IT-Standort im hohen Norden

Finnland trotzt dem allgemeinen Abwärtstrend

19.10.2001
MÜNCHEN (sp) - Auch Finnland leidet unter der allgemeinen Wirtschaftsabkühlung und dem Abwärtstrend in IT und Telekommunikation. Dem finnischen Institut für Wirtschaftsforschung (Etla) zufolge ist der nordische Staat jedoch in der Lage, die Verlangsamung des Wachstums besser zu überstehen als andere Länder.

Günstige Produktionsbedingungen, im europäischen Vergleich relativ niedrige Mieten und Steuererleichterungen sorgen für ein günstiges Investitionsklima in Finnland. Die hohe Durchdringung mit Satellitenlokalisierungssystemen und digitalen schnurlosen Netzen macht die Region speziell für die IT- und Telekommunikationsindustrie attraktiv.

Was die Verfügbarkeit moderner Informationstechnologie im Geschäftsleben betrifft, ist der nordische Staat laut World Competitiveness Yearbook 2001 weltweit die Nummer eins. Finnland war eines der ersten Länder, das seinen TK-Markt für den freien Wettbewerb geöffnet hat, ein digitales Netz für den Mobilfunk in Betrieb nahm und Lizenzen für UMTS ausstellte. Mit der Erfolgsstory des Handy-Marktführers Nokia wurde der Grundstein für einen der im Mobilfunk pulsierendsten Märkte der Welt gelegt.

Hinzu kommt die viel zitierte Technikaffinität der Finnen, ihre Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem sowie ihre extrem hohe Internet- und Handy-Nutzung. Über ein Drittel der finnischen Bevölkerung zwischen 15 und 74 Jahren - das sind 1,2 Millionen Menschen - gehen täglich online. Drei Viertel telefonieren mobil, und fast 100 Prozent der Bevölkerung nutzen Finanzdienstleistungen via Internet oder WAP - etwa beim Bezahlen von Taxi- und Parkgebühren.

Damit bietet Finnland günstige Voraussetzungen, um neue mobile Technologien und Dienstleistungen zu testen. Zahlreiche ausländische Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren in der Region Helsinki/Espoo sowie im nordfinnischen Oulu angesiedelt - neben TK-Anbietern vor allem Firmen aus benachbarten Sektoren wie E-Commerce, drahtloser Ausrüstung und Datensicherheit. Unterstützung erhalten sie von dem halbstaatlichen Zentrum für Technologieförderung Tekes, das Beihilfen und Risikodarlehen für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben gewährt. Bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) liegt Finnland laut Tekes weltweit auf Platz zwei (nach Schweden). Allein Nokia beschäftigt in Finnland 50000 Entwickler.

Aus der Kooperation internationaler Konzerne - etwa IBM, EDS oder Siemens - mit finnischen Firmen sind innovative Gemeinschaftsprojekte hervorgegangen. Eine Schlüsselrolle nehmen dabei die so genannten Technologieparks ein, in denen nach dem Vorbild des Silicon Valley universitäre Einrichtungen, Forschungsinstitute und F&E-Spinnoffs oder -Niederlassungen etablierter globaler Konzerne sowie Startups unter einem Dach zusammenarbeiten. Hightech-Center wie "Innopoli" nahe Helsinki, in dem auf einer Fläche von 30000 Quadratmetern mehr als 250 Firmen untergebracht sind, oder "Technopolis" in Oulu ermöglichen es, Synergien zu nutzen und neue Techniken schneller umzusetzen.

Kleine und mittelständische Unternehmen können in den Science-Parks nicht nur Highspeed-Internet-Zugänge, Testlabors und Büroräume mieten - sie finden hier auch professionelle Beratung und Unterstützung. "Viele Startup-Companies haben eine gute Technologie entwickelt, scheitern jedoch, weil sie zu wenig von Business-Plänen und Finanzen verstehen", beschreibt Perrti Huuskonen, Managing Director von Technopolis, das Problem.

Das hat auch Marit Tuominen, Development Director in Innopoli, beobachtet: "In den Bereichen Management und Marketing fehlt es oft an Wissen, über das Absolventen etwa aus den USA oder Großbritannien verfügen." Viele Jungunternehmer überfordere es, gleichzeitig einen Business-Plan zu entwickeln, Investoren zu finden und qualifiziertes Personal zu rekrutieren. Hier setzt Innopoli mit professioneller Unterstützung an. Um eine hohe Überlebensquote zu gewährleisten, gelten bei der Startup-Auswahl allerdings strenge Maßstäbe. Laut Tuominen werden jährlich nur rund zehn Prozent aller Firmengründer, die sich für eine Aufnahme in Innopoli bewerben, angenommen. Entscheidend ist dabei die Geschäftsidee - "das technische Know-how der Ingenieure ist in Finnland in der Regel überdurchschnittlich".

Auch die Studenten profitieren von der räumlichen Nähe zu den Unternehmen. Vom ersten Semester an steht ihnen die moderne Infrastruktur der Science-Parks zur Verfügung, um ihr Wissen praktisch anzuwenden, Projekte zu realisieren und Kontakte zu knüpfen. Bei der Kooperation zwischen Universitäten und Firmen ist Finnland weltweit die Nummer eins - noch vor Israel und den USA. "Unser Land ist ein riesiges Laboratorium", beschreibt Sirkka Aura, Chefin des Invest in Finland Bureau (IFB), das Investitionsprogramme ausschreibt und ausländische Unternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit in Finnland unterstützt.

Von der schlechten Stimmung in der IT- und TK-Branche scheint Finnland daher weitgehend unberührt. "Natürlich haben sich die Marktbedingungen in den vergangenen Monaten geändert - das Interesse hat ganz klar nachgelassen," räumt Aura ein. So seien in diesem Jahr weniger Firmen gegründet worden, während die Zahl der Übernahmen und Joint Ventures zugenommen habe. In der gesamten finnischen ICT-Industrie seien 2001 jedoch nur 2500 Mitarbeiter entlassen worden. Gerade einmal drei Pleiten habe es in diesem Jahr gegeben - darunter eine ausländische: die IT-Beratungsagentur Razorfish.

Ähnlich optimistisch gibt sich Peter Vesterbacka, Global Business Development Manager bei Hewlett-Packard, in dessen "Mobile E-Services Bazaar" vor allem US-Firmen, aber auch europäische Application-Provider und Systemintegratoren mobile Anwendungen und Systeme auf GSM-Basis testen. Von den Sparmaßnahmen, die vor allem der US-Mutter zu schaffen machen, sei in Finnland nichts zu spüren - im Gegenteil: "An Forschung und Entwicklung zu sparen, wäre fatal", so Vesterbacka. "Wir investieren hier in die Zukunft - wir dürfen doch nicht den nächsten Amazon.com verpassen."

Abb: Deckung des IT-Bedarfs

Finnland ist weltweit die Nummer eins, was die Deckung des Geschäftsbedarfs von IT-Lösungen betrifft. Quelle: International Institute for Management Development (IMD)