Guide-Chef: Wir sind nicht mehr der feine Club ...

11.03.1994

CW: Ihr Vorgaenger, der ehemalige Guide-Vorsitzende Werner Dostal, hat gesagt, man wolle sich von einer "proprietaeren zu einer offenen Anwendergruppe" wandeln.

Auer: Die Aussage hat bei der IBM einige Irritation hervorgerufen. Fakt ist: Wir sind und bleiben eine IBM-Benutzervereinigung. Auch wenn sich der Markt dramatisch aendert, die Welt offener wird, so ist die IBM doch unser Premium-Partner.

CW: Wie abhaengig sind Sie von der IBM?

Auer: Unsere Arbeitsgruppen werden von der IBM unterstuetzt - nicht mit Sachmitteln oder Geld, sondern mit Spezialisten. Bei Jahreskonferenzen und Management-Foren stellt uns die IBM ausserdem Referenten zur Verfuegung.

CW: Noch vor einem Jahr kritisierte der Guide, dass die IBM zuwenig auf Anwenderforderungen reagiere...

Auer: Unsere europaeische Gruppe ringt gegenwaertig mit der IBM, um den Requirement-Prozess zu verbessern. Das hat bisher in der Tat nicht vernuenftig funktioniert.

CW: Wie reagieren Sie, wenn ein Guide-Mitglied echten Aerger mit der IBM hat?

Auer: Wenn uns der Kunde informiert, koennen wir ihm den Ruecken staerken und ihm die noetige Unterstuetzung geben.

CW: Haben Sie Druckmittel zur Verfuegung?

Auer: Im juristischen Sinne nicht. Die Konstellation ist klar: Anbieter und Kunde haben einen Vertrag. Aber es gibt neben den Formalien die Oeffentlichkeit. Je mehr so ein individueller Streit unter Anwendern publik wird, desto unangenehmer fuer die IBM.

CW: Bislang ist Ihr Verein ohne Oeffentlichkeitsarbeit ausgekommen.

Auer: Richtig. Wir sind aber heute nicht mehr der feine Club, der unter sich bleiben moechte. Mainframe-Konsolidierung, Downsizing, Client-Server, Outsourcing - das sind Trends, die Veraenderung fordern.

CW: Wie aendern Sie Ihre Arbeit konkret?

Auer: Wir wandeln uns von einer reinen Grossrechner-Vereinigung zu einer unternehmensweiten Benutzerorganisation, die fuer Anwender vom Mainframe bis zu den Workstations und PCs attraktiv ist. Wir sehen dabei nicht mehr die IBM als alleinigen Partner, wie wir das 20 oder 30 Jahre gemacht haben. Heute haben wir eine Multivendor- Situation. Wir werden daher auch sogenannte Alliance-Partner akzeptieren.

CW: Wer steht auf Ihrer Wunschliste oben?

Auer: Wir sind zur Zeit dabei, eine SAP Working Group zu gruenden. Viele unserer Mitgliedsfirmen haben grosse SAP-Installationen. Es gibt eine Reihe von Fragen, die zwischen SAP und IBM unter den Tisch fallen - denken Sie etwa an das Thema Datenorganisation.

CW: Machen sich die Anwender im Guide nach dem wirtschaftlichen Desaster des letzten Jahres Sorgen um "ihre" IBM?

Auer: Sorgen ist uebertrieben. Wir verfolgen natuerlich wachsam die Entwicklung bei unserem Hauptanbieter. Selbst wenn es in der Hardware einige Mitbewerber gibt, in der Software-, der Betriebssystem- und der Netzwelt bleibt IBM ein ganz wichtiger Spieler. Unsere Mitglieder haben alle Loesungen, die auf IBM- Architekturen basieren.

CW: Welche Auswirkungen hat die Krise auf IBM-Anwender?

Auer: Sie hat dazu gefuehrt, dass die Anwender aufgewacht sind. In den 60er und 70er Jahren hat uns die IBM - provokant gesagt - das Denken abgenommen. Sie legte die Guidelines ueber Architekturen und Weiterentwicklungen fest. Inzwischen wird im Guide intensiv diskutiert, wie die DV-Strategie der Zukunft aussieht. Wir sollten heute der IBM nicht mehr allein das Denken ueberlassen.

CW: Wie beurteilen Guide-Mitglieder heute Konzepte, wie sie IBM mit SAA oder AD/Cycle praesentiert hat?

Auer: Sicher haben die Ankuendigungen der IBM zum Thema AD/Cycle zu hohen Erwartungen und spaeter auch zu Ernuechterung gefuehrt. Wir pruefen heute aufmerksamer, was wir von solchen Konzepten zu halten haben. Aber wir ziehen nicht die Konsequenz, zu sagen: "Das kommt von IBM, das sehen wir uns nicht mehr an."

Wolfgang Auer ist Vorsitzender des deutschen IBM-Anwendervereins Guide e.V. und Geschaeftsfuehrer der BTB Betriebswirtschaftliche und - Technische Beratungsgesellschaft mbH in Leinfelden-Echterdingen