Marketing-Kampagne soll Partner mit ins Boot holen

IBM trimmt Softwaresparte auf Branchen

05.12.2003
MÜNCHEN (CW) - IBM will ab dem nächsten Jahr seine Software-geschäfte neu ordnen. Vertrieb und Entwicklung sollen sich künftig an zwölf Branchen orientieren. Da sich Big Blue jedoch bereits vor Jahren aus dem Applikationsgeschäft verabschiedet hat, wird der Erfolg der Kampagne davon abhängen, ob Partner und unabhängige Softwarehersteller mitziehen.

"Kunden kaufen ihre Software heute anders." Entsprechend dieser Erkenntnis müsse IBM seine Softwaresparte anpassen, fordert Steven Mills, Chef der IBM Software Group. Heute stehe nicht mehr die Technologie im Vordergrund. Die Anwender suchten vielmehr Branchenlösungen, mit deren Hilfe sich spezifische Prozesse abbilden und unterstützen ließen. Ab Januar 2004 werden deshalb IBM-intern eine Reihe strategischer Veränderungen in Kraft treten, kündigte Mills an.

Laut den bisherigen Mitteilungen wird es ab dem nächsten Monat 60 neue an insgesamt zwölf Branchen angepasste Middleware-Pakete geben. Zu den anvisierten Bereichen zählen unter anderen Versicherungen, Banken, der Handel, das Gesundheitswesen sowie der öffentliche Sektor.

Außerdem ist geplant, die Hälfte aller 13000 Vertriebsmitarbeiter neu zu schulen. Sie sollen neben technischem Know-how mehr Branchenwissen erhalten. Die rund 20000 Softwareentwickler in Diensten IBMs sollen mit einer Millionen-Investition darauf ausgerichtet werden, auf bestimmte Industrien ausgerichtete Middleware-Produkte zu entwickeln.

Eine besondere Rolle werden Partner und Independent Software Vendors (ISVs) im Rahmen der neuen Softwarestrategie spielen. So soll ab Januar 2004 eine breit angelegte Marketing-Kampagne anrollen, um die Lösungen der rund 65000 Softwarepartner enger mit den IBM-Produkten zu verknüpfen. Big Blue plant verschiedene Programme, unter deren Dach Produkte der Partner zusammen mit IBM-Lösungen vermarktet werden. Wie viel Geld IBM für die Partner springen lassen will, ist derzeit nicht bekannt. Insider sprechen von mehreren hundert Millionen Dollar.

Mit den teuren Maßnahmen wird deutlich, mit welchen Problemen sich Big Blue im Softwaregeschäft konfrontiert sieht. Die Armonker haben sich 1999 aus dem Applikationsgeschäft zurückgezogen und auf den Infrastrukturbereich konzentriert. Allerdings lässt sich eine Middleware wie Websphere oder eine Datenbank wie DB2 schwerlich an spezifische Wirtschaftsbereiche anpassen. Auch die Mail-Applikation Lotus Notes, System-Management-Suiten von Tivoli und das Entwicklungsportfolio von Rational lassen kaum Branchenpotenzial erkennen. Daher muss IBM in Sachen Branchenkompetenz auf die Unterstützung der Softwarepartner bauen.

Das haben die Softwareverantwortlichen von IBM in den letzten Jahren auch getan. Doch in den Markt für Geschäftssoftware ist Bewegung gekommen. Eine Übernahmewelle wirbelt insbesondere den mittelständischen Markt durcheinander. Für Kunden sind Investitionen in die Produkte der IBM-Partner riskanter geworden. Unterdessen schläft die Konkurrenz nicht. SAP richtete in den vergangenen Monaten sein Portfolio enger an verschiedenen Branchen aus. Parallel verstärkte das deutsche Softwarehaus mit der Netweaver-Initiative seine Anstrengungen im Infrastrukturbereich.

Die Furcht, hier den Anschluss zu verlieren, dürfte nach Einschätzung von Branchenbeobachtern ein wesentlicher Beweggrund für die aktuelle IBM-Initiative gewesen sein. Auch die stagnierenden Softwareumsätze der vergangenen Jahre, die stets um die 13 Milliarden Dollar pendelten, haben wohl Veränderungsdruck erzeugt. Außerdem, so mutmaßen Insider, basiere immer noch ein Großteil der Softwareeinnahmen auf dem Mainframe-Geschäft.

Marktbeobachter gehen jedoch davon aus, dass IBM Probleme im Softwareumfeld mit Hilfe seiner 60000 Mann starken Service-Division zu beheben vermag. So könnte auch die Dienstleistungssparte mit ihren Branchenorientierungen der Ausgangspunkt für die Neuorganisation des Softwarebereichs gewesen sein. (ba)