Die Betriebsbereiche müssen jederzeit Zugriff auf alle notwendigen Informationen haben:

Fertigungsnahe DV: Stufe zur CIM-Realisierung

03.10.1986

DÜSSELDORF (pi) - Die Tendenz zur Integration der Fertigungsautomatisierung deutete sich bereits auf der Interkama 83 an, so Kongreßveranstalter Nowea. Die sich wandelnde industrielle Szenerie in allen hochindustrialisierten Ländern ist geprägt vom allmählichen Verzicht auf reine Massenware und dem Trend zum individuellen, hochtechnisierten Produkt. Das Schlagwort CIM spielt hier eine wichtige Rolle.

Schon heute fertigen mehr als 50 Prozent der bundesdeutschen Unternehmen Kleinserien oder Einzelprodukte. Die Produktlebenszyklen verkürzen sich, die Innovationsanforderungen steigen. Speziell im Maschinen- und Anlagenbau, in Elektrotechnik, Elektronik und Automobilindustrie fordert der Markt heute Produkte, die vor wenigen Jahren noch gar nicht konzipiert waren. Über 90 Prozent der Kunden in diesen Branchen haben bereits Sonderwünsche.

Die Denkweisen des "Taylorismus" sind weitgehend überholt. Die Aufgliederung der Produktion in zahlreiche voneinander isolierte Arbeitsgänge - und ihre Automatisierung in Form von Insellösungen - ist in der industriellen Praxis nicht mehr sinnvoll. Die Losgrößen werden immer kleiner, und die geforderte Übersichtlichkeit und Flexibilität läßt sich nur durch einen integrierten Informationsfluß und nicht über starre hierarchische Strukturen erzielen.

Die vielzitierte "Fabrik der Zukunft" ist keineswegs nur ein Thema für Automatisierungsfachleute und Computerspezialisten, sondern zuallererst eines für Topmanager und Organisatoren. Wie schon in der Büroautomation ist der Weg zur computerintegrierten Fertigung (CIM: Computer Integrated Manufacturing) sehr mühsam sowie arbeits- und kostenintensiv. In den USA wurden unlängst auch für ganz bescheidene CIM-Lösungen als Investitionsuntergrenze fünf Millionen Dollar errechnet. Die in Sachen CIM am stärksten engagierte Automobilindustrie rechnet sogar mit Milliardenbeträgen.

Einstieg wird verpaßt

Nach Erhebungen des VDMA werden hierzulande Computer in Produktionsplanung und -steuerung (PPS) erst zu 19 Prozent, in Konstruktion und Entwicklung (CAD: Computer Aided Design) gar erst zu vier Prozent eingesetzt. Speziell durch die zögernde CAD-Einführung wird nicht nur ein wichtiges Rationalisierungspotential außer acht gelassen - mindestens 60 Prozent der Arbeit, nämlich die Ausarbeitung der Konstruktionsunterlagen, ist voll automatisierbar - sondern es wird auch der erfolgversprechende Einstieg in CIM, also die fertigungsnahe DV (speicherprogrammierbare Steuerung, Computer etc.), verpaßt. Denn gerade hier entstehen die Daten, die später in der gesamten Fertigung benötigt werden. Variantenkonstruktion ist mit CAD sehr zeitsparend. Dabei soll nicht verschwiegen werden, daß in der täglichen industriellen Praxis zwischen Konstruktion und Fertigung erst "dünne elektronische Rinnsale" fließen. Bis zur vollen Integration dürfte es noch Jahre dauern.

Entscheidend in diesem Zusammenhang sind standardisierte Kommunikationsprotokolle für den Datenaustausch zwischen den verschiedenen Rechnern eines Industriebetriebs. Weil den größten Automobilhersteller der Welt - General Motors - dieses Problem angesichts von 20000 programmierbaren Steuerungen, 3000 Industrierobotern und 17000 Computersystemen weltweit besonders druckt, hat er in Anlehnung an das Siebenschichtenmodell der ISO für die offene Kommunikation das "Manufacturing Automation Protocol" (MAP) entwickelt. Da sich inzwischen viele DV-Hersteller und Anwender auch international dafür einsetzen, scheint sich MAP zum Industriestandard zu entwickeln.

CIM als umfassendes Unternehmenskonzept

CAD und MAP sind indes nur einzelne "Werkzeuge" zum Realisieren von CIM. Ferner gehören dazu Bereiche wie computerunterstützte Planung (CAP), das heißt Arbeitsvorbereitung, Arbeitsplanerstellung etc. Den Produktionsplanungs- und steuerungssystemen (PPS) obliegt die Umsetzung der Kundenaufträge in Fertigungsaufträge (Mengenermittlung, Materialbereitstellung, Maschinen-Zuordnung, Termin- und Kostenverfolgung etc.). Von renommierten Wissenschaftlern der Industrie-Informatik wird an vielen heutigen PPS-Systemen allerdings Kritik geübt, denn sie entstammen sehr häufig noch den siebziger Jahren, sind entsprechend mehr batch- als dialogorientiert und mit starker Stücklistenorientierung und Werkstattorganisation schlecht für moderne Fertigungsmethoden nach dem Fließprinzip (JIT: Just-In-Time-Production) geeignet.

CAO umfaßt den Überbau

Schließlich umfaßt die eigentliche computerunterstützte Fertigung (CAM: Computer Aided Manufacturing) einen besonders großen Bereich, nämlich Produktionssteuerung und

-überwachung mit Betriebsdatenerfassungssystemen (BDE) und alle automatisierten Fertigungsmethoden beispielsweise mit CNC/DN-Maschinen, Handhabungsautomaten (Roboter), Steuerungen mit Mikroprozessoren, Computer für die Qualitätskontrolle, Förderfahrzeugen für Hochregallager etc. Sie alle werden mit dem Schlagwort "flexible Fertigungssysteme" bezeichnet.

Die computerunterstützte Organisation (CAO: Computer Aided Organisation) umfaßt den gesamten übrigen Bereich vom Einkauf über Lagerverwaltung bis zur Distribution, von der Auftragsbearbeitung bis zum Finanz- und Rechnungswesen. Sie bildet gewissermaßen den Überbau für ein komplett computergesteuertes Industrieunternehmen.

Realisierung erst mit Rechnern der 5. Generation

CIM ist folglich nur praktikabel, wenn die Betriebsbereiche jederzeit Zugriff auf alle notwendigen Informationen haben. Das ist bei den heutigen Automatisierungsinseln nicht gegeben und künftig nur möglich mit Hilfe von unternehmensweiten zentralen wie dezentralen Datenbanken auf relationaler Basis in Form eines Drei-Ebenen-Modells. Der obersten Ebene würde zentrale Planung und Koordination, der mittleren Ebene die Verwaltung der Fertigungsaufträge und der untersten Ebene die arbeitsplatzorientierten Aufgaben wie BDE zugeordnet sein. Die erforderlichen Datenbanken sind jedoch mit heutigen Techniken noch nicht befriedigend realisierbar. Speziell die "Künstliche Intelligenz" (Expertensysteme mit Wissensbasen) wird hier künftig ein lohnendes Einsatzziel finden.