Grosse Potentiale fuer Marketing und Informations-Broker Venture-Capital-Firmen an Fax-Infodiensten interessiert

12.08.1994

Von Jens Laub* Kaum einem Dienstleistungszweig prophezeien Marktforscher kurzfristig aehnliche Entwicklungschancen wie den Faxdiensten, die auf Vernetzung und der Kombination von PCs und Telekom-Diensten basieren. Ein weites Anwendungsfeld tut sich auf - speziell im Marketing.

Die neuen 0130- und 0190- Dienste der Telekom stossen bei Dienstleistern auf grosses Interesse. Sie eroeffnen Faxexperten die Chancen, mit serioesen Informationen und pfiffigen Marketing-Ideen Angebote zu entwickeln. Ein Beispiel fuer die kreative Nutzung von Faxkarten stellen die diversen Einsatzgebiete von Fax- Broadcasting- (Massenversand von Dokumenten) und Fax-Polling- Diensten (individueller Informationsabruf) als "aktive" Informationsplattform dar.

Drei Millionen Faxgeraete in Deutschland installiert

Waehrend Grosskonzerne wie etwa die Debis-Systemhaus GmbH noch an strukturellen und innerorganisatorischen Fragen der Marktbearbeitung feilen, stecken kleinere, flexible und teilweise ausserordentlich ideenreiche Anbieter wie die Meister Communication GmbH in Ingolstadt oder die In Medias Res Gesellschaft fuer Kommunikationstechnologie mbH in Moenchengladbach bereits die Claims ab.

Die moeglichen Spielformen einer Anwendung lassen die Marktpotentiale der Faxdienste nur erahnen. Nummerndienste der Telekom (01 90, 01 30 etc.) werden die Attraktivitaet von Faxdienstleistungen zudem erheblich steigern. Hinzu kommt ein stetig steigender Absatz von Endgeraeten, der zunehmend auch private Haushalte erreicht. Laut einer Studie der Informations- Marketing- und Verlagsgesellschaft

(IMV) in Duesseldorf sind bereits heute drei Millionen Faxgeraete in Deutschland installiert.

Bis zu 5000 Faxe pro Stunde durchs Netz

Als Markteintrittsbarrieren fuer weitere Informationsdienste gelten derzeit noch die Investitionsvorlaufkosten fuer die Freischaltung der Nebenstellen durch die Telekom. Allerdings plant diese, in absehbarer Zukunft die Freigabe- und Zulassungskriterien fuer Spezialnummern zu erleichtern.

Ein sicheres Zeichen fuer die Zukunftspotentiale bestimmter Marktsegmente stellt die fruehzeitige Beteiligung von Venture- Capital-Firmen an Neugruendungen dar. So hat sich zum Beispiel neben Patricof & Co. Ventures Inc. auch die in Europa aktive Beteiligungsgesellschaft Apax Partners & Co. auf den Wachstumszug des Faxmarkts gesetzt. Apax hatte bereits vor Jahren mit der Start-up-Finanzierung von Apple einen guten Riecher bewiesen. Die Beteiligungsprofis haben sich nun zunaechst in dem Fax- Broadcasting-Dienst Xpedite Systems GmbH, Muenchen, engagiert. Die erst 1989 in den USA gegruendete Xpedite Systems erobert mit Wachstumsraten von jaehrlich weit ueber 50 Prozent unter der Leitung von Nobert Posch den deutschen Markt.

Die Anwendungsformen des Broadcastings liegen vor allem in der kosten- und zeitsparenden Realisierung von Direkt-Marketing- Aktionen oder dem Versand von Rundschreiben an Haendler. Ebenso sind in kuerzester Zeit computergesteuert abzuwickeln: die Uebernahme eines Mahn- und Rechnungswesens sowie der Versand von langen Dokumenten - wie sie regelmaessig bei Rechtsanwaltskanzleien anfallen. Service- Provider wie Xpedite jagen bis zu 5000 Faxe pro Stunde durch das Glasfasernetz. Ueber Steigerungsraten wird bei den Anbietern bereits nachgedacht.

Der Anwender hat drei Entscheidungskriterien fuer den Zugriff auf Faxdienste zu beruecksichtigen: Tempo und Wirtschaftlichkeit der Uebertragung und vor allem Datenschutzsicherheit der zur Verfuegung gestellten Adressmaterialien. Wichtig ist bei allen Faxsystemen weniger die technisch komplexe oder besonders ueberlegene Loesung, sondern die einfache Handhabung fuer den Versender. In der Regel reichen dazu Sparc-Systemloesungen in Verbindung mit Gamma-Link- Faxkarten aus. Auch koennen sich Kunden ueber Windows-Software direkt in die Verteilzentren der Provider einspeisen.

Die Versandkosten der Anbieter fuer globale beziehungsweise internationale Dienste sinken hierbei mit der Anzahl regionaler Aussenstellen der Service- Provider, die die jeweiligen

Maerkte zu lokalen Gebuehren bedienen koennen. Zeitunkritische Massensendungen lassen sich darueber hinaus computergesteuert zu den wesentlich guenstigeren Nachttarifen abwickeln. Bisherige Nutzer des Fax- Broadcastings sind vor allem Banken, Airlines, Grosshaendler und Touristikunternehmen.

Fax-Polling: ideal fuer Verlagsobjekte

Obgleich Fax-Broadcasting-Anbieter derzeit in puncto Umsaetze die Nase vorn haben, duerften unter Kriterien der Zielgruppeneffizienz Fax-Polling-Dienste langfristig erheblich aufholen.

Einige Spezialdienstleister mit Fax-Polling- bzw. Fax-on-demand- Systemen (Fod) bieten bereits umfangreiche Themen als Marketing- und Verkaufshilfe an.

Otto Bohinc, leitender Redakteur bei "Forbes", zeigte auf dem Electronic-Publishing-Kongress des Institute for International Research (IIR), Frankfurt, in eindrucksvoller Weise, welche Potentiale die Faxdienste bergen. Das Wirtschaftsmagazin praesentiert unter verschiedenen Nummern zum Standardtarif zielgruppengerechte Informationen ueber Investmentfonds, Gehaltsberatung, Versicherungstests etc. Neben dem Servicecharakter, dem eingesparten Platz im Heft und der Aufnahme eines aktiven Dialogs zur verbesserten Leser-Blatt-Bindung koennte sich Forbes hier bei einer Umstellung auf die 01 90-Nummern der Telekom zudem eine nette Nebeneinkommensquelle schaffen. Immerhin erzielt der Service bis zu 2500 Abrufe pro Woche und ein Ende der Fahnenstange ist nicht in Sicht. Die technische Abwicklung und Beratung uebernimmt bei Forbes die Firma Meister-Communication, einer der wenigen Anbieter mit Marketing Know-how in diesem Spezialmarkt.

Die wichtigste Schnittstelle fuer ein erfolgreiches Fax-Polling duerfte neben der technischen Loesung in der Relevanz und Aktualitaet der angebotenen Informationen liegen. Wer sich auf den Weg zum Faxgeraet macht, und fuer 1,15 Mark pro Minute Informationen abruft, ist auf der Suche nach Fakten und nicht nach Allgemeinplaetzen. Dies hat auch Forbes erkannt und einige Angebote modifiziert, die wenig aufschlussreich und ueberzeugend waren. So bietet zum Beispiel das Investment-Fond-Ranking handfeste Informationen fuer anlagewillige Interessenten.

Potentiale in der Tourismusbranche

Erweiterte Nutzungsmoeglichkeiten ergeben sich ausserdem im Touristikmarkt. Anbieter wie L'tour, die als Last-minute- Vermarkter Beratung durch Preisvorteile ersetzen, bieten 24 Stunden taeglich ihre Reiseangebote unter 01 90-Nummern an. Der Faxdienst erspart dem urlaubsreifen Kunden den Weg ins Reisebuero. Er ruft per Fax die nach Zielregionen untergliederten aktuellen Offerten ab und kann den Flug mit dem zeitgleich eingehenden Buchungsformular reservieren. Das Ticket bringt am naechsten Tag der Kurier, die Telefongebuehren schreibt das Reisebuero bei einer Buchung gut. Neben der Zeitersparnis fuer den Kunden verzeichnet L'tour hierbei Kosten- und Marketing-Vorteile, was bis zu 1000 Faxanfragen am Tag eindrucksvoll belegen. Der fuer innovative Ideen stets aufgeschlossene L'tour-Gruender Karlheinz Koegel hat auf diesem Weg den Streit um die Ladenschlusszeiten fuer seine Reisebueros geloest.

Die Themen, die ueber Faxdienste bereitzustellen sind, scheinen unerschoepflich. Weitere Anwendungsformen koennte hier der Formularabruf von Behoerden und Verwaltungen, die Nutzung spezialisierter Wetter- und Boersendienste sowie die gezielte Betreuung von Haendlern etwa im KfZ-Vertrieb darstellen. Auch dem Uebermitteln von Speisekarten oder Catering-Angeboten im Gastronomiesektor sind ueber Fax-Polling keine Grenzen gesetzt.

Kombinierte Fax-on-demand-Dienste bieten ausserdem die Moeglichkeit, direkt ueber das Tastentelefon per Nummerneingabe die gewuenschten Dokumente anzufordern. Inwieweit allerdings rein sprachgesteuerte Dienste den Zugang eventuell verkomplizieren, muss der Anwender entscheiden. Ralf Meister, einer der Vorreiter in diesem Markt, baut seinen Erfolg auf dem Motto "Keep it simple" auf und schwoert auf Systeme ohne Sprachsteuerung. Wichtiger fuer ihn ist bei allen Faxsystemen, dass es nicht zu Staus auf der Datenautobahn kommt und der potentielle Nutzer enerviert von belegten Leitungen das Faxen sein laesst. Meister, ein Informatiker, geht hier von einer Minimumkapazizaet von bis zu 300 Abfragen pro Stunde aus, die ein Provider pro Nummer beziehungsweise Thema bewaeltigen muesse.

Auf dem Weg des Fax-Pollings sind in Deutschland bereits eigenstaendige Faxzeitungen mit Kleinanzeigen und aktuellen Informationen entstanden. Globaler agieren die amerikanischen Verlage. Geschaeftsreisende koennen in Japan, Australien und auf Kreuzfahrtschiffen bei Bedarf eine sechsseitige Fax-Sonderausgabe der "New York Times" anfordern, um moeglichst rasch die Ergebnisse der National Football League oder den Originalkommentar zum letzten Home-Run der New York Yankees nachzulesen.

Zu beruecksichtigen ist bei allen Angeboten jedoch, dass beim

Abrufer die Uebertragungszeit infolge aufwendiger Foto- oder

Labelgestaltungen nicht zu lange dauern darf. Steigen die Kosten fuer den Abruf durch eine hohe Transferdauer ueberproportional an, besteht kaum die Moeglichkeit, eine langfristig stabile Kundenbindung aufzubauen.

Der Abrufer sollte jedenfalls problemlos exakt an die Information gelangen, die ihn interessiert, ohne ein Technik-Freak sein zu muessen, wie es etwa Datex-J oder E-Mail zur Zeit noch erfordert.

Bei einer nutzenstiftenden und raschen Informationsuebermittlung hingegen dienen Fax-Informationssysteme in jedem Fall der Imagepflege von Anbietern. Diese sparen ausserdem bei einer Anwendung im Service- und After-sales-Bereich Kosten und Personal.

Ein weiterer Vorteil von Faxdiensten liegt aus Anbietersicht selbstverstaendlich im Inkasso. Kaum eine Forderung wird puenktlicher und zuverlaessiger beglichen als die Telefonrechnung der Telekom, was dem Service-Provider mit 01 90-Nummern eine sichere Liquiditaetsplanung erlaubt.

Ein Nachteil fuer Anbieter - vor allem fuer Verlage - stellt allerdings das Problem dar, dass eine Adressengenerierung beim Fax- Polling kaum moeglich ist. Ein weiteres Defizit fuer eine breitere Nutzung duerfte derzeit in der mangelnden Informationsdiffusion fuer potentielle Anwender liegen. Hier wuerde ein Fax-Polling- Verzeichnis den Nutzern wie den Anbietern ein sinnvolles Mittel sein, um mehr Transparenz ueber den Markt zu gewinnen.

Polling-Dienste zum Testen

AGT-Electronic, Hamburg, "Fax-Informationssystem",

Themen: Computer, Finanzen, Automarkt, 0 40-6 44 10 70

WTIN, Kochel, Themen: Faxzeitung mit Kleinanzeigen, 0 88 51-2 19

Satelli-Line, Taufkirchen, Themen: Satelliten (sehr technisch) 0 89-6 12-70 00

L'tour, Baden-Baden, Umsetzung: In Medias Res, Moenchengladbach Last-Minute-Flugreisen, 0 72 21-27 90 00

Forbes-Infoline, Muenchen, Umsetzung: Meister Communication, Ingolstadt, Themen: Leitseite 08450-93 50 80,

Investmentfondranking 0 84 50-93 50 51

Fax-Infos

Umfassende Studie zum Faxmarkt: "Maria Telefax", 1994, 400 Seiten,

176,50 Mark, Gruner & Jahr, Hamburg

Kongress-Dokumentation "Electronic Publishing - mit Sonderteil Fax- dienste", vom 28. 6. 1994, 2 Ordner, IIR, Frankfurt

Fachzeitschriften:

Teletalk, Hannover, 250,- Mark/Jahr Connect-News, Stuttgart, 240,- Mark/Jahr

*Jens Laub ist Doktorand an der Hochschule St. Gallen, zur Zeit in Muenchen.