Web

EU-Richter dämpft Microsofts Hoffnungen auf Aussetzen der Sanktionen

02.04.2004

Der für den Fall Microsoft zuständige Richter am Europäischen Gerichtshof erster Instanz Bo Vesterdorf räumt einem Antrag des US-amerikanischen Softwarekonzerns auf Aufschub der EU-Sanktionen nur wenig Chancen ein. Laut einem Bericht des "Wall Street Journal" hätten Firmen in der Vergangenheit nur in einem von zehn Fällen mit ihrem Antrag auf Aussetzen der von der EU-Kommission verhängten Auflagen Erfolg gehabt. Die Behörde unter Leitung von EU-Kommissar Mario Monti hatte Microsoft mit einem Bußgeld in Höhe von 497,2 Millionen Euro und verschiedenen Auflagen zur Öffnung seiner Softwareprodukte belegt. So muss der Konzern innerhalb der nächsten 120 Tage Schnittstelleninformationen offen legen und binnen 90 Tagen eine Windows-Variante ohne integrierten Media Player im Markt anbieten. Die

Microsoft-Verantwortlichen hatten bereits wenige Tage nach dem Spruch der EU-Kommission bekräftigt, rechtliche Schritte einzuleiten. Mit einer Entscheidung in Sachen Sanktionsaufschub ist in etwa drei bis fünf Monaten zu rechnen.

Trotz der verhärteten Fronten glaubt Vesterdorf an die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung. "Ich kann sehr schnell eine Anhörung anberaumen", lockt der dänische Richter die Kontrahenten. In diesem Rahmen ließe sich ein für beide Seiten akzeptabler Kompromiss aushandeln. Der Gerichtshof würde dabei eine Art Aufsichtsfunktion übernehmen. EU-Kommission und Microsoft müssten sich vertraglich zur Einhaltung des Kompromisses verpflichten. Allerdings dürfe Microsoft dann keinen Antrag zur Aufhebung der Sanktionen einreichen. Sollte dies geschehen, müsste der Gerichtsprozess nach den EU-Regeln ablaufen.

Über die Aufhebung der gegen Microsoft verhängten Auflagen entscheidet der seit 1998 amtierende Vesterdorf im Alleingang. Er werde dazu die Meinung von Marktexperten, konkurrierenden Unternehmen und Regierungen einholen, kündigte er an. Erst im regulären Verfahren würden weitere Richter hinzugezogen. Im Fall Microsoft, der kompliziert zu werden verspricht, sei von einer Zahl zwischen fünf und elf Richtern auszugehen.

Ob es soweit kommt bleibt abzuwarten. Bislang wollten sich weder Microsoft-Vertreter noch die EU-Kommission zu den Anspielungen Vesterdorfs äußern. Ein Gerichtsverfahren birgt jedoch für beide Seiten Risiken. Sollte Microsoft mit seinem Antrag kein Gehör finden, muss der Softwarekonzern die Auflagen der EU fristgerecht umsetzen und das Bußgeld bezahlen. Gelingt es den Redmondern jedoch die Sanktionen abzublocken, steckt die Wettbewerbsbehörde in der Klemme. Dann nämlich kann Microsoft bis zum endgültigen Ende des Prozesses weiter agieren wie bisher. Der Weg durch die Instanzen am Gerichtshof in Luxemburg kann Jahre dauern. (ba)