Gemeinsame Entwicklung von IBM und Infineon

Ein Speicherchip wie ein Elefantenhirn

20.06.2003
MÜNCHEN (CW) - IBM und Infineon haben einen Chip vorgestellt, der Informationen magnetisch statt elektrisch speichert. Dadurch bleiben Daten auch ohne Stromzufuhr erhalten und sind sofort abrufbar.

"Schnell wie bei einem Lichtschalter" sei ein Computer wieder in dem Arbeitszustand, in dem er ausgeschaltet wurde, beschrieben Ingenieure von IBM und Infineon den Effekt des neuen "Magnetic Random Access Memory" (MRAM). Bisher üblicherweise in Rechnern verwendete RAM-Chips speichern Informationen als elektrische Ladungen. Diese gehen bei Abschalten der Stromversorgung verloren, die Speicher sind dann leer und müssen beim Anschalten eines Computers neu mit Programmen und Daten geladen, "gebootet" werden.

Uneingeschränktes Gedächtnis

MRAMs hingegen speichern alle Informationen als "1" oder "0" in magnetischer Form, deren polare Ausrichtung auch ohne Strom nicht flüchtig ist. Entsprechend benötigen sie keine Ladezeit zur Wiederherstellung alter Informationen und weniger Strom zu ihrem Erhalt, was sie mit Flash-Speichern vergleichbar macht. Ein Notebook wäre ohne Booten ähnlich wie ein Radio in der zuletzt genutzten Einstellung sofort betriebsbereit.

Gleichzeitig benötigt die magnetische Speicherung wenig Chipvolumen, weil sie in hoher Dichte möglich ist, und die Chips sollen sich einst sehr kostengünstig herstellen lassen, beides bisher eine Eigenschaft von Dynamic RAM (DRAM). Außerdem arbeiten sie im Nanosekunden-Bereich, was sie selbst schnellen statischen RAM-Speichern (SRAM) überlegen macht. Mithin vereinen MRAMs die drei wichtigsten Speicherchiptechniken in sich.

IBM-Forscher haben seit 1974 an magnetischen Speichern gearbeitet, Ende der 80er Jahre gelangen ihnen einige wichtige Entdeckungen zum "giant magnetoresistiven" (GMR-)Effekt von Dünnschichtstrukturen, welche die Festplattentechnik vorantrieben. Im Rahmen einer seit zehn Jahren bestehenden Zusammenarbeit mit Infineon starteten beide Firmen im November 2002 ein MRAM-Entwicklungsprojekt.

Das konnte jetzt auf dem Symposium Very Large Scale Integration (VLSI) im japanischen Kyoto einen Erfolg präsentieren: einen MRAM-Core mit 128 Kbit Kapazität. Diese kleinste Speicherzelle wurde in einem 0,18-Mikrometer-Prozess gefertigt und hat eine nur mikroskopisch erkennbare Oberfläche von 1,4 Quadrat-Mikrometer. Anfang nächsten Jahres wollen beide Unternehmen erste Prototypen des kompletten MRAM-Chips vorstellen. Frühestens 2005 soll das Produkt kommerziell verfügbar sein. Gleichwohl reagierte der Kapitalmarkt sofort: Die Infineon-Aktie stieg bei Bekanntwerden der MRAM-Neuerung deutlich gegenüber dem DAX.

MRAM-Chips dürften zunächst vor allen dort von besonderem Interesse sein, wo es um ihre Eigenschaft geht, weniger Energie zu verbrauchen. Das sind primär mobile Geräte wie Notebooks und PDAs. Ihre hohe Speicherkapazität und ihre schnelle Schaltgeschwindigkeit sind darüber hi-naus interessant für Handys, die wegen ihrer Multimedia-Fähigkeiten immer größere Datenvolumen bewegen müssen. (ls)

25 Jahre X86

Während IBM und Infineon eine neue Speicherchiptechnik vorstellen, feiert Intel einen Geburtstag: Vor 25 Jahren begann der heutige Branchenriese seinen Aufstieg mit dem Prozessor 8086. Die CPU fand eine ebenfalls legendäre Verwendung - im ersten IBM-PC. Sie enthielt 29000 Transistoren und war mit fünf Megahertz getaktet. Zum Vergleich: Ein heutiger Pentium 4 birgt 55 Millionen Prozessoren und ist mit 3,06 Gigahertz rund 600 Mal schneller als sein Urahn. Bis April dieses Jahres hat Intel über eine Milliarde Prozessoren mit der klassischen x86-Architektur ausgeliefert. Die Zwei-Milliarden-Marke möchte der Chip-Gigant bis zum Jahre 2007 erreichen.