Thema der Woche

Im Consulting-Geschäft gibt es nicht nur Gewinner

17.01.1997

Auf die Leistungen externer Berater können die wenigsten Anwender verzichten. Im vorletzten Jahr betrug das Marktvolumen für den gesamten IT-Sektor in Deutschland rund 77 Milliarden Mark. Davon flossen mehr als zehn Milliarden Mark in Serviceleistungen. Vor allem die Einführung komplexer Standardsoftware-Pakete brachte der Branche einen Schub - nicht unbedingt zur Freude der Budgetverantwortlichen in den Unternehmen.

Gemeinsam mit Thomas Lünendonk, der sich mit seiner alljährlich veröffentlichten Liste der 25 größten Softwarehäuser Deutschlands einen Namen gemacht hat, warf die COMPUTERWOCHE einen Blick hinter die Kulissen der Beratungsbranche. Wer sind die wichtigsten Player, und in welchen Marktsegmenten tummeln sie sich? Auf welche Technologien kaprizieren sich die teuren Helfer, in welchen Branchen sind sie aktiv? Wie steht es mit den Honorarsätzen, und welche Umsätze werden pro Kopf erwirtschaftet?

Der größte Auftraggeber für die Consulting-Branche ist der Staat. Mit seinen Behörden und Institutionen füllt er die Kassen der einschlägigen Anbieter zu rund 15 Prozent. Weitere 13 Prozent steuert die Investitionsgüter-Industrie zur Jahresbilanz bei jeweils elf Prozent stammen aus der Gebrauchsgüter-Industrie und der Versicherungswirtschaft. Wachstumspotentiale sehen die Berater jedoch überwiegend in anderen Märkten. Laut Analyse glauben 44 Prozent jeweils an außerordentlich gute Geschäftsperspektiven im Handel und im Kreditgewerbe, 39 Prozent setzen auch auf andere private Dienstleister als potentielle Großkunden. Nachlassende Umsätze erwarten die Befragten in der bisher sehr nachfragefreudigen Investitionsgüter-Industrie sowie in industriellen Betrieben.

Von einem generell sinkenden Interesse an Beratungsleistungen geht kein Anbieter aus. Allerdings wird dem Geschäft mit der Entwicklung von Individualsoftware oder dem Hardwarevertrieb keine große Zukunft beschieden. Softwarewartung und Rechenzentrums-Service erscheint den Consulting-Firmen ebenfalls als unsicheres Pflaster.

Im Ratgeber-Business tummeln sich Firmen unterschiedlicher Kategorien. Wie die Branche selbst urteilt, wird in Zukunft den Systemhäusern eine Sonderrolle zukommen. Rund 40 Prozent der befragten Anbieter beurteilen sie als "sehr bedeutend". Es folgen die klassischen Org./DV-Consultants, die von 32 Prozent der Auskunftgeber als chancenreich gesehen werden.

Die Untersuchung zeigt jedoch, daß auch klassische Management-Beratungen mehr und mehr in das Geschäft mit Informationsverarbeitung drängen. McKinsey, Boston Consulting, die EDS-Tochter A.T. Kearney oder Roland Berger können ihre Konzepte nicht mehr ohne die Berücksichtigung gegenwärtiger und künftiger IT-Strukturen realisieren. Die verschärften Bemühungen dieser Topberater hat die Branche sehr wohl registriert: Den Management-Consultants wird inzwischen eine beinahe ebenso große Bedeutung beigemessen wie den Org./DV-Beratern.

Während auch Standardsoftware-Hersteller wie SAP oder Baan sowie Technologieberater ê la Diebold oder Arthur D. Little als Wettbewerber ernstgenommen werden, sorgen sich die Berater kaum um die Konkurrenz aus dem Lager der Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften und der Hardwarebranche. Offenbar sind diese Unternehmen noch so stark in ihrem Kerngeschäft verwurzelt, daß es ihnen nur schleppend gelingt, in den neuen Markt hineinzuwachsen. Auch den Anbietern von Facilities-Management-Leistungen sowie den Hochschulinstituten werden nur geringe Chancen eingeräumt.

Befragt nach den überregional bekannten, in nahezu allen Branchen und Technologien versierten Wettbewerbern, mit denen man es bei Ausschreibungen zu tun habe, fiel am häufigsten der Name CSC-Ploenzke. Es folgten Andersen Consulting und Debis sowie mit einigem Abstand Siemens-Nixdorf und IBM.

Die Marktuntersuchung widmete sich ebenfalls den Technologien, denen die Consultants bevorzugt ihre Aufmerksamkeit schenken. Modethemen wie Internet oder Data-Warehouse sind demnach zwar nicht unwichtig, spielen aber bei den deutschen Vertretern der Zunft nur die zweite Geige. Die Berater orientieren sich am Daily Business - und da ist Client-Server, vor allem im Zusammenhang mit der Einführung aufwendiger Standardsoftware-Pakete, das absolut vorrangige Thema.

Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben an, Client-Server-Technologien nähmen im Rahmen ihrer Tätigkeiten die wichtigste Position ein (siehe Grafik, Seite 1), gefolgt von Objektorientierung (von 39 Prozent als "sehr wichtig" beurteilt) und Intranet (37 Prozent). In die Bewertung kamen ferner 4GL (22 Prozent), Internet (20 Prozent), Data-Warehouse (17 Prozent) und Java (zwölf Prozent). Angesichts des öffentlichen Hypes wird das Thema Multimedia von der Beratungsbranche überraschend als eher irrelevant eingestuft (zwölf Prozent).

Es ist offenbar für den Consumer-Bereich und bestimmte Branchen interessanter als für den Business-to-Business-Sektor.

Mit ihrer Geschäftsentwicklung konnte die Branche 1996 nur bedingt zufrieden sein. Ersten Berechnungen zufolge soll der Umsatz im abgelaufenen Jahr um durchschnittlich 17 Prozent über dem des Vorjahres liegen - allerdings handelt es sich dabei um die Einnahmen insgesamt, also auch um Umsätze, die jenseits des Consulting-Geschäftes erzielt wurden.

Zieht man außerdem künstliche Umsatzsprünge ab, die durch Übernahmen verbucht wurden, dürfte das Marktvolumen 1996 um zirka acht Prozent gestiegen sein.

Enorme Schwankungen zeigen sich jedoch in der Leistungsfähigkeit der einzelnen Gesellschaften, die sich unter anderem am Pro-Kopf-Umsatz ablesen läßt. Hier variieren die Angaben zwischen 120000 Mark und einem Spitzenwert von 550000 Mark. Unterhalb des statistischen Mittels von 234000 Mark lagen 56 Prozent der Befragungsteilnehmer. Fast 45 Prozent erwirtschafteten sogar weniger als 200000 Mark pro Kopf. Sie unterschreiten damit das Limit, das in der Branche gemeinhin als Rentabilitätsgrenze betrachtet wird.

So unterschiedlich wie die Pro-Kopf-Umsätze sind auch die Honorare, die Berater für Tätigkeiten wie Konzeption, Realisierung, Projektleitung, Schulung oder auch für nach Schwierigkeitsgrad gestaffelte Aufgaben verlangen. Aus den Preislisten der Anbieter wurden die Stundensätze für Beratung und Konzeption einerseits sowie Realisierung auf der anderen Seite ermittelt. Sicher gehen diese Preise in vielen Fällen nur als Verhandlungsbasis durch, die Wirklichkeit stellt sich für manchen Branchenteilnehmer deutlich härter dar.

Die Extremwerte für Beratung/ Konzeption liegen demnach zwischen 110 und 560 Mark. Diese Beträge - vor allem der obere Grenzwert - sind im Geschäftsalltag die absolute Ausnahme. Der Mittelwert für Beratung und Konzeption liegt bei 240 Mark pro Stunde. Allerdings wird er in 55 Prozent der Fälle nicht erreicht. Bei Realisierungsaufträgen wird der Durchschnittswert von 195 Mark ebenfalls mehrheitlich nicht erreicht.

Zur Methode

Befragt wurden 300 Unternehmen, die in Deutschland Consulting-Leistungen anbieten. Rund 15 Prozent von ihnen füllten den sehr umfassenden Fragebogen aus. Des weiteren wurden Archivdaten herangezogen, so daß sich ein realistisches Bild des Marktes ergibt. Der Umsatz der Teilnehmer liegt bei durchschnittlich 130 Millionen Mark, die Spanne reicht dabei von 15 Millionen bis weit über eine Milliarde. Die Beschäftigtenzahl beträgt duchschnittlich 500, sie schwankt zwischen 75 und über 5000.

Das Leistungsspektrum der einbezogenen Anbieter ist äußerst heterogen. Es reicht von der Organisationsberatung über den Hardwarevertrieb bis hin zum Facilities-Management. Die hier berücksichtigten Unternehmen erwirtschaften im Durchschnitt 60 Prozent ihrer Umsätze mit Beratung und 40 Prozent mit dem Verkauf von Soft- und Hardware sowie Service- und Trainingsleistungen.

Handbuch

Die COMPUTERWOCHE wird die Ergebnisse der Marktuntersuchung in dem Handbuch "Berater - Informationstechnologie, Management, Personal" im Detail veröffentlichen. Das Buch erscheint am 7. Juli 1997 und wird jährlich aktualisiert. Informationen über redaktionelle Inhalte und Anzeigen erteilt Ute Zirus, Tel. 089/36086-431.