Herausragende Marktposition treibt den Microsoft-Kurs an Von Arnd Wolpers*

11.06.1993

Die 280,22 Millionen ausstehenden Aktien der Microsoft Corporation repraesentieren bei einem Kurs von 95 Dollar pro Titel und einem zugrundegelegten Dollar-Kurs von 1,61 Mark einen Boersenwert von 42 Milliarden Mark fuer die Gates-Company. Zum Vergleich, die hoechstkapitalisierte Aktiengesellschaft des deutschen Kurszettels ist der weltgroesste Versicherer, die Allianz Holding AG. Allianz wird derzeit mit 40 Milliarden Mark an der deutschen Boerse bewertet, die Siemens AG bringt es immerhin auf 33 Milliarden Mark.

Ein Kurs von 95 Dollar bedeutet, bezogen auf die geschaetzten Zahlen des am 30. Juni 1993 endenden Geschaeftsjahres, ein Kurs- Gewinn-Verhaeltnis von ueber 30, eine Bewertung mit dem 25fachen Cash-flow, dem siebenfachen Umsatz und dem achtfachen Buchwert; kurzum: Die Microsoft-Aktie ist teuer. Die rechnerisch auf dem Plateau der aktuellen Zahlen nur schwer nachvollziehbare Boersenbewertung spiegelt die Erwartung weiter ueberdurchschnittlichen Umsatz- und Gewinnwachstums wider.

In der Vergangenheit war es richtig, den aktuellen Boersenwert von Microsoft auf der Grundlage einer Gewinnverdoppelung in den naechsten zwei Jahren zu berechnen. Der Gewinn je Aktie entwickelte sich von 1986 bis 1992 folgendermassen: 17 Cents, 31 Cents, 49 Cents, 67 Cents, 1,04 Dollar, 1,65 Dollar, 2,41 Dollar. Die Schaetzung fuer das laufende Geschaeftsjahr liegt bei 3,10 Dollar. Allerdings: Bill Gates warnte juengst in einem Interview, dass die Gewinnmargen nach Steuern mittel- bis laengerfristig nicht ueber 20 Prozent liegen werden. Der Spitzenwert, den Microsoft 1992 erreicht hatte, lag bei 25,7 Prozent. Das Gewinnwachstum des Unternehmens duerfte sich also etwas verlangsamen. Dies drueckt sich auch in der Kursentwicklung aus. Waehrend sich der Kurs von Microsoft 1991 verdoppeln konnte, legte die Aktie 1992 per Saldo "nur noch" 15 Prozent zu.

Fehlende Schulden und hohe Liquiditaet machen es der Gates-Company moeglich, die notwendigen Zukunftsinvestitionen zu taetigen. Dennoch: Die derzeitige Boersenbewertung spiegelt die vorhandene starke Marktstellung wider. Eine Verbesserung dieser Position scheint nur noch schwer moeglich. Das Unternehmen selbst geht davon aus, dass die aktuellen Gewinnmargen sich auf Dauer in dieser Qualitaet nicht halten lassen. Das Beispiel der IBM in den 80er Jahren zeigt, dass der Markt sich erfolgreich von Monopolen loesen kann. Sollte es auch nur geringe Verschiebungen im Marktgefuege der Betriebssysteme hin zu objektorientierteren, offeneren Betriebssystemen geben, erscheint das derzeitige Microsoft- Bewertungsniveau gefaehrdet. Ein Engagement zu heutigen Kursen draengt sich nicht auf.