Anwender beklagen sture Kostenstrategie der ISVs

IBMs Mainframes stecken weiter in der Softwarefalle

20.10.2000
MÜNCHEN (ba) - IBM versucht mit der "Z-Serie", seinem Mainframe-Geschäft neuen Schwung zu geben. Doch obwohl die Hardware von Kunden wie Analysten positiv bewertet wird, sehen viele Anwender schwarz für die Zukunft. Als Grund dafür nennen Vertreter der IBM-Benutzer-Vereinigung Guide Share Europe (GSE) die Preispolitik der Softwareanbieter, die sich nach wie vor an der Leistung der Maschinen orientiert.

Zwei Jahre Zeit und Investitionen in Höhe von rund einer Milliarde Dollar hat IBM in die Entwicklung seiner neuen Mainframe-Generation gesteckt. Herausgekommen ist die Z-Serie, deren erstes Modell, der "Z-900"-Rechner, die Armonker Anfang Oktober vorgestellt haben. Die E-Server-Strategie, unter der die neuen Systeme im Markt positioniert werden sollen, zielt auf das E-Business.

Henrik Klagges, unabhängiger Analyst aus München, beschreibt die Z-Serie als sinnvolle und logische Weiterentwicklung der "S/390"-Linie. Vor allem die neue 64-Bit-Architektur, mit der ein wesentlich größerer Hauptspeicher adressiert werden kann, bringe einen deutlichen Leistungsschub. Der Marktforscher mahnt allerdings ein flexibleres Preismodell für die Software an. In der Vergangenheit hätten viele Kunden die Leistung ihrer S/390-Rechner verdoppelt. Die daraus resultierenden höheren Lizenzkosten rufen laut Klagges bei vielen Anwendern Unmut hervor.

Das bestätigten die Mitglieder der IBM-Benutzervereinigung Guide Share Europe (GSE) auf ihrer Tagung am 9. Oktober in Bad Neuenahr. Sie sehen schwere Zeiten auf die Mainframe-Plattform zukommen. Grund für den Pessimismus ist die nach wie vor problematische Preispolitik für systemnahe Software. Dazu zählen beispielsweise Datenbanken, Middleware (Cics, MQ Series) sowie Verwaltungs- und Monitoring-Applikationen (Scheduling, Workloading, Timesharing). Im Kreuzfeuer der Anwenderkritik stehen Firmen wie Computer Associates (CA), BMC oder Candle. Diese berechnen die fälligen Softwaregebühren nach der Leistung der Rechner, auf der die Anwendungen laufen. Grundlage bilden dabei Maßeinheiten wie Million Instructions per Second (MIPS), die die Prozessorleistung beschreiben, oder die Software-Messlatte Million of Service Units (MSUs). Bauen die Mainframe-Kunden die Leistung ihres Systems aus, steigen automatisch auch die Gebühren für die Applikationen.

Auf einer GSE-Tagung im Mai dieses Jahres probten die Mainframer den Aufstand (siehe CW 19/00, Seite 17). In einer hitzigen Debatte forderten die Anwender eine Abkehr vom bisherigen Preismodell. Für den Fall, dass sich bei den Independent Software Vendors (ISVs) nichts ändere, prophezeite Christoph Laube von der Kölner Unternehmensberatung Schumann und GSE-Koordinator in Deutschland eine ernste Krise für den S/390-Markt.

Denn während die Hardwarepreise zuletzt stetig fielen, stiegen zwischen 1993 und 1998 die Kosten für die Programme der ISVs um jeweils 17 Prozent pro Jahr. Diese Preispolitik wollten die Anwender nicht länger mitmachen und stellten einen Forderungskatalog an IBM und die ISVs auf, der unter anderen folgende Punkte enthielt:

- Die Softwarekosten sollen sich nach der tatsächlich in Anspruch genommenen Leistung richten.

- Nicht genutzte Leistungsreserven dürfen nicht in die Berechnung einfließen.

- Die Hersteller sollen transparente Preislisten veröffentlichen.

Jetzt kam dieser Forderungskatalog erneut auf den Tisch. Die etwas über 160 Teilnehmer wollten von den Herstellern wissen, ob sich etwas geändert hat. Dem GSE-Forum stellten sich Vertreter von IBM, CA und BMC. Candle hatte seine Teilnahme an der Konferenz kurzfristig abgesagt. Begründung: Man habe keinen geeigneten Referenten finden können.

Den Beginn machte IBM-Produkt-Manager Karl-Georg Martin mit der Vorstellung der neuen Mainframe-Linie. Positiv aufgenommen wurden die technischen Features der neuen Z-Serie (siehe Kasten "Technik der Z-900-Serie"). Laubes Kommentar: "Wer ernsthaft E-Business betreiben will, der kommt an dieser Maschine nicht vorbei." Besonders hob der GSE-Mann die Konsolidierungsmöglichkeiten der Z-Serie hervor. "Der Clou ist die Server-Konsolidierung unter Linux."

Das neue Pricing-Modell der Armonker erläuterte Ray Jones, Vice President für Server Solutions der IBM Software Group. In Zukunft sollen die Kosten nicht mehr nach dem Parallel-Sysplex-License-Charge-(PSLC-)Modell abgerechnet werden. Dieses Preiskonzept sah zwar vier Leistungsklassen vor, innerhalb derer die Kostenkurve in den höheren Stufen abflachte. Basis der Berechnung bildete jedoch nach wie vor die Gesamtleistung der Maschine. Das heißt: Höhere Leistung zieht automatisch höhere Softwarekosten nach sich.

Das soll sich mit dem Workload-License-Charge-(WLC-)Modell ändern. Damit sollen Anwender bestimmte Leistungsniveaus definieren können, an denen sich die Preise dann orientieren. Das bedeutet, dass nicht mehr die Spitzenleistung des Systems, sondern die durchschnittliche Auslastung zur maßgeblichen Größe für die Preisberechnung wird. Die Leistungsniveaus können monatlich neu definiert werden. Außerdem verkündete Jones, dass die Preise für das neue Betriebssystem "z/OS" je nach Mainframe-Klasse zwischen 25 und 45 Prozent niedriger liegen werden als bei OS/390.

Die zweite Neuerung, die das WLC-Pricing mit sich bringt, ist die Leistungsorientierung nach der logischen Partitionierung (LPAR) des Mainframes. Wurde früher die Leistung aller LPARs in einen Topf geworfen, sollen die Kunden zukünftig nur noch die MSUs der Partitionen zahlen, auf denen die entsprechenden Anwendungen real laufen (siehe Kasten "Preisbeispiele der IBM"). So genannter White Space, Leistungsreserven, die Anwender von Anfang an in ihre Mainframes einbauen und erst bei Bedarf zuschalten können, soll nicht in die Preisberechnungen einfließen.

Um die Lizenzgebühren berechnen zu können, liefert IBM seine Mainframes mit dem "X-Open Software License Manager" (XSML) aus, der standardmäßig in z/OS integriert sein wird. Dieses Tool muss auf einer LPAR des Systems installiert werden. Agenten in den anderen Partitionen versorgen den Manager mit Informationen über die dort installierten Applikationen und deren Leistungsbedarf. Einziger Wermutstropfen für die Anwender: Der License Manager funktioniert nur unter dem neuen Betriebssystem z/OS auf der Z-Serie. Das bedeutet, bei allen Kunden mit S/390-Systemen wird weiter nach dem alten Preismodell abkassiert.

"IBM ist zwar auf dem richtigen Weg, aber die Lösungen kommen zu spät und schließen den Großteil der Mainframe-Kunden aus", bringt Laube die Kritik auf den Punkt. Erst im März nächsten Jahres sollen die ersten Z-900-Rechner mit dem neuen Betriebssystem ausgeliefert werden. Nur wer dann auf die neue Generation umsteigt, profitiert von dem geänderten Preismodell. Nach Ansicht von Laube müssten die S/390-Besitzer weiter Druck auf IBM ausüben, um auch für die alten Mainframes neue Preiskonzepte zu erreichen.

Das günstigste Preismodell nützt jedoch nichts, wenn die anderen Hersteller nicht mitspielen. Während IBM noch im Rahmen der Präsentation seiner E-Server-Strategie vollmundig angekündigt hatte, die ISVs würden in Zukunft ebenfalls leistungsbasierte Preismodelle anbieten, waren auf der GSE-Tagung ganz andere Töne zu hören.

CA enttäuschte das Auditorium auf der ganzen Linie. Nachdem der europäische Marketing-Direktor Jay Huff lang und breit die Vorzüge der bisherigen Preispolitik angepriesen hatte, wie zum Beispiel leicht berechenbare Fixkosten oder Value-based Pricing, kam er erst zum Schluss seiner Präsentation auf die mit Spannung erwartete zukünftige Preisstrategie zu sprechen. Doch alles, was Huff zu diesem Thema zu sagen hatte, war: "Wir arbeiten daran." Der Anbieter werde erst dann entsprechende Strategien verkünden, wenn die neuen Maschinen auf dem Markt seien. Allerdings würden in Zukunft Leistungskapazitäten, die allein für Linux reserviert sind, nicht mehr in die Preisalgorithmen für CA-Produkte einfließen. Vorwürfe, es habe sich nichts geändert, ließ Huff mehr oder weniger unkommentiert abprallen.

In Gesprächen am Rande der GSE-Tagung ging die Kritik an CA noch weiter. So berichtete ein Versicherungsmitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden möchte, von "miesen" Verkaufsmethoden. Vertriebsangestellte würden Kunden unter Zeitdruck setzen, um sie zu unüberlegten Vertragsabschlüssen zu drängen. Außerdem würden mündliche Zusagen regelmäßig "vergessen".

Ferner kreidete der Mainframe-Anwender dem Hersteller an, keine vernünftigen Preislisten zu führen. Eine Rabattspanne von fünf bis 85 Prozent sei ein Witz. Die Folge sei ein Feilschen wie auf einem Basar. Wenn es denn eine Preisliste gebe, kümmere sich CA nicht darum. So habe ein Verkäufer seiner Versicherung ein Produkt für einen Preis angeboten, der um über 20 Prozent höher lag, als in einer dieser Listen angegeben.

Wettbewerber BMC schnitt dagegen wesentlich besser ab, obwohl Jay Gardner, Vice President für die Global Field Operations, den ersten Punkt den Anwendern überlassen musste. In Anspielung auf die Vornamen der Referenten, zweimal Jay und einmal Ray, zietierte der BMC-Manager einen Werbespruch, um einen lockeren Einstieg in seinen Vortrag zu schaffen: "You can call me Jay or you can call me Ray." Trockene Antwort eines GSE-Mitglieds: "As long as you pay."

In der Folge hatte der BMC-Manager allerdings wesentlich mehr zu bieten als sein Kollege von CA. So räumte Gardner ein, dass sich an der Preispolitik der ISVs etwas ändern müsse. Ein Chart, dem zufolge die BMC-Preise seit 1995 um 13 Prozent pro Jahr gefallen wären, erntete bei den GSE-Mitgliedern allerdings nur Gelächter. Konkret kündigte der BMC-Mann an, in Zukunft ein Workload-basiertes Preismodell zu unterstützen. Voraussetzung sei jedoch, dass die Kunden die neuen Z-Serie-Mainframes und z/OS einsetzen.

Gardner versprach den S/390-Anwendern außerdem, dass es auch für die alten Maschinen eine Übergangslösung geben werde. So will BMC mit Hilfe der System-Management-Facility-(SMF-) Records ein gebrauchsabhängiges Preismodell einführen. Diese SMF-Daten dienen bereits seit Jahren bei einzelnen Mainframe-Applikationen zur Preisermittlung.

GSE-Mitglieder, die IBM-Manager Jones mit BMCs Preisidee konfrontierten und fragten, warum es nicht möglich sei, auch von IBM über die SMF-Records bereits heute Preise nach Gebrauch zu bekommen, erhielten keine aussagekräftige Antwort. Der IBM-Mann konnte keinen plausiblen Grund nennen, warum dieser Wunsch nicht erfüllbar sei.

Der Marktauftritt der Z-Serie steht unter keinem guten Stern. GSE-Koordinator Laube fragte am Ende der Veranstaltung, wie viele Anwender mit dem Gedanken spielten, sich im ersten Quartal 2001 einen Mainframe der Z-Serie zuzulegen. Gerade sieben Anwender von etwa 160 meldeten sich. IBM-Manager Martin muss zugeben, dass ein Upgrade auf die Z-Serie nur dann sinnvoll sei, wenn die Leistungsanforderungen um etwa 30 bis 40 Prozent stiegen. Das scheint jedoch nur bei wenigen Kunden der Fall zu sein. Nimmt man die problematische Pricing-Situation hinzu, muss sich IBM den Vorwurf gefallen lassen, die neuen Mainframes am Markt vorbeientwickelt zu haben.

IBM-Tools helfen Anwendern nicht weiter

Auch der Versuch der Armonker, den Mainframe-Anwendern mit eigenen, günstigeren Tools zu helfen, geht gründlich daneben. Hier liege nämlich genau das Problem der Anwender, schimpft ein GSE-Mitglied. Wer die Produkte von CA oder BMC einsetzt, sei in den meisten Fällen von dem jeweiligen ISV abhängig. Ein Umstieg sei kaum zu bewerkstelligen. So könne man sich zwar vorstellen, etwa ein Debug-Tool von einem anderen Hersteller einzukaufen, aber kein Mainframer werde beispielsweise seine Entwicklungsumgebung über Bord werfen. Umschulungen und Neuentwicklungen würden Millionen kosten. Deshalb stecke sich IBM mit der Behauptung, die Produkte der Konkurrenz ersetzen zu können, nicht zu erfüllende Ziele.

Laube von der GSE zieht ein ernüchterndes Fazit der Veranstaltung. Seiner Ansicht nach seien die Probleme der Mainframe-Welt längst nicht gelöst. Kostenreduzierungen durch eine neue Preispolitik seien für die meisten Kunden nicht in Sicht. "Wenn sich keiner bewegt, werden sich die S/390-Leute neue Plattformen suchen", warnt Laube.

Preisbeispiele der IBM

Parallel Sysplex License Charge (PSLC): Ein Anwender hat drei logische Partitionen (LPARs) definiert, mit 200, 100 und 50 MSUs. Im alten Modell muss der Kunde für alle Applikationen die Gebühr für 350 Million of Service Units (MSUs) zahlen, egal ob die Anwendungen die komplette MSU-Kapazität nutzen oder nicht.

Workload License Charge (WLC): Im neuen Modell zahlt der Kunde nur für die MSUs, die die entsprechende Applikation wirklich nutzt. Beispiel: Cics läuft auf LPAR 1 mit 200 MSUs und LPAR 2 mit 100 MSUs. Der Anwender zahlt Gebühren für 300 MSUs. Wird die Leistung einer LPAR mit Cics ausgebaut, muss der Kunde entsprechend mehr zahlen. Erhöht der Anwender dagegen die Leistung von LPAR 3, auf der kein Cics installiert ist, werden keine höheren Gebühren für Cics fällig. Es steigen lediglich die Gebühren für die Applikationen, die auf LPAR 3 laufen.

Technik der Z-900-Serie

Herzstück der neuen Mainframes sind die 64-Bit-Multichip-Module (MCM). Maximal finden 20 Prozessoren in einer Z-900 Platz. Davon bearbeiten mindestens drei den I/O-Verkehr, und ein Chip dient als Reserve, falls eine CPU ausfallen sollte. Die MCMs gibt es in zwei Größen: bis zwölf und bis 20 Prozessoren. Die E/A-Bandbreite beträgt 24 GB/s. Maximal werden 96 Ficon-Kanäle unterstützt. Der Hauptspeicher lässt sich mit 64 Bit adressieren. Über die Virtual-Image-Facility-(VIF-)Funktion lassen sich laut Hersteller theoretisch Tausende von Linux-Servern in einer Z-900-Maschine konsolidieren. Applikationen auf verschiedenen logischen Partitionen (LPARs) können über die ab Mitte nächsten Jahres verfügbare Hiper-Socket-Technologie Daten direkt im Hauptspeicher austauschen. Der schnellere Datenaustausch setzt dabei auf einem herkömmlichen TCP/IP-Protokoll auf. Mit Hilfe eines Workload-Managers können Kunden ihre Leistungsressourcen auf die LPARs verteilen. Über die Definition von Prioritäten wird bei Spitzenauslastung die installierte Leistungsreserve automatisch an die Partitionen verteilt. Die Z-900-Systeme laufen mit dem neuen 64-Bit-Betriebssystem z/OS. Allerdings funktionieren auch ältere 24- und 31-Bit-Anwendungen auf den Z-900-Rechnern.