Armonker schieben sich geschickt in Vermittlerrolle zwischen EG und USA

IBM drängt mit Macht ins europäische "Jessi"-Projekt

13.10.1989

BRÜSSEL (CW) - IBM klopft immer vernehmlicher an die Türen der EG. In Brüssel unterstrich Chairman John Akers höchstpersönlich das Interesse der Armonker, bei dem mit acht Milliarden ECU dotierten Halbleiter-Forschungsprojekt "Jessi" mit von der Partie zu sein.

Vor der in der EG-Hauptstadt versammelten Presse bemühte sich Akers, IBM als ein in Europa festverwürzeltes Unternehmen darzustellen, an dem folglich auch bei einem so grundlegenden Projekt wie "Jessi" kein Weg vorbeiführe. Er bestätigte, daß man offiziell wegen einer Teilnahme an dem multinationalen Programm vorstellig geworden sei und gab sich optimistisch, daß die Verhandlungen mit der EG-Kommission und Vertretern der beteiligten Industrie vom Erfolg gekrönt würden.

Akers' Vorstoß könnte eine Abkehr der US-Regierung von ihrer bisherigen kritischen Haltung in puncto "Jessi" signalisieren, wie sie noch vor kurzem von der Sonderbeauftragten US-Präsident Bushs in Handelsfragen, Carla Hill, wiederholt worden war. Frau Hill, die pikanterweise vor ihrer Berufung in das Regierungsamt Mitglied des IBM-Verwaltungsrates war, hatte die "Jessi"-Initiative als Abschottungsmaßnahme zur Stützung der "Festung Europa " charakterisiert.

Das Forschungsprogramm der Europäer ist unter anderem auch eine Reaktion auf eine gleichartige Bemühung großer US-Halbleiterhersteller: In der Vergangenheit hatten sich europäische Chip-Hersteller um eine Beteiligung an "Sematech", so die Bezeichnung, des US-Projekts, bemüht, waren aber rüde zurückgewiesen worden.

Angesichts der hohen Dotierung von "Jessi" beobachtet die US-Regierung inzwischen jedoch die europäischen Bestrebungen, auf dem Chip-Sektor nicht noch weiter an Boden gegenüber Japan und den Vereinigten Staaten zu verlieren, mehr als argwöhnisch. So fanden inzwischen transatlantische Gespräche zwischen Vertretern beider Gruppen statt mit dem Ziel, immerhin Bereiche gemeinsamen Interesses abzustecken, wie zum Beispiel die Festlegung gemeinsamer Standards bei der Entwicklung von Chip-Produktionswerkzeugen oder für Automatisierungssoftware.

Sogar Bundeskanzler Helmut Kohl machte sich angesichts zu befürchtender handelspolitischer Friktionen das Thema zu eigen: Als er Anfang Juli dieses Jahres - im Werk Böblingen der IBM Deutschland GmbH - den Startschuß für die Fertigung des ersten Vier-Megabit-Chips in Europa gab, erklärte er auch, es sei wünschenswert, daß nach dem Zustandekommen von "Jessi" nun auch eine Kooperation mit "Sematech" wünschenswert sei. "Dabei könne", so betonte der Kanzler ausdrücklich, "gerade die IBM eine wichtige Rolle übernehmen".