A.T.Kearney-Studie

Europas IT-Industrie wird irrelevant

24.09.2012

Was Europa tun kann

Die Berater haben natürlich auch Lösungsvorschläge, sie verweisen auf viele ungenutzte Potenziale, die zu einem Auftrieb führen könnten. "Hightech hat in Europa eine Zukunft in Segmenten mit hohem lokalen Service-Anteil sowie mit komplexen B2B-Prozessen", sagt Jan Stenger, Principal bei A.T. Kearney. In den konsumentennäheren Bereichen habe Europa es aufgrund der langsameren Skalierung in einem inhomogenen europäischen Markt weiterhin schwerer als zum Beispiel ein amerikanisches Hightech-Start-Up-Unternehmen in den USA.

A.T. Kearney hat fünf Erfolgskriterien formuliert, um eine Diskussion zwischen Politik (national wie auch auf EU-Ebene), Unternehmen und Verbänden anzuregen:

1. Fokus auf die Spitzenmärkte im B2B-Sektor

Die Stärken des europäischen Marktes können besser im komplexen B2B- als im B2C-Sektor ausgespielt werden. Potenziale für Europa stecken demnach zum Beispiel in Software-Lösungen, eingebetteten Systemen ("Embedded Systems") oder intelligenten Netzwerken. Europa bietet dann Vorteile, wenn ICT-Lösungen dazu genutzt werden, Alleinstellungsmerkmalen bei industriellen Anwendungen zu entwickeln.

2. Paneuropäische Exzellenz- und Innovationscluster

Die spärlichen finanziellen Ressourcen sollten nicht breit gestreut, sondern in paneuropäische Cluster investiert werden, die wiederum einzelne Teile der Wertschöpfungsketten bündeln. In einer solchen Kollaboration könnten die Leistungen einzelner so gefördert werden, dass sie im Ganzen die Exzellenz und die Innovationskraft der europäischen Hightech-Industrie vorantreiben. EADS mit Airbus ist hierfür ein gutes europäisches Beispiel aus der Luftfahrt.

3. Finanzierungs- und Coaching-Modelle für Start-Ups

Es ist Aufgabe der europäischen Regierungen und EU-Institutionen, den Start-Ups im Hightech-Bereich finanziell besser zu unterstützen, indem man etwa den Venture-Capital-Sektor nachhaltig fördert und Start-up-Investitionen attraktiver gestaltet. Die Unterstützung sollte sich nicht auf Starthilfe beschränken, sondern auch das Wachstum und die Internationalisierung finanzieren.

4. Technische Ausbildung und Immigration qualifizierter Arbeitskräfte

Das Bildungssystem muss dafür sorgen, dass es mehr qualifizierte Abschlüsse in den so genannten MINT-Fachbereichen gibt (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technologie). Ein gutes Beispiel liefern hier die nordeuropäischen Länder, die bereits verstärkt technische Hochschulen gegründet haben und sogar schon in der Grundschule technische Kurse anbieten. Aufgrund der sinkenden Population in Westeuropa sollten die Regierungen zudem gezielt qualifizierte Fachkräfte aus dem nicht-europäischen Ausland akquirieren.

5. Zugang zu wichtigen Rohstoffen

Das zukünftige Wachstum der Hightech-Industrie hängt davon ab, welche Rohmaterialien zugänglich sind. Europäische Regierungen sollten daher weitere Handelsabkommen, insbesondere mit China, abschließen und zusätzlich andere Quellen wie in der Mongolei, auf Grönland oder in Australien sicherstellen, um seltene Erdmetalle zu erhalten. Zusätzlich sollten weitergehende Recycling-Möglichkeiten für elektronische Materialien entwickelt werden, um im globalen Wettbewerb um seltene Rohmaterialien zu bestehen. Deutschland ist in Bezug auf beide Themen sicherlich bereits ein Vorreiter. (jha)