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IBM-Forscher schaffen molekularen Domino-Effekt

25.10.2002
Forscher in IBMs Almaden Lab haben winzige Schaltkreise aus Molekülen gebaut, die wie Dominosteine umfallen. Laut Moores Gesetz hätte das erst in 45 Jahren passieren dürfen.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Schön, dass sich auch in Krisenzeiten manche Unternehmen noch echte Grundlagenforschung leisten: Wissenschaftlern der IBM ist es gelungen, eine Art molekularen "Domino-Effekt" zu erzeugen. Der Konzern hofft nun, mithilfe der neuen Erkenntnisse die Entwicklung integrierter Schaltkreise deutlich zu beschleunigen.

Konkret erzeugten die Forscher von Big Blue pfeilspitzenförmige Muster von Kohlenmonoxid-Molekülen auf einer atomarenKupferoberfläche. Die Moleküle wiederum ließen sich durch ein digitales Signal wie beim so genannten Domino-Effekt umstoßen. Publiziert wurden die Ergebnisse in der gestrigen Ausgabe von "Science Express", der Online-Ausgabe des Wissenschaftsblattes "Science Magazine".

Das Team : Jay Gupta, Don Eigler, Andreas Heinrich, Christopher Lutz (v.l.n.r). Foto: IBM
Das Team : Jay Gupta, Don Eigler, Andreas Heinrich, Christopher Lutz (v.l.n.r). Foto: IBM

Eine in Chevronform angeordnete Triade aus Kohlemonoxid-Molekülen richtet sich demnach anhand des zentralen Moleküls spontan wieder aus. Die Forscher verbanden dann jeweils zwei Mokeküle aus separaten Dreierkonfigurationen so miteinander, dass das Rearrangement der ersten Triade jeweils eine neue erzeugte. Jede einzelne Kaskade trägt laut IBM eine binäre Informationseinheit - ein stehender Dominostein beispielsweise eine "1" und ein umgefallener die "0". Die logischen Operation "AND" und "OR" und andere für komplexere Schaltungen nötige Features wurden über Zwischenräume zwischen den Kaskaden realisiert.

Der Sorter mit drei Eingängen misst 12 x 17 Nanometer.
Der Sorter mit drei Eingängen misst 12 x 17 Nanometer.

Als komplexeste Struktur erzeugten die IBM-Forscher einen "Sorter" mit drei Eingängen, der gerade 12 x 17 Nanometer (Milliardstel Meter) misst. Als potenzielle Anwendungsmöglichkeiten nennt der Hersteller unter andere Sensoren und Messfühler - vor allem im medizinischen Bereich - und andere mikroskopisch kleine Geräte, bei denen eine einmal vorzunehmende Schaltung nötig ist (wie bei Dominosteinen lässt sich eine einmal vorgenommene Schaltung nicht rückgängig machen).

"Die Molekülkaskade ist nicht nur eine neue Methode für Berechnungen ["Computation"], sondern wir haben erstmals alle nötigen Komponenten für Computing im Nanomaßstab konstruiert, verbunden und rechnen lassen. Das ist kleiner als jeder andere heute funktionshfähige Schaltkreis", freut sich Andreas Heinrich, ein Mitglied des Forschungsteams. Dieses sitzt in den Almaden Labs von IBM im kalifornischen San Jose; die übrigen Forscher sind Christopher Lutz, Jay Gupta und Donald Eigler.

Hätte man das Moore'sche Gesetz ["Die Zahl der Transistoren auf einem Chip verdoppelt sich alle 18 Monate"] angesetzt, so hätte die entsprechende Miniaturisierung nach Angaben des IBM-Teams eingentlich erst in 45 Jahren erreicht werden dürfen. Weitere Informationen, Bilder und Videos finden Interessierte hier in englischer Sprache. (tc)