IT im Automobilbau/Die Funktionalität des Product-Lifecycle-Management von R/3 voll genutzt

Hako: Formbau ohne Umwege realisiert

14.09.2001
Beim Spezialmaschinenbauer Hako wurde die CAD-Konstruktion in SAP R/3 integriert. Über eine von Gedas Deutschland entwickelte Schnittstelle - "SAP PLM-Integration für Solid Works" - lässt sich die volle Funktionalität der Product-Lifecycle-Management der ERP-Software nutzen. Die Hako-Werke verkürzen auf diese Weise die Entwicklungszeiten und optimieren ihre Fertigung. Von Corinna Linke*

"Vom 3D-Modell direkt zum Formbau", erklärt Rüdiger Dehn und zeigt auf den grauen Kunststoffbehälter. "Nach vier Monaten Entwicklungszeit konnten wir das erste Teil aus der Rotationsform nehmen." Der sonst übliche Dummy aus Holz entfällt und "erspart uns glatte zwei Monate", schätzt der Konstrukteur und Projektleiter der Hako-Werke GmbH. Möglich macht das eine durchgängige 3D-Entwicklung mit Product-Lifecycle-Management (PLM), die nach zweijähriger Umsetzungsphase im März 2001 ihre Premiere feierte. Der besagte Behälter ist ein Wassertank für den neuen Hako-Citymaster 300, eine kompakte Außenkehrmaschine.

Ende 1997 stellte die Hako-Konstruktion auf das CAD-Programm Solid Works um. Die alte Software wurde nur für 2D-Modellierung genutzt, weil die Modellierung in 3D auf Unix-Basis zu komplex und zu teuer war. "Das Programm läuft unter Windows NT - und das genauso stabil", versichert Rüdiger Dehn. Die neue Lösung ist um einiges günstiger: Die Investition für Hard- und Software liegt bei 25000 Mark pro Arbeitsplatz. Trotzdem müssen die 25 Konstrukteure in der Abteilung keine Abstriche in der Funktionalität machen, und sie schätzen das neue Programm aufgrund seiner intuitiven Bedienbarkeit.

Konstrukteur Peter von Eye zeigt sein neues 3D-Modell einer Verstärkungsstrebe im Citymaster 300. Für die optionale Klimaanlage in der Fahrerkabine ist ein Verdichter nötig, und dafür muss der Konstrukteur im kompakt ausgelegten Motorraum Platz schaffen. Eine knifflige Aufgabe, denn im Motorraum gibt es von Haus aus wenig Platz. Ohne virtuelles Modell müsste von Eye die Einzelteile mühselig hin und her rücken. Das kostet Zeit. Stattdessen zeigt ihm heute die Seitenansicht des Motorraums im Computer, dass er die besagte Verstärkungsstrebe nur versetzen muss.

Sorgenkind blieb allerdings die Verwaltung der Konstruktionsdaten aufgrund der doppelten Datenhaltung. So pflegte die Konstruktionsabteilung ihre Stücklisten in einer Access-Datenbank, während die für die Normung verantwortlichen Mitarbeiter die gleichen Daten noch einmal in SAP R/3 eingeben mussten.

Auch das Handling der verschiedenen Konstruktionsstände war nicht zufrieden stellend. Änderte sich die Konstruktion eines Bauteils, so musste der Konstrukteur die neue Version separat abspeichern. Aktualisierungen erschwerten den Überblick.

Aus Gründen der Produkthaftung wurden die Daten auf 35-mm-Mikrofilm dokumentenecht archiviert. Neben der "Urablage" waren sieben weitere Filmkopien im Haus verteilt. Benötigte nun ein Konstrukteur eine bestimmte Zeichnung, musste er mühselig auf den Filmkarten die neueste Version suchen.

Abhilfe versprach eine unternehmensweit durchgängige Datenverwaltung, wie sie Product-Lifecycle-Management (PLM) vorsieht. Drei Mitarbeiter von Hako hatten sich zu einer Projektgruppe zusammengefunden mit der Aufgabe, ein solches System einzuführen. Projektleiter Dehn erklärt, was sich im Unternehmen ändern sollte: "Weg von der dezentralen, doppelten Ablage und hin zum zentralen Zugriff für alle. Strategisches Ziel war, den Entwicklungsprozess im Unternehmen transparenter und sicherer zu machen."

Ein zentraler DatenpoolIn einem ersten Schritt sollte eine effiziente Datenverwaltung aufgebaut werden. Dehn erinnert sich: "Die auf dem Markt verfügbaren EDM-Verwaltungswerkzeuge waren alles andere als günstig. Für mich stimmt die Relation einfach nicht, wenn die Verwaltungssoftware noch einmal das Gleiche kostet wie der gesamte CAD-Arbeitsplatz."

Da Hako bereits unternehmensweit die ERP-Lösung von SAP einsetzt, lag es nahe, dessen PLM-Funktionalität zu nutzen. Neben einer integrierten Lösung untersuchten die Mitglieder des Projektteams auch "alleinstehende" Softwarepakete. Als Herz der gesuchten Lösung war ein zentraler Datenpool geplant, in den sowohl die Daten aus ERP- und CAD-Systemen als auch die aus den Office-Anwendungen fließen. Alle Dokumente eines Bauteils oder einer Baugruppe waren miteinander zu verknüpfen. So sollte dann der Mitarbeiter über die achtstellige Produktnummer die aktuelle 3D-Zeichung, die dokumentechte TIFF-Datei und die Stückliste, ferner das Montagevideo oder die letzte Hausmitteilung finden können. All diese Daten liegen zentral auf dem Server, der Zugriff erfolgt über das Intranet.

Doch es fehlte die geeignete Schnittstelle zwischen CAD- und ERP-System. Die verfügbaren Lösungen waren proprietär, so dass sich die Daten nicht direkt transferieren ließen. Das änderte sich Ende 1999 mit den Plänen der Gedas, eine passende Integrationslösung zu entwickeln.

Nach vier Wochen lief der erste Prototyp. "Das war das fehlende Glied in der Kette", betont Klaus Schneider, System-Manager CAD.

Für das Produkt "SAP PLM Integration für Solid Works" wurde Hako zum Entwicklungspartner der ersten Stunde. Im Mai 2000 lief der erste Testbetrieb, im November 2000 war das Customizing abgeschlossen. Ab März 2001 entstanden die ersten Konstruktionen. Klaus Schneider resümiert: "Früher mussten wir PLM-Ansätze mühevoll manuell nachbilden, weil die einheitliche Datenbasis fehlte. Wir haben zwar 1999 bereits den Mikrofilm durch die TIFF-Dateien ersetzt, aber es fehlte die Verknüpfung zu den Materialstammdaten."

Mit dem Speichern der CAD-Konstruktion in SAP R/3 wird ein Stammdatensatz angelegt. Die Schnittstelle erzeugt einen Infosatz, der das Bauteil, die dazugehörige Baugruppe und die Materialstamm-Nummer miteinander verknüpft. Zusätzlich werden TIFF-Bilddateien der Zeichnungen zur Archivierung und als Fertigungsunterlage erzeugt und im SAP-System abgelegt. Anhand der Baugruppeninformation kann das SAP-System automatisch eine Materialstückliste generieren. Ändert sich die Konstruktion, beispielsweise bei einer Kundenanpassung, kann auch die Stückliste sofort aktualisiert werden. Der Materialstammsatz wird durch die Integration automatisch mit Angaben über Abmessungen und Gewicht sowie der Materialbenennung ergänzt. Abfragen lässt sich auch der Revisionsstand der Zeichnungen in 2D und 3D. Die Bildanzeige funktioniert unternehmensweit durch SAP-Standardfunktionen, zum Beispiel das "Brillensymbol". Unter dem Menüfeld "Zusätze" lassen sich weitere verknüpfte Dokumente aufrufen, wie beispielsweise die Hausmitteilung zur letzten Überarbeitung oder künftig die animierte Explosionszeichnung für die Montage. Auch die alten Konstruktions- und Entwicklungsdaten sind in das neue System übernommen worden. Aufgrund der großen Datenmengen hat Hako das Netzwerk auf eine 1Gbit/s-Datenstrecke aufgerüstet. "Für die Konstrukteure ist die Lade- und Speicherzeit ein äußerst wichtiges Kriterium. Wenn sie zu hoch ist, belässt der Konstrukteur die bearbeiteten Modelle zu lange auf der lokalen Festplatte und meldet sie nicht in die SAP-Datenbank zurück. Die beteiligten Teammitglieder eines Konstruktionsprozesses können dann nicht gegenseitig auf den aktuellen Entwicklungstand zurückgreifen", weiß Klaus Schneider zu berichten. So soll die Ladezeit maximal fünf Minuten betragen.

Workflow im AufbauDie neuesten Solid-Works-Rechner laufen mit 933 MHz und verfügen über 1 GB Arbeitsspeicher. Diese Ausstattung ist berechtigt, denn die CAD-Datei für eine große Baugruppe liegt zwischen 200 und 800 MB. Eine mittlere Baugruppe, wie ein Fahrpedal, besteht aus 69 Komponenten und erreicht insgesamt acht MB.

Der elektronische Workflow ist im Aufbau. So lassen sich für die Fertigung eines Bauteils alle nötigen Unterlagen automatisch ausdrucken. Dazu gehören Materialliste, Lohnschein, Arbeitsplan und die dazugehörigen TIFF-Zeichnungen. Zurzeit muss der Disponent noch alle Dokumente manuell zusammenstellen. Doch diese Fehlerquelle wird bald durch ein intelligentes Plot-Management behoben sein. Das ebenfalls geplante Mappenkonzept beinhaltet die durchgängige Ablage und Verknüpfung sämtlicher Dokumente und Daten zu einem Bauteil.

Langfristig werden an den Montageplätzen Rechner stehen, mit denen sich auch Montagevideos abspielen lassen. Dehn erklärt den Vorteil für die Monteure: "Ein Video ist aussagekräftiger und schneller fassbar als eine schriftliche Anleitung."

*Corinna Linke ist freie Journalistin in Berlin.

Das UnternehmenDie Hako Werke GmbH aus Bad Oldesloe produziert Geräte für die Betriebs-, Gebäudereinigung und Grundstückspflege. Den Grundstein legte Hans Koch im Jahre 1924 mit der Erfindung der ersten Kleinmotorhacke für die Landwirtschaft, die das Unternehmen ab 1948 in Serie fertigte. Heute gehört das Traditionsunternehmen zu den modernsten Spezialmaschinenbauern mit einem Portfolio von knapp 40 Produktfamilien. An acht Standorten erwirtschafteten die Hako Werke im Jahr 1999 mit mehr als 2000 Mitarbeitern einen Umsatz von 598 Millionen Mark.