IT in der Automobilindustrie/VW AG unterstützt VW- und Audi-Händler beim Controlling

Fränkische Händler-Kooperative geht mit Business Intelligence in die Offensive

01.09.2000
Vertragshändler von Automobilherstellern sind in den vergangenen Jahren unter Druck geraten. Um die schlechten Betriebsergebnisse zu verbessern, sollten kurzfristig Kennzahlen-Übersichten in aussagefähigen Berichten generiert werden können. Wie Business Intelligence zu solchen Problemlösungen beiträgt, erläutert Wilhelm Graf*.

Jeder VW- und Audi-Betrieb liefert dem Hersteller monatlich über die regionalen Vertriebszentren seine aus dem lokalen, VW-einheitlichen Finanzbuchhaltungsprogramm extrahierten Finanzdaten. Die vom Rechenzentrum der Volkswagen AG aufbereiteten Zahlen der kurzfristigen Erfolgsrechnung (KER) erhält anschließend jeder Betrieb in Form umfangreicher Finanzberichte ein Mal pro Monat zugesandt.

Was allerdings bisher fehlte, war die Möglichkeit, diese Zahlen vor Ort im Autohaus schnell in aussagefähige Übersichten, zum Beispiel Tabellen oder Grafiken, zu überführen. Seit kurzem bietet das Marketing Management Institut (MMI) der Volkswagen AG eine Business Intelligence Software inklusive Schulungen an. Die Software wurde gemeinsam mit dem MMI von der Radolfzeller MFB GmbH entwickelt und ist in den beiden Versionen APS I und APS II bei insgesamt mehr als 550 VW- und Audi-Autohäusern im Einsatz. APS II basiert auf der branchenunabhängigen BI-Standardsoftware MFB Planning Consultant. Die Vorgängerversion APS I war eine individuelle Entwicklung für VW- und Audi-Händler. Stellt man von Version I auf die neuere Variante um, dann kann von der alten Version die Datenbank übernommen werden. Die Software läuft nach Aussagen von MFB und des MMI auf allen Rechnern, die im Rahmen der Vereinbarungen im VW-Betriebskonzept für die Händler vorgesehen sind. Der APS-Rechner der fränkischen Händlerkooperation ist ein handelsüblicher Laptop unter Windows.

In den für die Händler freiwilligen Schulungen können Inhaber oder Finanzverantwortliche von VW- und Audi-Häusern mit ihren eigenen Daten den Umgang mit der Software, unter anderem auch zu Hause, trainieren.

Das bedeutete für uns in Fürth: Nach der Installation von APS II/MFB Planning Consultant im April 2000 waren wir innerhalb einer Stunde in der Lage, die Aprilzahlen zu analysieren und mit den Monatszahlen bis ins Jahr 1998 zurück zu vergleichen. Auch erste Voraussagen für den Geschäftsverlauf im zweiten Halbjahr konnten in den fünf Autohäusern auf Basis der Vormonate und der Vorjahresmonate getroffen werden.

Mit dem Programm können die Händler auf Knopfdruck ihre gegenwärtigen Zahlen analysieren, mit vergangenen Monaten und Jahren vergleichen und die Zukunft planen; sekundenschnell sind Best-case- beziehungsweise Worst-case-Szenarien erstellt und durchgerechnet oder Planzahlen mit den aktuellen Daten aus dem Rechenzentrum verglichen. Die dahinter ablaufenden Prozesse brauchen den Anwender nicht zu interessieren. Er muss nichts wissen über Data Warehouse, OLAP-Technologie oder Ähnliches. Er muss nicht einmal über ausgeprägte PC-Kenntnisse verfügen, denn die Oberfläche der Software ist weitgehend selbst erklärend.

Jetzt können sich unternehmerische Entscheidungen auf das solide Zahlengerüst zum Beispiel einer Gewinn- und Verlustrechnung stützen. Das umfangreiche Zahlenwerk aus dem VW-Rechenzentrum betriebsindinduell zu strukturieren und jeweils unter verschiedenen Aspekten zu betrachten, um Schlüsse daraus ziehen zu können, war vorher sehr zeitaufwändig und setzte präzise betriebswirtschaftliche Kenntnisse voraus. Diesen Aufwand hatten viele Händler gescheut - mit der Folge, dass sich betriebswirtschaftliches Controlling dort nicht durchsetzen konnte.

Für die Jahresplanung waren früher rund drei Arbeitstage zu veranschlagen. Jetzt benötigt man dafür höchstens einen halben Tag und kann dabei die Planungstiefe selbst bestimmen. Für die monatliche Auswertung gilt: Controlling und Geschäftsleitung sind innerhalb einer Stunde im Monat umfassend über die Kennzahlen eines Autohauses informiert. Auch der Vergleich dieser Zahlen über mehrere Monate ist möglich. Früher dauerte das Tage. Die Entwicklung des monatlichen Bruttoertrags im Jahresverlauf zum Beispiel musste erst umständlich für jeden Monat einzeln aus den Berichten herausgearbeitet und konnte dann erst auf Papier miteinander verglichen werden. Das lässt sich nun binnen Minuten am PC erledigen, weil es im Berichtswesen bereits vorgesehen ist.

Der Händler erhält allmonatlich seine Diskette mit den von MFB aufbereiteten Zahlen aus dem VW-Rechenzentrum und legt sie in seinen PC im Betrieb oder zu Hause oder in den Laptop ein. Die neuen Daten werden automatisch in APS II eingelesen. Man kann sofort mit den neuen Zahlen operieren.

Die schnelle Übersicht über alle relevanten Daten und damit über die wesentlichen Geschäftsprozesse im Unternehmen macht die Führungsarbeit enorm effizient. Dafür sorgt die neue Flexibilität. Mittels grafischer Tabellen sind allgemeine Übersichten ebenso möglich wie bis auf Verantwortungsbereiche oder Kostenstellen und Konten ins Detail heruntergebrochene Ansichten. Das gilt sowohl für Analyse als auch für Planung. Für jeden Bereich kann ein prozentualer Toleranzbereich definiert werden, in dem Plan- und Ist-Zahlen voneinander abweichen dürfen. Darüber hinaus gehende positive Abweichungen werden automatisch grün, negative rot angezeigt.

Diese Signale motivieren den Anwender, sich speziell diese Zahlen genauer anzusehen. Das integrierte Expertensystem listet mögliche Gründe für die Abweichungen auf. Weil sich die Sicht auf die Daten nach Verantwortungsbereichen wie Teile, Kundendienst, Verkauf etc. aufgliedern lässt, können die jeweiligen Ressortverantwortlichen direkt in ihrem Bereich planen. Das hat sofort Auswirkungen auf den Gesamtplan. Dadurch wird die Software insgesamt zum wichtigen Führungsinstrument. Auch das Durchspielen verschiedener Planungsszenarien ist möglich. Alternativen werden automatisch weiter gerechnet, so dass der zu erwartende Deckungsbeitrag jeder Planungsvariante ohne Zeitverzögerung zu erkennen ist.

Zum Beispiel lässt sich innerhalb kürzester Frist ausrechnen und in einer Grafik darstellen, welche Auswirkungen eine Erhöhung oder Senkung des Rabatts um einen Prozentpunkt auf den Deckungsbeitrag hätte.

Insgesamt bietet die neue Software wesentliche Vorteile hinsichtlich der Aussagefähigkeit der Zahlen und sorgt für Arbeitserleichterungen. Vertriebs- und Marketingaktivitäten können nun zielgerichtet erfolgen. Auch lassen sich für interne Umstrukturierungsmaßnahmen leichter gute Argumente finden. Schließlich gilt es die Kardinalfrage zu beantworten: Haben wir im Vergleich zu anderen Autohäusern zu hohe Kosten oder fehlt uns Umsatz? Angesichts der gegenwärtigen Situation des Autohandels kann von der Antwort auf diese Frage und den daraus mit der Software abgeleiteten Handlungsoptionen die Existenz des Autohauses abhängen.

* Wilhelm Graf (Junior) ist Mitinhaber und Chef-Controller der Kooperation der Autohäuser Graf/Fürth, Feser/Schwabach und Nopitschstraße/Nürnberg.