IBM und Fujitsu beherrschen neue Festplattentechnik

Eine Speichergrenze ist überwunden

01.06.2001
MÜNCHEN (ls) - IBM hat eine Technologie vorgestellt, welche die Kapazität von Festplatten bedeutend erhöht. Die Platten lassen sich dichter beschreiben. Fujitsu kennt die Technik ebenfalls.

"Pixie Dust" - nach dem Elfenstaub aus dem Märchen Peter Pan - haben IBM-Forscher die Materialtechnik genannt, die es möglich macht, die Speicherdichte von Festplatten bedeutend zu erhöhen. Bei gleicher Größe wie heute können sie bald eine rund fünffache Kapazität an Informationen sichern.

Bei der bisherigen Technik werden die Elektronen in winzigen Regionen auf der magnetisierbaren Trägerschicht einer Platte ausgerichtet. Ihre Lage enthält dann die Basisinformation 1 oder 0. In den letzten Jahren hat man bedeutende Fortschritte gemacht, die Größe dieser Magnetregionen zu verkleinern. In den frühen 90er Jahren verdoppelte sich dadurch die Speicherdichte auf einem Quadrat-Inch Festplatte etwa alle 18 Monate. Seit 1997 gab es jährlich eine Verdoppelung.

Der Erdmagnetismus als DatenkillerHeute ist man bei einer Speicherdichte von 20 Gbit pro Inch angekommen, doch weiteren Fortschritten sind Grenzen gesetzt. Irgendwo zwischen einer Dichte von 20 bis 40 Gbit werden die Informationen instabil, das heißt, sie bleiben nicht sicher über die gesamte erwartbare Lebensdauer einer Festplatte erhalten. Der Grund besteht darin, dass dann die magnetisierten Regionen so klein sein müssen, dass sie ihre Ausrichtung schon aufgrund der Auswirkungen des Magnetfeldes der Erde oder durch thermische Einflüsse verändern. Dieser so genannte superparamagnetische Effekt ist seit den 50er Jahren bekannt.

Man muss also eine Möglichkeit finden, das Volumen einer magnetisierten Region dadurch zu erhalten, dass man seine Tiefe nutzt. Ließe sich die Information "in die Tiefe" speichern, könnte man die Oberfläche weiter verkleinern. Das aber ist auf herkömmlichem Trägermaterial nicht möglich. Es gelingt jedoch mit zwei Lagen von magnetisierbaren Informationsträgerschichten auf der Platte, die durch eine Schicht von Ruthenium getrennt sind. Ruthenium ist ein Platin-ähnliches Element. Wenn man es genau in einer Stärke von nur drei Atomen zwischen zwei Trägerschichten bringt, bewirkt es einen eigentümlichen Effekt: Die Polarisierung eines magnetisierten Feldes auf dem oberen Träger überträgt sich in umgekehrter Richtung auf den unteren. Durch die Anziehungskraft beider Magnetfelder ist die Polarisierung selbst dann noch stabil, wenn man die Größe der Felder verkleinert.

Das Verfahren haben IBM-Forscher jetzt zur Produktreife entwickelt. Sie nennen es "AFC-Media", eine "antiferromagnetically-coupled" Festplattenbeschichtung. Erreicht haben sie eine Speicherdichte von 25,7 Gbit pro Quadrat-Inch, in zwei Jahren soll eine Dichte von 100 Gbit pro Quadrat-Inch möglich sein.

Diese Erhöhung der Dichte bringt vor allem mehr Speicherkapazität; sie ließe sich etwa vervierfachen. Möglich wären mit AFC-Platten mit 400 GB Fassungsvermögen in normalen Desktops, 200 GB in Notebooks und 6 GB auf der winzigen IBM-Platte des Typs "Microdrive". Wesentlich aufwändigere und ergo voluminösere Anwendungen ließen sich realisieren. Die Festplatten könnten aber auch kleiner werden und folglich weniger Strom verbrauchen sowie leiser arbeiten.

Erstaunlicherweise ließe sich nach IBM-Angaben das Preis-Leistungs-Verhältnis bisheriger Festplatten etwa halten. Für die Produktion von AFC-Platten sind nur geringe Änderungen an den bisher genutzten Maschinen erforderlich. Die Platten lassen sich im Prinzip mit der derzeit gängigen Technik beschreiben und lesen. Die Leitungstechnik bisheriger Festplatten müsste man nicht ändern.

Big Blue will demzufolge zügig sämtliche Festplatten mit AFC-Medien ausrüsten. Geschehen ist das schon in drei Fällen: Die im März 2001 vorgestellten "Travelstar"-Notebooks enthalten bereits die AFC-Platten "48GH", "30GN" und "15GN". Die sind beschreibbar mit einer Dichte von 21,7 beziehungsweise 25,7 Gbit pro Quadrat-Inch.

Fujitsu scheint weiter zu seinIBM reklamiert Pixie Dust nicht als eigene Erfindung. Aus gutem Grund, denn an derselben Technik der doppelten Träger mit Ruthenium-Verbindung arbeitet seit einiger Zeit auch Fujitsu - und zwar erfolgreich.

Die erste Festplatte mit dieser Technik - sie heißt bei Fujitsu "anti parallel magnetic underlayer" - hat man bereits im April letzten Jahres vorgestellt. Dieses Exemplar hatte bereits eine Speicherdichte von 56,1 Gbit pro Quadrat-Inch. Inzwischen verwendet Fujitsu seine Technologie in den Ultraslim-Platten des Typs "MHN2xxx", die es im 2,5-Zoll-Format mit derzeit 10, 20 und 30 GB Kapazität gibt.

Nach Angaben von Fujitsu ist eine Speicherdichte von 100 Gbit pro Quadrat-Inch, wie sie IBM für das Jahr 2003 anstrebt, schon heute kein sonderlich großes Problem. Die Entwicklungsarbeiten finden im Atsugi Laboratory statt. Dort hält man Platten mit einer Speicherdichte von 300 Gbit pro Quadrat-Inch für möglich. Allerdings stehen der Produktion entsprechender Speicher einige Schwierigkeiten mit anderen Festplattenbauteilen entgegen.

Bauteile müssen verbessert werdenDas erste Problem ist der Schreib-Lese-Kopf. Er muss kleiner als bisher ausfallen, um nicht nebenliegende Informationen mitzulesen oder zu überschreiben. Wafer für die Köpfe, genauer deren "GMR-Stripe", an dem die Schreib- und Lese-Vorgänge laufen, müssen in noch geringerer Größe gefertigt werden, als Intel es derzeit mit Prozessoren macht: 0,13 Mikrometer.

Das zweite Problem sind die schrumpfenden Abstände der Spuren auf einer Platte, bei AFC-Platten beträgt der Spurabstand derzeit 0,4 Mikrometer, ein Tausendstel eines menschlichen Haares. "Bei der Datendichte wird auch die Positionierung der Köpfe auf den Spuren kritisch", erklärt der Fujitsu-Ingenieur. Man braucht neue "Piezo-Actuators", die Arme, auf denen die Köpfe sitzen.

Zur Bewegung dieser Arme verwenden die Festplattenhersteller Voice-Coil-Motoren (VCMs). Es handelt sich dabei um Direktantriebe, die extrem schnell und präzise neue Positionen einnehmen und die Laufrichtung wechseln können. Jetzt werden noch präzisere Motoren gebraucht, um die Schreib-Lese-Köpfe der Festplatten besser als "haargenau" auf die richtigen Spuren zu bringen. Die VC-Motoren müssen in zwei "Stages" arbeiten, eine erste für die grobe und eine zweite für die Feinpositionierung.

Damit das überhaupt möglich ist, müssen die Festplatten schließlich absolut präzise rotieren. Andernfalls provozieren die sich mit hoher Geschwindigkeit drehenden Platten einen Spurfehler, den man "non repeatable run out" nennt. Fujitsu verwendet hierfür Fluid-Motoren, die äußerst gut zentriert laufen.

Abb: Magie der Magnetschichten

Eine einfache Schichtung zweier Layer aus magnetisierbarem Material (links) führt nicht zu einer Tiefenspeicherung, die untere Schicht bleibt ungerichtet. Anders mit einem Isolator aus Ruthenium: Ein genau drei Atome hoher Layer trennt eine magnetische und eine Stabilisierungsschicht auf der Festplatte (rechts oben). Er bewirkt auf dem unteren Layer, dass die Magnetisierung in diesem Speicherfeld um 180 Grad gegen die auf der oberen Ebene gerichtet ist. Die Speicherung wird noch sicherer, wenn man darunter noch einmal eine mit Ruthenium isolierte Stabilisierungsschicht platziert (rechts unten). Quelle: Fujitsu