Trotz einschneidendem Quartalsverlust beurteilen Analysten den Branchen-Vize positiv:

Europa-Umsatz stützt Jahresergebnis von DEC

16.08.1985

MAYNARD (ru) - Ein deutlicher Abwind hat Digital Equipment Corp. (DEC) im vierten Quartal des Geschäftsjahres 1984/85 erfaßt: Der Reingewinn fiel gegenüber dem Ergebnis vor einem Jahr um 23 Prozent auf 100,447 (130,590) Millionen Dollar.

Mehr Erfolg hatte der weltweit zweitgrößte DV-Hersteller beim Umsatz in diesem Schlußquartal. Er stieg gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um zwölf Prozent auf 1,85 (1,66) Milliarden Dollar. Trotz steigender Umsätze aber war bereits der Gewinn im dritten Quartal unter dem Niveau des entsprechenden Zeitraums 1983/84: 91,7 gegenüber 101,8 Millionen Dollar. Entgegen der rückläufigen Gewinnentwicklung weist das in Maynard im US-Bundesstaat Massachusetts ansässige Unternehmen für das gesamte Geschäftsjahr 1984/85 jedoch eine Gewinnsteigerung von 36 Prozent auf 446,6 (328,7) Millionen Dollar aus. Der Umsatz hingegen wuchs gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent auf 6,69 (5,58) Milliarden Dollar.

Deutlicher Träger der weltweiten DEC-Aktivitäten war im zurückliegenden Fiskaljahr das Europa-Geschäft. Mit seinen 17 000 Mitarbeitern in der "Alten Welt" erzielte der Mini-König im technisch-wissenschaftlichen Bereich einen Umsatz von 1,95 Milliarden Dollar. Von einer stagnierenden oder gar rückläufigen Entwicklung auf dem "Kontinent" weiß die europäische DEC-Zentrale in Genf derzeit nichts zu berichten. Allerdings schließen die Schweizer DEC-Strategen eine Geschäftsabschwächung in Europa analog der amerikanischen nicht aus.

Starker Umsatzträger, weiß Genf für seinen Zuständigkeitsbereich, war 1984/85 der CIM-Bereich (Computer Integrated Manufacturing). Weiterhin trug das OEM-Geschäft mit 30 Prozent zum weltweiten Systemumsatz (equipment sales) von 4,534 Milliarden Dollar bei.

Obgleich DEC im ersten Quartal des Geschäftsjahres 1984/85 einen Nettogewinn von 144,2 Millionen Dollar erwirtschaftete, war dieses Ergebnis nur durch eine Steuergutschrift von 63,25 Millionen Dollar für Außenstehende besser als erwartet. Diese Vergütung erhielt DEC, so eine Sprecherin, für den Bau eines eigenen Plattenwerkes. Im zweiten Quartal sank dann der Nettogewinn auf 110,3 Millionen Dollar und in der darauffolgenden Drei-Monats-Periode auf 91,7 Millionen Dollar.

Rückläufig war nach dem Fiskaljahr 1983/84 zunächst auch die Umsatzentwicklung. Erst im dritten Quartal 1985 war mit 1,691 Milliarden Dollar das Resultat des vierten Quartals des vorhergehenden Geschäftsjahres mit 1,656 Milliarden Dollar wieder eingeholt.

Analysten glauben, daß DEC über kurz oder lang mit der von ihrem Vorstandsvorsitzenden Kenneth H. Olsen verordneten Nicht-Entlassungs-Politik Probleme bekommen könnte. Der Anspruch, keine Mitarbeiter freizusetzen, führe möglicherweise in den kommenden Monaten zu einem weiteren Druck auf die Gewinnsituation.

Verstärkt würde dies durch konjunkturelle und saisonale Einflüsse. Im vergangenen Sommer gab DEC bekannt, weltweit 5000 Beschäftigte in der Produktion zuviel zu haben Durch natürliche Abgänge sowie durch interne Umbesetzungen senkte der Branchen-Vize seinen personellen Überhang mittlerweile auf 2000 Leute. Dieses Konzept spiegelt sich eklatant in den Kosten wieder. Lagen diese nach dem dritten Quartal des vergangenen Jahres für Verkauf und Administration noch bei 833 Millionen Dollar, stiegen sie zum gleichen Zeitpunkt des jetzt beendeten Geschäftsjahres auf 1,5 Milliarden Dollar.

Zu dem jüngsten Jahresabschluß erklärte Olsen, die Lagerbestände lägen unter dem Niveau des Vorjahres. Ferner verfügt der Minicomputer-Hersteller über Barreserven von einer Milliarde Dollar. Darüber hinaus konstatierte der DEC-Boß für das zurückliegende Geschäftsjahr einen nicht unbeträchtlichen Anstieg der Auslandsumsätze. Verglichen mit dem Vorjahr, ergänzt ein DEC-Sprecher laut COMPUTERWORLD, seien die Auslandsumsätze im vierten Quartal genauso hoch oder sogar leicht rückläufig gewesen.

Während Finanzexperten DEC vergangenes Jahr vom "strauchelnden Koloß" bis zur "schlafenden Prinzessin kurz vor dem Erwachen" einordneten, scheint sich derzeit mehr Zuversicht breitzumachen. In einem Interview mit der COMPUTERWOCHE betonte Norman Weizer von Arthur D. Little in Cambridge, Massachusetts, DEC stehe im Gegensatz zu anderen DV-Herstellern wesentlich positiver dar. Insbesondere mit der VAX 8600 und dem System Microvax II habe DEC bislang gute Erfolge im Markt erzielt und könne die Kundenbasis weiter ausbauen. Erfolge, so Weizer, müßte DEC auch mit Cluster-Lösungen erzielen können, die ältere Produkte in neue integrierten.

Langfristig sieht Weizer einen harten Kampf zwischen IBM und DEC ausbrechen, da der Marktführer mit Macht versuchen werde, in den Markt des Mitbewerbers einzudringen. Nahrung erhält diese Prognose durch Spekulationen über ein möglicherweise bald bevorstehendes IBM-Announcement im 4381-Bereich. So soll diese Rechnerserie durch die Modelle /4 und /5 nach oben angerundet werden.

Noch keine Zahlen ihres Jahresabschlusses waren von der deutschen DEC-Tochter in München zu erfahren. Das Testat des Wirtschaftsprüfers fehle noch, hieß es. Marktkenner halten jedoch einen Umsatz der GmbH zwischen 800 und 900 Millionen Mark für realistisch, nachdem der Vorjahresumsatz 616 Millionen Mark betragen hatte.