Geek-Appartement sucht solventen Käufer

07.04.2003
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
TOKIO (COMPUTERWOCHE) - Ein japanischer Baukonzern entwickelt gemeinsam mit Sony die Wohnung der Zukunft - ein Paradies zumindest für so genannte Geeks, computerzentrierte Junggebliebene, die fließend Klingonisch sprechen können.
Fotos: Kajima Corp.
Fotos: Kajima Corp.

Al Gore ist beinahe ein Geek, schließlich will der ehemalige US-amerikanische Vizepräsident das Internet erfunden haben. Admiral Grace Hopper ist ein weiblicher Geek, denn sie hat die Programmiersprache Cobol entwickelt. Der König aller Geeks ist jedoch Bill Gates, reichster Windows-Anwender der Welt: Er hat sich ein Haus bauen lassen, in dem so gut wie alles elektronisch gesteuert werden kann. Damit konstruierte er sich ein persönliches Geek-Paradies, ein elektronisches Nirwana an der verregneten Westküste der USA.

Doch Microsofts Erzkonkurrent Sony hat die Herausforderung angenommen und eine Wohnung entworfen, die dem Hause Gates den Rang ablaufen soll: Voll gepackt mit elektronischem Gerät, komplett vernetzt, bis zur Schmerzgrenze automatisiert und mit einer Glasfaserverbindung an die Welt angeschlossen. Standesgemäß wird das „S-Style“-Appartement im 40-stöckigen „Tokio Times Tower“ mitten im Elektronikviertel Akihabara (E-Town) gebaut.

Hier kann der künftige Grundbesitzer nicht nur auf fünf riesigen Displays pflichtgemäß der „Star-Trek“-Serie folgen, das Appartement sieht auch noch wie die Unterkunft von Captain Jean-Luc Picard auf der „Enterprise“ aus: Dünne, blaue Lichtleisten an der Decke, dem Boden und unter dem Bett tauchen die 60 Quadratmeter in eine spacige Atmosphäre. Hier wohnen keine Geeks, hier blühen sie förmlich auf.

Es fällt schwer, sich im Appartement den Videowänden zu entziehen, denn selbst das Badezimmer wird durch einen Projektor auf Wunsch und Knopfdruck mit Filmen bestrahlt. Im Wohnzimmer hingegen thront ein riesiger Plasmaschirm über allem Geschehen. Das Schlafzimmer verfügt über einen Boden aus rostfreiem Edelstahl, wobei sich das zugrundeliegende Motiv nicht auf Anhieb erschließt. Vielleicht soll dadurch der Elektrosmog in den eigenen vier Wänden gehalten werden. Ins Metall eingelassen ist wiederum ein Beamer, so dass man auf dem Rücken im Bett liegen und den Film an der Decke anschauen kann. Sehr praktisch und leichter zu pflegen als ein typischer Geek-Spiegel.

Zentrale Steuerung

Zentral gesteuert wird die Wohnung über ein „Airboard“ von Sony. Dabei handelt es sich um ein Touch-Panel, das über Wireless LAN mit seiner Basisstation kommuniziert. Außerdem kann man damit zur Not fernsehen (zur Abwechslung „Star Wars“) - nur für den Fall, dass die fünf großen Displays einmal nicht zur Verfügung stehen sollten. Ansonsten sind die elektronischen Gerätschaften - leider Geek-untypisch, weil ohne Kabelsalat - in einem Schrank im Schlafzimmer verstaut. Dort steht ein Rack aus mehreren DVD-Spielern und anderem audiovisuellen Schnickschnack. Hier verbringt die Hauskatze den Winter, wegen der Abwärme braucht die Wohnung wohl keine eigene Heizung mehr.

Links nach Japan

Hier präsentiert sich das Elektronikviertel Akihabara, vornehmlich auf Japanisch.

• Das Bauvorhaben, komplett auf Japanisch.

• Die Stadt Tirschenreuth kommt nicht ganz an Tokio ran; dafür ist ihre Website auf Deutsch.

Zwar klingt der Kaufpreis von rund 70 Millionen Yen zuerst recht happig, das sind immerhin knapp 600.000 Euro. Jedoch kostet das verbaute Spielzeug nur lächerliche 80.000 Euro, während der Rest für die Immobilie fällig wird. Tokio ist schließlich nicht Tirschenreuth. Im Oktober 2004 ist der Turm bezugsbereit, nur sechs der insgesamt 320 Appartments werden technisch up to date sein. Alternativ kann man sich vielleicht für das 190-Quadratmeter-Penthouse auf dem Dach begeistern: Für schlappe 270 Millionen Yen oder 2,1 Millionen Euro steht man dann über den Dingen.