Internet-Mythen und die Wahrheit

12.11.1998

Das Internet-"Erdbeben" ist vorüber - jetzt gilt es, die "Periode nach dem Schock" anzugehen. Mit dieser Aussage war Gartner in Cannes bemüht, mit einigen Halbwahrheiten des Internet-Hypes aufzuräumen.

Mythos Nummer eins: Das Internet läßt einen grenzenlosen globalen Markt entstehen.

Gartners Antwort: Besagte Hoffnung wird ein Irrglaube bleiben. Der Anstieg der weltweiten Internet-Nutzung dürfte sich mittelfristig eher abschwächen, da sich in den Entwicklungsländern nicht nur fehlendes ökonomisches Wachstum, sondern auch soziokulturelle Barrieren (Sprache und Bildung) als hemmend erweisen werden.

Mythos Nummer zwei: Portaldienste werden die dominierenden Content-Anbieter sein.

Gartners Antwort: "Portal" wird Mitte kommenden Jahres als Schlagwort der WWW-Gemeinde ausgedient haben. Was bleibt, ist die Idee, die dahintersteckt. Bis auf weiteres dürften Unternehmen keine bessere Alternative haben, als mit Hilfe sogenannter Uniform Resource Locators (URLs) eine professionelle Web-Präsenz aufzubauen.

Mythos Nummer drei: Bandbreite wird (mittelfristig) nahezu kostenlos verfügbar sein.

Gartners Antwort: Mindestens bis 2003 wird die Überbrückung der "letzten Meile" eines der gravierendsten Probleme bei der weiteren Verbreitung des Internets bleiben. Von 2008 an dürfte dieses Problem allerdings weitgehend gelöst sein.

Mythos Nummer vier: Das Internet verstärkt den Trend zur Rezentralisierung der IT.

Gartners Antwort: Dies ist eine Sichtweise, die lediglich von den Anhängern besagter "Theorie" gepflegt wird. Die Etablierung des Web in der internen wie externen Unternehmenskommunikation hat vielmehr zu einer Ausbalancierung beider "Pole" beigetragen. Parameter wie Endanwender-Computing, virtuelle Unternehmen und allgemeiner Zugang zu Daten stehen IT-Prinzipien wie Total Cost of Ownership, Vereinheitlichung der Desktop-Umgebungen sowie Server-Clustering gegenüber.

Mythos Nummer fünf: Java als Client-Plattform ist tot.

Gartners Antwort: Dies ist als "akademische" Aussage im Marketing-Geschrei der unterschiedlichen Herstellerlager zu werten. Java wird sich aber in jedem Fall auch in Server-Umgebungen (Stichwort: Java-Servlets) mehr und mehr etablieren. Die Wahrheit dürfte also zwischen "Java ist nur eine Programmiersprache" (Microsoft) und "Vergessen Sie Windows" (Sun Microsystems) liegen.