„BEIM E-MAIL-MARKETING kommt es nicht auf die Mengen an, sondern darauf, dass man die richtigen Leute erreicht,“ so Klaus Arnhold, einer der renommiertesten und ältesten Berater in der Szene. Das ist allerdings nicht so einfach: Mail-Adressen dürfen in Deutschland nicht verkauft, sondern nur vermietet werden. Wer eine Werbebotschaft online an eine bestimmte Zielgruppe versenden will, kauft nicht wie bei Postadressen irgendeinen Pool, sondern er wendet sich an einen der großenAdressanbieter und nutzt dessen Listen. Die Zielgruppe kann nach bestimmtenKriterien (männlich, 25-35 Jahre, ledig, mindestens 2000 Euro Nettoeinkommen, Interesse an Golfsport) eingegrenzt werden und erhält anschließend die Werbebotschaft. Die Mail-Adresse selber bekommt der Werbetreibende nicht zu sehen und kann sie folglich auch nicht selber weiterverwenden (daher spricht man von mieten).
Wer diesen Service in Anspruch nehmen will, bezahlt zum Beispiel bei Schober Consumer Information, einem der großen Anbieter, 41 Cent pro Mail, wenn er die Empfänger sowohl nach Interessengebieten als auch unter soziodemographischen Aspekten auswählen möchte.
Der Nachteil dieses Verfahrens liegt darin, dass der Werbende nicht selber kontrollieren kann, wie der Vermieter an die Adressen gelangt ist und wie er damit umgeht. Melanie Riedel, Verkaufsleiterin bei Schober, beteuert, mit den Daten schon aus Eigeninteresse sorgfältig umzugehen.Niemand erhalte mehr als drei Mails pro Woche. „Der Adresspool ist wie unser kleiner Fischteich,“ so Riedel, „und den wollen wir pflegen.“
Entscheidend für ihre Nützlichkeit ist in diesem Fall die Frage, wie die geliebten Fischlein in den Teich gelangt sind. Will sagen: Die Art der Erhebung von Selbstauskünften bestimmt maßgeblich die Qualität des Adressmaterials.Gewonnen werden Mail-Adressen über Haushaltsbefragungen (telefonisch oder postalisch), über Newsletter oder spezielle Internet-Plattformen. Claritas Deutschland zum Beispiel betreibt Netbarometer, eine Umfrageplattform, die mit vielen Communityund Gewinnspiel-Portalen verlinkt ist. Durch das Angebot von Prämien wie Pocketkameras oder Taschenmessern oder die Aussicht von fetten Gewinnen bei Preisausschreiben („zusätzlich 5000 Euro für Sie - Interesse?“) sollen die Surfer dazu verleitet werden, möglichst viel über sich preiszugeben.
Lockruf des Geldes
Berater Klaus Arnhold hält von übertriebener Incentivierung der Fragebögen wenig, weil der Lockruf des Geldes die Surfer dazu verleite, lediglich das in den Fragebogen zu schreiben, was vermutlich von ihnen erwartet wird. Mit der Lebenswirklichkeit des Antwortenden müssen diese Angaben nicht unbedingt etwas zu tun haben. Und auch Karsten Hölck, Sales Manager Interactive bei Claritas Deutschland, räumt ein, dass bei zu großen Versprechungen die Ergebnisse der Befragungen eher schlechter als besser werden. Allerdings wollten viele der Befragten gerne und ohne Versprechungen Informationen von sich preisgeben, weil ihnen das Beantworten der Fragen Spaß mache und weil sie hofften, auf diese Weise als Konsument bessere Produkte angeboten zu bekommen.
Einen anderen Weg geht die Konkurrenz von Ecircle:Über die Plattform www.valuemail.de sammelt das Unternehmen gezielt Adressen vonMenschen,die ihr Interesse an der Information über bestimmte Produkte bekundet haben. Die Verlockung: Die Surfer erhalten nur das, was sie wirklich interessiert. Wer dieE-Mail-Adressliste eines Anbieters nutzen will, sollte sich jedenfalls ein Bild darüber machen, wie dieAdressen erhoben wurden. Einfachster Weg: mit einer extra für diesen Zweck kreierten Mail-Adresse an einer der Umfragen teilnehmen oder den Newsletter bestellen, mit dem das Adressunternehmen seine Fische fängt. Dabei kannman zugleich kontrollieren, ob die geltenden Rechtsvorschriften eingehalten werden (siehe Kasten „Rechtslage beim E-Mail- Marketing).
Das Mieten einer Adressliste sollte aber nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer Online-Marketing-Strategie sein. „Das einzige, was langfristig Sinn macht“, soKlaus Arnhold, „ist der Aufbau eines eigenen Verteilers.“ Dieser ist zwar niemals so groß wie die Riesenpools der Vermieter mit zum Teil mehreren Millionen Kontakten. Aber - Qualität statt Masse - dafür stellt das eigene Verzeichnis leichter sicher, dass man nicht irgendwen anmailt, sondern nur die, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit für die eigenen Produkte interessieren.
Grundlage eines solchen Verteilers ist die vorhandene Kundendatenbank. Um diese zu erweitern, kann man sich die beiden entscheidenden Vorteile des Online-Direktmarketings im Vergleich zur guten alten Postwurfsendung zunutze machen: Erfolgskontrolle und leichte Responsemöglichkeit.