Nur die Outsourcing-Aktivitäten sind betroffen

IBM bringt Ordnung ins Servicegeschäft

16.03.2001
MÜNCHEN (ba/jha) - Die deutsche Niederlassung von IBM Global Services ordnet ihr Outsourcing-Geschäft neu. Die Anzahl der Töchter soll möglichst verkleinert werden. Dabei kann Big Blues Dienstleistungseinheit jedoch nicht nach eigenem Gutdünken schalten und walten, denn an einigen Gesellschaften sind Kunden beteiligt. Das Projekt-, Unternehmensberatungs- und Helpdesk-Geschäft ist von den Veränderungen nicht betroffen.

IBM Global Services ist eine Macht im IT-Dienstleistungsgeschäft. Sowohl im weltweiten wie auch im deutschen Markt hat sich die Big-Blue-Tochter in der Rangliste der größten IT-Servicehäuser zum Teil mit deutlichen Vorsprung auf dem ersten Platz festgesetzt. Einer Meta-Group-Studie zufolge schätzen die Kunden vornehmlich die Internationalisierung des Konzerns. Gute Noten geben die Anwender dem größten Serviceunternehmen im IT-Sektor zudem in den Bereichen Innovation, Kundenorientierung sowie Kompetenz der Mitarbeiter. Dafür scheinen die Kunden auch gerne einen IBM-Aufschlag zu bezahlen, denn für seine Preispolitik wird IBM Global Services mit schlechten Werten bedacht.

Restrukturierung ist beschlossene SacheTrotz des insgesamt guten Abschneidens läuft in der deutschen Niederlassung von IBM Global Services nicht immer alles rund. So heißt es etwa in dem Ende letzten Jahres von der IG Metall herausgebrachten Mitteilungsblatt "Denkanstöße" des IBM-Betriebsrates: "Ernst Koller, General Manager IBM Global Services Central Region, war in seinem Bericht damit beschäftigt, sich zu rechtfertigen, warum das erste Halbjahr 2000 so schlecht lief beziehungsweise warum man diese kritische Situation erst sehr spät erkannte." IBM wollte sich auf Nachfrage zu diesem Thema nicht äußern. Begründung: Man gebe keine Zahlen für einzelne Länder heraus.

Allerdings ist eine Restrukturierung der deutschen IBM-Organisation ausgemachte Sache, denn genau dies kündigte Erwin Staudt in einem Inteview der "Financial Times Deutschland" an. Vor allem die Vielzahl der Tochtergesellschaften ist dem Deutschland-Chef ein Dorn im Auge: "Es werden in Zukunft eher weniger als mehr", sagte er dem Wirtschaftsblatt. Sein Ziel ist es, Redundanzen zu vermeiden. Dazu, so Staudt, braucht man größere Einheiten. Anscheinend ist dies keine neue Erkenntnis, denn "das Thema Reorganisation wird bei der IBM schon seit mindestens neun Monaten hausintern diskutiert. Bislang hat man sich aber nicht getraut, Tabula Rasa zu machen", ergänzt Heinz Streicher, Consultant bei der Lündendonk GmbH, Bad Wörishofen.

Das Wirtschaftblatt rückte Staudts Äußerungen in Zusammenhang mit anstehenden Änderungen bei der IBM-Tochter Lotus, allerdings ist die deutsche Niederlassung nicht an der hiesigen Lotus GmbH beteiligt. Naheliegend ist, dass Staudt vornehmlich auf die Service-Töchter zielt, dies bestätigte auch IBM-Global-Service-Chef Koller gegenüber der COMPUTERWOCHE: "Wir versuchen, unsere Prozesse quer durch unser Tochtergesellschaften, die im Bereich strategisches Outsourcing aktiv sind, zu optimieren und Kompetenzzentren zu bilden."

Unterschiedliche BeteiligungsverhältnisseInsgesamt könnten demnach neun Tochtergesellschaften von derartigen Maßnahmen betroffen sein. Das Unterfangen dürfte aber nicht einfach werden, denn IBM ist an den Dienstleistern in unterschiedlicher Höhe beteiligt. Das Gros der hiesigen IBM-Töchter wurde im Rahmen von Outsourcing-Verträgen gegründet. "Die Kunden wollten den Betrieb nicht vollkommen aus der Hand geben, daher haben sie sich eine Beteiligung an der Gesellschaft gesichert", erläutert Lündendonk-Experte Streicher. Dementsprechend können die Kunden auf ein Mitspracherecht pochen, wenn es um eine Neuausrichtung der Dienstleister geht.

So hält Big Blue zum Beispiel an der Gesellschaft für kommunale Informationsverarbeitung (GKI) lediglich 49 Prozent. Die restlichen 51 Prozent gehören der Stadt Ludwigshafen. Mehrheitlich mit jeweils 74,9 Prozent beteiligt ist IBM Deutschland an den Dienstleistern DVO Datenverarbeitungs-Service-Oberhausen GmbH (25,1 Prozent gehören der Deutschen Babcock AG) sowie ICA Informationssysteme Consulting und Anwendungsgesellschaft (25,1 Prozent hält die Continental AG). Die ICG Informationssysteme Consulting- und Betriebs-Gesellschaft mbH gehört schließlich zu 51 Prozent der IBM, jeweils 24,5 Prozent liegen bei Continental und der Salzgitter AG.

Dennoch gibt sich Koller zuversichtlich: "Wir wollen, so weit unsere Kunden damit einverstanden sind, die Anzahl der Joint Ventures verkleinern, um schlagkräftiger zu werden und die Economies of Scale auszuspielen." Teilweise, etwa bei der Gesellschaft Lecos, die kürzlich von der IBM und der Stadt Leipzig gegründet wurde, sprechen allerdings rechtliche Günde gegen eine Konsolidierung des Outsourcing-Geschäfts.

In den Bereichen Unternehmensberatung, Projektgeschäft und Helpdesk-Services stehen dagegen keine Änderungen an. Spekulationen, auch die Töchter Sercon, IT Service and Solution, IBM Unternehmensberatung sowie CSG könnten von einer Umstrukturierung betroffen sein, dementierte der Chef der hiesigen IBM-Global-Service-Niederlassung. Diese Gesellschaften, so Koller, hätten bereits einen Bereinigungsprozess durchlaufen, so dass ihr Leistungsspektrum keine Überschneidungen mehr aufweise. "Grundsätzlich gilt folgendes", so Koller: "Bei den Strategic-Outsourcing-Töchtern schauen wie auf die Kosteneffizienz, bei den Servicegesellschaften außerhalb dieses Bereich streben wir hingegen Umsatz- und Marktwachstum an." Lündendonk-Berater Streicher drückt es anders aus: "Ich weiß nicht, ob IBM mit dem Thema Outsourcing überhaupt noch glücklich ist. Viel Geld lässt sich damit nicht verdienen."

Erste IBM-interne Umstrukturierungen scheinen bereits angelaufen zu sein, denn in der Gewerkschaftsmitteilung der IG Metall heißt es weiter: "150 Mitarbeiter aus dem Global-Services-Bereich sollten in neue Aufgaben entwickelt werden." Dabei handele es sich um Mitarbeiter mit einer schlechten Beurteilung, die unfreiwillig in andere Bereiche versetzt werden sollten - nach dem Motto: "Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen." Das Fazit der IBM-Betriebsräte: Das Vertrauen zur Geschäftsleitung und zum höheren Management im Bereich Global Services ist verschwunden.

Keine Entlassungen geplantZu Entlassungen wird es aber wohl nicht kommen. Das versprach zumindest IBM-Sprecher Michael Kieß. Man müsse ein gemeinsames Portfolio von IBM Global Services und den Töchtern entwickeln, in dem es keine Überschneidungen mehr gebe. Ein Zeitplan für die Restrukturierung liege hingegen noch nicht vor: "Das läuft meist sehr still ab."

Erwünschter MitarbeiterschwundDie US-Zentrale von IBM Global Services ist offenbar zu der Erkenntnis gelangt, dass man zu viele Mitarbeiter beschäftigt. Der Dienstleister unterbreitet knapp einem Drittel seiner Angestellten ein Ausstiegsangebot. "Wir sprechen zwar insgesamt 36 000 Mitarbeiter an, doch wir erwarten, dass lediglich drei bis vier Prozent das Angebot annehmen werden", erläuterte eine unternehmensnahe Quelle dem "Wall Street Journal". Im letzten Jahr standen weltweit rund 130 000 Mitarbeiter bei IBMs Dienstleistungsarm in Lohn und Brot.

Big Blue bietet potenziellen Aussteigern für jedes halbe Jahr, das sie bei IBM beschäftigt waren, einen Wochenlohn Entlassungentgelt. Maximal zahlt IBM Global Services allerdings nur 26 Wochengehälter. Zudem können Mitarbeiter Umschulungskurse (auch IT-fremde) besuchen. IBM bezeichnet dieses Programm als normalen Vorgang, es gebe keinen Zusammenhang mit dem rückläufigen Wirtschaftswachtsum in den USA. Gary Helming, Analyst bei Wit Sound View, bestätigte: "Das Programm ist kein Zeichen dafür, dass der Servicebereich schwächelt. IBM hat in der Vergangenheit sehr viel Know-how für das Jahr-2000-Poblem benötigt. Für diese Leute hat sie nun keine Verwendung mehr."

Abb: Kunden bewerten IBMs Outsourcing-Aktivitäten

Quelle: Meta Group Deutschland