mit der Schwesterpublikation "CIO" in diesem Jahr schon zum zweiten Mal den wichtigsten IT-Kongress im Norden Deutschlands. 600 - größtenteils zahlende - Gäste folgten der Einladung. Sie wurden angezogen durch die Möglichkeit zum Gedankenaustausch und die Aussicht auf fundierte Erfahrungsberichte aus dem IT-Management unterschiedlicher Konzerne.

Mühleck machte den Anfang. Wer ihn kennt, weiß um seine Mission: Als IT-Chef der "sportlichen" VW-Marken muss der CIO auch die Verantwortung für die unternehmensweiten Prozesse tragen. Die Rolle des "Process Owner" lasse sich manchmal, aber keineswegs immer durch die Fachbereiche besetzen, und die IT sei für eine abteilungsübergreifende Sicht auf die Prozesse geradezu prädestiniert. Er habe sogar den Audi-Vorstand schon davon überzeugen können, dass das Kürzel "IT" zunehmend für "Integrations-Technik" stehe, so Mühleck.

Auch Michael Henze, CIO des Kommunikations-Dienstleisters Tenovis, hob die enge Verbindung zwischen IT und Geschäftsprozessen hervor. Wettbewerbsentscheidend für die Unternehmen sei es heute, eine neue "Kostenkurve" zu erreichen, sprich: mit deutlich weniger Aufwand einen möglichst hohen Profit zu erwirtschaften. Das setze aber sowohl Prozess-Know-how als auch innovative Technik voraus. Um Letztere ausnutzen zu können, müssten die bestehenden Systeme radikal standardisiert werden: Ein SAP-Release-Wechsel dürfe nicht länger "im Prinzip eine Neueinführung" sein. Aus diesem Grund erlaubt Henze seinen Entwicklern maximal fünf Prozent Abweichung vom SAP-Standard.

Carsten Stockmann kennt viele Probleme seiner Standeskollegen nur vom Hörensagen. Der CIO des Finanzdienstleisters MLP gehört zum Unternehmensvorstand. Diese Position spiegelt die Bedeutung der Informationstechnik für MLP wider: "Für uns ist die IT der primäre Produktionsfaktor."

Trotzdem hat Stockmann nicht nur sein Rechenzentrum, sondern auch den Betrieb etlicher Eigenentwicklungen an HP ausgelagert. Seine Strategie umschreibt er als Koordination von Best Competences. "Früher sind wir deswegen oft schief angesehen worden", erinnert er sich, "heute haben wir es leichter, nachdem die Deutsche Bank den Deal mit IBM angekündigt hat."

Den zweiten Kongresstag eröffnete Paul Schwefer, CIO der Continental AG. Ähnlich wie Mühleck, Henze und Stockmann definiert er sich nicht nur als IT-Fachmann, sondern als Lösungsanbieter: Ob IT eine Lösung sein könne, sei nicht die erste, sondern die letzte Entscheidung, die getroffen werden müsse, so lautet sein Credo.

Prozessketten-Management

Seine Kernkompetenz sieht der Continental-CIO im Beherrschen langer Prozessketten, die die Interoperabilität unterschiedlicher Beteiligter erfordern. Konkret nannte er Supply-Chain-, Customer-Relationship- und das für die Automobilindustrie geschäftskritische Product-Lifecycle-Management.

In diesem Zusammenhang wies Schwefer auf ein grundlegendes Manko der IT hin: Im Gegensatz zu anderen Unternehmensbereichen habe sie keinen gesicherten Qualitätsbegriff. Er schlug deshalb vor, die Leistungsfähigkeit der IT an drei Ellen zu messen, die da heißen:

- Sicherheit in der Abwicklung,

- Fehlerfreiheit in der Auslieferung und

- Verantwortung für das (Bilanz-)Ergebnis.

Thomas Engel gehört zu den wenigen CIOs, die einen Sitz in der Geschäftsleitung haben, weil ihre Arbeit als wesentlich für das Unternehmen eingeschätzt wird. In der Unternehmensstrategie des Logistikdienstleisters Kühne & Nagel seien Aufbau und Betrieb einer integrierten IT-Lösung sogar ausdrücklich als Grundlage des Geschäfts festgeschrieben, berichtete der Schweizer, dessen Schreibtisch in Hamburg steht.

Neben Standardisierung, Zentralisierung und Flexibilisierung zählt Engel auch "Outsourcing" zu seinen Lösungsgrundsätzen: "Wir müssen uns auf den Business-Value-added konzentrieren." Allerdings versuche er, langfristige Bindungen zu vermeiden. Und das viel diskutierte Offshore-Outsourcing habe sich aus seinem Blickwinkel nicht gerechnet.

Einen interessanten Beitrag zum Thema Sourcing lieferte schließlich Gottfried Wegenast, Bereichsleiter Organisation und Informatik der Deka Bank. Auslagern lässt sich nur, was sauber abgrenzbar ist, darin sind sich alle Experten einig. Aus diesem Grund hat Wegenast ein Tool entwickeln lassen, das die Verbindungen zwischen Unternehmensfunktionen und Anwendungen aufzeigt, Schnittstellen und Redundanzen sichtbar macht sowie Applikationen zu Clustern zusammenfasst. Als Nebeneffekt lässt sich das Werkzeug auch verwenden, um die Kosten zu messen, die jeder Anwendungs-Cluster verursacht.

Sparen nicht mehr um jeden Preis

Anders als im Vorjahr stand das Thema Kostensparen aber nicht mehr im Vordergrund. Für Mühleck hat es sich ohnehin erledigt. Mit einem IT-Kostenanteil von 0,8 Umsatzprozent sei Audi der Benchmark für die Industrie: "Wenn ich noch mehr einspare, kann ich zusperren." Sein Ziel sei deshalb, nicht noch weniger Geld auszugeben, sondern mehr Wert zu erzeugen - insbesondere durch Steigerung der Effektivität.

Wie Henze einräumte, ist für einen CIO die Versuchung "sehr groß", durch rigide Kostensenkung sein Standing bei der Unternehmensleitung zu verbessern - auch wenn er damit Gefahr laufe, das Untenehmen kaputtzusparen. Wirkungsvolles Gegengift sei hier ein aus IT- und Unternehmensspitze zusammengesetztes Steuerungsgremium, wie es bei Audi bereits besteht. Schwefer hingegen gab unumwunden zu, sich ein unerreichbares Ziel gesetzt zu haben: Er versuche, alle 18 Monate seine Kosten zu halbieren.