Auch Produktions-Boost kann PC-Lieferung nicht beschleunigen, dennoch

IBM auf dem Weg zum Mikro-Marktführer

23.09.1983

SAN FRANCISCO/BOCA RATON (CW) - Bis zum Ende dieses Jahres wird IBM nach Ansicht von Industriebeobachtern im Mikrocomputergeschäft die Milliarden-Dollar-Hürde nehmen und 26 Prozent des Marktes für sich verbuchen. Wie aus Boca Raton verlautet konnten trotz eines Produktions-Boosts im Frühjahr und Sommer nicht genug Personal Computer und XT Mikrocomputer hergestellt werden, um der Kundennachfrage zu entsprechen.

IBM produzierte nach Angaben eines Unternehmenssprechers im Juni dieses Jahres mehr Personal Computer und XTs als im gesamten ersten Quartal Genauere Zahlen wurden jedoch nicht genannt. Wie Big Blue ferner bekanntgab, traten im Zuge der Produktionssteigerung Probleme mit der Ersatzteilbeschaffung bei OEM-Lieferanten, mit der Personalschulung sowie den Fertigungsräumlichkeiten auf.

Fachhändlerkreise sind der Ansicht, die Lieferschwierigkeiten bei IBM seien derzeit mindestens genauso schwerwiegend wie im Juni dieses Jahres. Kommentiert Ralph Wagner, Präsident der Microsource Financial Inc. in Massachusetts: "Ich frage mich, ob wirklich die Nachfrage nach den IBM-Produkten so groß ist oder ob nicht vielmehr die Vertragspartner außerstande sind, die Forderungen von Big Blue zu erfüllen." Der Boom im Mikrocomputergeschäft habe bei den OEM-Anbietern einen ernsthaften Produktengpaß verursacht.

PC-Erwartungen übertroffen

Die veränderte Marktsituation stellte Philip D. Estridge, Präsident der IBM Entry Systems Group, anläßlich einer PC-Messe in San Francisco dar: "Der Personal Computer hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen". Die Design-Parameter haben sich verschoben. Sie richten sich jetzt danach, wie die Maschine eingesetzt wird. Sehr viel zur großen Marktakzeptanz hätten die Drittanbieter beigetragen, die mit dem PC in noch vor zwei Jahren undenkbare Anwendungsbereiche vorgedrungen seien.

IBM hat laut Estridge niemals daran gezweifelt, daß die Anwender den Personal Computer am Arbeitsplatz schätzen würden. Es sei jedoch nicht einfach, dieselben Leute davon zu überzeugen, das Gerät zu Hause ähnlich sinnvoll einzusetzen. Nicht das Übertragen von Arbeit in den Privatbereich können den Kauf eines PC für den Heimgebrauch schmackhaft machen, sondern vielmehr die Möglichkeiten, die das System darüberhinaus biete.

Spekulationen, der 16-Bit-Homecomputer "Peanut" werde auf der vom 26. bis 28. August in San Francisco abgehaltenen DV-Messe vorgestellt und dann im Handel erhältlich sein; erwiesen sich als reines Gerücht. Industrieexperten glauben jetzt, das System könne vielleicht Anfang November auf den Markt kommen. Der Preis dürfte zwischen 600 und 1300 Dollar liegen.

Peanut, eine kleinere Version des Personal Computer, erlaubt das Arbeiten mit denselben Programmen, die auch auf dem PC laufen. Geschäftsleute können so auch zu Hause ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen und die behandelten Dateien auf das System im Büro überspielen.

Estridge vertritt die Ansicht, die größten Vorbehalte der Kunden gegenüber einem Homecomputer rührten nicht vom Preis her, sondern vom Fehlen einer exakten, verständlichen Dokumentation sowie bedienungsfreundlicher Software. Ferner müsse der Service mehr umfassen, als nur die Lieferung von Hard- und Software. Gefragt seien in erster Linie Problemlösungen.

Da der Mikrocomputermarkt vom Kunden gesteuert werde, müßten sich die Hersteller nach Ansicht von Estridge mehr mit den vom Anwender ausgehenden Trends auseinandersetzen. Die Anbieter seien fasziniert von der Technik und verwendeten kaum einen Gedanken darauf was die Maschine in der Praxis leisten müsse.