Einwaende gegen Client-Server

22.10.1993

Hauptgegenstand dieser CW ist Client-Server. Im Aufmacher (Seite 1) geht es darum, im Thema der Woche (Seite 7) sowie im Schwerpunkt (siehe Innenteil dieser Ausgabe). Die technischen Erklaerungen in den Grundsatzbeitraegen des Client-Server- Supplements sind objektiv und erschoepfend - erhellend fuer die Nutzendiskussion koennen sie nur bedingt sein. Eine populaere Definition wird nicht geliefert. "Die Anwendungen den Anwendern", so unser Versuch im Schwerpunkt-Kommentar - wie Datenverarbeitung schon immer haette sein sollen. Gemeint ist eine flexible Form der Informationsversorgung. Schwuppdiwupp geht das nicht - es waere toericht, die Altlasten- und Migrationsprobleme zu verniedlichen. Zudem ist die Mainframe-Mentalitaet noch weit verbreitet. Gegen den Satz "Open is beautiful" laesst sich geltend machen, er vermittle den Eindruck einer heilen DV-Welt, in der sich allgemeine Standards und Normen durchgesetzt haben - waehrend es doch etwa bei der Middleware noch grosse Luecken gibt.

Mit sehr viel Aufwand versuchen denn auch einzelne Gruppen, Client-Server als Marketing-Architektur, als "Markitektur" zu entlarven. Das legt die Frage nahe: Haben die Anwender einen Grund, ihre DV-Politik zu aendern? Wollen die Anwender Client- Server - was von den Kritikern bezweifelt wird? Der Gegenbeweis faellt leicht. So bringt die US-Telefon-Company GTE ihr Kundenservice-System auf Client-Server (Seite 4), um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen.

Folgender Einwand scheint schwerwiegender: Standards bremsen den Fortschritt und - das Argument wird in diesem Zusammenhang immer wieder genannt - aus einem langsamen Komitee kommt auch keine schnelle Entscheidung. Da ist etwas dran. Nur haben eben die DV- Hersteller gar keine andere Wahl, als sich in Sachen Schnittstellen-Standards (Stichwort: Middleware) zusammenzuraufen. Die Geburt einer Industrie: Wir verdanken dem vergleichbaren, von Wehen begleiteten Prozess in der Automobilindustrie - um im Bild zu bleiben - den Verbrennungsmotor, den TUEV und die ASU, aber auch den Stau. Davon koennen die Client-Server-Anbieter nur traeumen.

Aufgewacht ist die IBM, womit wir bei einem dritten Einwand waeren: Noch immer haetten sich einzelne Hersteller den Standardisierungsbemuehungen widersetzt, seien mit eigenen Konzepten oder Produkten vorgeprescht, die dann als De-facto- Standards uebernommen wurden. Das klappte dort, wo Unternehmen stark genug waren, Marktbeherrschung auszuueben und sich Gegenkraefte in Gestalt von Kartellbehoerden nicht durchsetzen konnten. Im Falle der IBM/370 hatten wir diese Konstellation.

Das Beispiel beweist gleichzeitig das Gegenteil. Der /370- Marktmechanismus funktioniert ja nicht mehr. Der Parforceritt der IBM mit der System-Anwendungs-Architektur SAA ist gescheitert. Allein konnte Big Blue die enorme Middleware-Last nicht stemmen. Wenn IBM-Chef Louis Gerstner etwas nicht ist, dann ein Traeumer. Notwendig ist Kooperation, das hat Big Blue erkannt. Die DV- Industrie beginnt erwachsen zu werden.