RAD-Entwicklung auch für Java Server Pages und Servlets

Inprise erweitert Jbuilder 4 um Team-Funktionen

17.11.2000
Trotz der runden Versionsnummer schreitet die Entwicklung von "Jbuilder" eher langsam voran. Aber auch diesmal könnten die neuen Features den Geschmack vieler Entwickler treffen. Die Version 4 der Java-Entwicklungsumgebung ermöglicht auf der Basis des JDK 1.3 Teamarbeit mittels CVS und das schnelle Erstellen von Java Server Pages (JSP). Von Fotis Jannidis*

Borlands Java-Tool für das Rapid Application Development (RAD) hat bei vielen Entwicklern einen guten Ruf, weil es recht sauberen Code erzeugt. Dennoch macht es dem Programmierer nur wenige Vorgaben, wie er seinen Code gestalten muss, und bietet ihm gleichzeitig die Vorteile einer komfortablen integrierten Entwicklungsumgebung (IDE).

Beim Sprung auf die Version 4 lässt sich wieder die hauseigene Politik von Borland beobachten, das Produkt nicht an einer Stelle wesentlich zu verändern, sondern durch zahlreiche kleinere Anpassungen den Entwicklungsprozess insgesamt voranzutreiben. Die wichtigste Neuerung, die alle drei Varianten des Werzeugs betrifft, ist die Umstellung auf die aktuelle Java-Version: Jbuilder 4 läuft nun auf dem JDK 1.3 und verwendet dessen beschleunigte virtuelle Maschine. Das ist eine zumindest subjektiv spürbare Veränderung, da Java-Programme immer noch ein Geschwindigkeitsproblem haben, insbesondere so große wie Jbuilder, der wohl eine der umfangreichsten Swing-Anwendungen überhaupt darstellt.

Die zweite größere Neuerung betrifft die Integration des Concurrent Version System (CVS) in den Jbuilder. Dieses Open-Source-Programm ist der De-facto-Standard für die Teamarbeit von freien Projekten im Internet und läuft auf allen Plattformen, die Jbuilder unterstützt. Arbeitet ein Programmierer an einem Projekt, dessen Quellcode auf einem CVS-Server abgespeichert ist, kann er nun aus der Entwicklungsumgebung nicht nur seine bearbeiteten Programmdateien aktualisieren oder zentral ablegen, sondern er kann sich auch alle Veränderungen der Dateien untereinander komfortabel anzeigen lassen (siehe Bild). Für Windows-Anwender, die in Version 3.5 die Integration von PCVS vermisst haben, wird diese Entwicklung wohl nicht alle Probleme lösen, kommt aber den immer zahlreicheren Open-Source-Programmierern entgegen.

Käufern der Enterprise Edition wird außerdem eine verbesserte Unterstützung der Java 2 Enterprise Edition in Aussicht gestellt. Das betrifft vornehmlich die Entwicklung und Verteilung von Enterprise Javabeans (EJB). Enger angebunden wurde Jbuilder 4 an den hauseigenen "Inprise Application Server" (eine Entwicklerlizenz gehört zum Lieferumfang) und "BEA Weblogic". Eine ähnliche Unterstützung stellte die Company für IBMs "Websphere" in Aussicht.

Umfangreicher sind die neuen Funktionen für die Entwicklung von Servlets und Java Server Pages geraten. Sie können nun mit dem beigepackten "Tomcat", einer offenen Referenzimplementierung der Apache Software Foundation, sehr viel einfacher und stabiler entwickelt und sowohl lokal als auch auf entfernten Rechnern getestet werden. Mittels so genannter Internet Beans lassen sich HTML-Bausteine für interaktive Seiten mit geringem Aufwand in JSPs und Servlet nutzen und mit Datenbanken verbinden.

Der integrierte HTML-Viewer, der für die Anzeige der Programmdokumentation, der Servlet-generierten HTML-Seiten und der JSPs verwendet wird, basiert auf dem leistungsfähigen "ICE"-Browser der Firma Wind River. Nun können HTML-Seiten einschließlich der Formatierung mit Cascading Style Sheets (CSS) angezeigt werden.

Ähnlich wie Visual Café hat Borland schon seit der Version 3.0 eine Programmier-Schnittstelle zum Zugriff auf den Jbuilder offengelegt. Dieses Open-Tools-API ermöglicht Programmierern, die IDE selbst um Features zu erweitern. Dieser Schritt hat nicht gerade eine Flut von solchen Zusatzprogrammen ausgelöst, aber inzwischen gibt es einige sehr nützliche kleine Werkzeuge (http://andersnorlin.tripod.com). Diese Liste der Open Tools lässt sich wie eine praktische Kritik des Jbuilder lesen und scheint auf Seiten von Borland auch so verstanden zu werden. Gleich mehrere Funktionen, die in früheren Versionen nur durch ein Open Tool zugänglich waren, sind nun Teil der Entwicklungsumgebung geworden. So kann man einem Projekt nun endlich ganze Codebäume mit einem einzigen Befehl hinzufügen und auch die CVS-Unterstützung war auf diesem Wege bereits angebahnt worden. Auf der Begleit-CD findet sich auch ein kleines Programm, das die Generierung der Dokumentation aus den Programmdateien mittels "Javadoc" ermöglicht. Auf diesem Weg kommt Borland einem wiederholt geäußerten Verlangen entgegen, ohne aber die volle Verantwortung für das problemlose Funktionieren dieses Merkmals übernehmen zu müssen. Der Umstand, dass der neue Archive Builder auf so wenig Gegenliebe stößt, dass findige Programmierer seinen Vorläufer aus früheren Versionen wieder ausgegraben haben, gibt allerdings zu denken.

Die Neuerungen des Jbuilder 4 bezeugen den Willen, die Position als beliebteste IDE für Java nicht zu gefährden und zugleich die Arbeit mit den wichtigsten neuen Java-Standards zu erleichtern. Unter diesem Gesichtspunkt scheint es nur naheliegend, dass sie nach ihrem Erscheinen noch um Unterstützung für die Java 2 Micro Edition erweitert wurde. Diese Erweiterung zielt insbesondere darauf ab, die Entwicklung von Software für die beliebten Kleincomputer von Palm zu erleichtern.

Weniger überzeugend wirkt allerdings die Zögerlichkeit, mit der Borland die Verwendung von XML in Java-Programmen unterstützt. Die Kombination von XML und Java ist sicher eine der beliebtesten für Internet-Anwendungen. Aber weder die Integration von XSLT-Stylesheets noch die neuen Möglichkeiten, damit verteilte Software zu schreiben, werden unterstützt. Da man aber auch bei Borland von der XML-Euphorie gehört hat, wird nun die Tatsache beworben, dass die Projektdateien von Jbuilder ebenfalls XML-konform sind.

Sowohl die Selbstdarstellung von Borland als auch weitere Neuerungen des Jbuilders zeigen die strategische Orientierung der Firma: Am oberen Ende der Skala sollen wie bisher mit der Enterprise Edition Unternehmensprogrammierer angesprochen werden, die Java-Anwendungen in verteilten Umgebungen entwickeln. Die Professional Edition wendet sich an allein arbeitende Datenbank- und Internet-Entwickler, und die kostenlose Foundation Edition soll Studenten und Gelegenheitsprogrammierer ansprechen. Warum aber der Professional Edition nicht nur die fortgeschrittenen Möglichkeiten der Fehlersuche in Servlets vorenthalten bleiben, sondern auch der komfortablere Zugriff auf CVS, will sich nicht erschließen - nicht zuletzt weil die Integration dieses und ähnlicher Werkzeuge durch Open Tools bereits unter Jbuilder 3.5 geleistet wurde.

*Fotis Jannidis arbeitet als freier Autor in München.