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HP nimmt Appserver vom Markt

16.07.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - HP konsolidiert sein Softwareangebot und nimmt verschiedene Middleware-Produkte aus dem Sortiment. Betroffen sind auch der Application-Server und andere Lösungen, die das Unternehmen Anfang 2001 mit der 470 Millionen Dollar teuren Übernahme von Bluestone Software erworben hatte. Ausgemustert werden der "Netaction Application Server", die "Netaction Web Services Platform" und die "Web Services Registry". Auch in "E-Speak", HPs Software-Framework für die Entwicklung von E-Business-Anwendungen, will das Unternehmen offenbar keine weiteren Ressourcen stecken. Die Software steht den Anwendern jedoch unter Open-Source-Lizenz weiterhin zur Verfügung.

Wie Anwendern der Netaction-Produkte geholfen werden soll, will HP am 15. September 2002 bekannt geben. Mit dem Application Server hielt der Konzern nach Informationen der Giga Information Group lediglich einen Marktanteil von vier Prozent - weit weniger als die Marktführer Bea Systems und IBM. Das Unternehmen hatte den Rückzug aus diesem Geschäft schon vor einigen Wochen angedeutet und dabei "schwere Verluste" als Grund genannt (Computerwoche online berichtete). Nun sollen die Prioritäten wieder in traditionell erfolgreichere Softwaresparten gesetzt werden, nicht zuletzt in die Systems-Management-Suite "Openview".

Ferner verstärkt das Unternehmen sein Engagement für die Produktlinien "Utility Data Center", ein Technologiepaket zur Verwaltung von Datenzentren, sowie für die TK-Middleware-Plattform "Opencall". Das Geschäft rund um Anwendungsarchitekturen und Web-Services will die Company durch bereits angekündigte enge Partnerschaften mit Bea und Microsoft erschließen. Dabei soll Bea dem Konzern die Tore zum J2EE-Geschäft (Java 2 Enterprise Edition) öffnen, während die Microsoft-Partnerschaft auf den .NET-Markt zielt.

Nora Denzel, als Senior Vice-President für das Softwaregeschäft von HP verantwortlich, machte in einer Stellungnahme aus der Not eine Tugend: Weil HP ein neutraler Player bleiben und in den Plattformkriegen zwischen dem Java- und dem .NET-Lager keine Partei ergreifen wolle, habe man die Entwicklung der eigenen Midleware-Produktpalette gestoppt. Die Partnerschaft mit Bea sei jedoch nicht exklusiv. Wenn Kunden danach fragten, sei etwa bezüglich des Application Servers auch eine Kooperation mit IBM denkbar. Da aber Bea im Gegenzug HPs Openview-Plattform für das Management von IT-Infrastrukturen empfiehlt, scheint diese Aussage wenig glaubwürdig.

Unklar ist derzeit noch, ob HP beabsichtigt, die ausgemusterten Middleware-Produkte weiter zu verkaufen - und ob es dafür überhaupt Interessenten gibt. Marktbeobachter berichten, dass HP schon seit einigen Wochen vergeblich nach einem Käufer suche. Denzel wollte das aber nicht bestätigen. Sie sagte lediglich, dass einige Middleware-Komponenten für das Openview-Framework genutzt werden könnten. So lasse sich die Suite um Fähigkeiten für das Management Web-basierender Anwendungen und Dienste erweitern.

Analysten halten den Rückzug aus dem wenig erfolgreichen Middleware-Geschäft für überfällig. HP habe nie das notwendige Entwicklung- oder Marketing-Engagement erkennen lassen, um in diesem Markt mitzuspielen, bilanziert etwa Giga-Analyst Mike Gilpin. Die Neutralität bezüglich der Web-Services-Plattform könne sich zudem als nützlich erweisen: Einem Wettbewerber wie IBM, der neben Java auch .NET unterstütze, nehme man das Engagement für die Microsoft-Plattform weniger ab. Es gibt jedoch auch Stimmen, die fürchten, HP könne mit dem Verlust der Middleware-Produktpalette Kernkompetenz einbüßen. Viele Kunden erwarteten in diesem strategisch wichtigen Markt von ihrem Partner nicht nur großes Know-how, sondern auch eigene Produkte. (hv)