Migration von IBMs /34 zu RISC und Unix

Ein Mittelstaendler findet den Weg in die offene Unix-Welt

26.03.1993

An die Anfang der 80er Jahre installierte IBM/34 waren acht Terminals und ein Systemdrucker angeschlossen. Als Standardanwendungen wurden die Finanzbuchhaltung und das Lohn- und Gehaltspaket eines IBM-Partners eingesetzt. Die Programme fuer Angebots- und Auftragsverwaltung hat Hebel Huttenheim in RPGII selbst entwickelt. Weitere Anwendungen liessen sich aufgrund der Hardwarebeschraenkungen des IBM-Systems nicht realisieren. Deshalb musste das Unternehmen seine Beduernisse mit Hilfe eines PC-Netzes decken, das inzwischen in die Unix-Loesung integriert wurde.

Im Sommer 1992 entschloss sich die Unternehmensleitung, ein Nachfolgesystem auszuwaehlen. Klar war von Anfang an, dass es sich nicht um ein proprietaeres System handeln sollte. Zwar wurde der Ausbau des PC-Netzes erwogen, aber eine reine LAN-Loesung schien nicht sinnvoll, da fast alle Anwender gemeinsame Verfahren und Daten nutzen.

Ausschlaggebend fuer die Entscheidung fuer offene Systeme waren:

- die langjaehrige, nicht mehr erwuenschte Abhaengigkeit von einem Hersteller,

- die nicht optimalen Migrationsmoeglichkeiten fuer die bestehenden Daten und Anwendungen auf ein Nachfolgesystem vom gleichen Hersteller und

- das bessere Preis-Leistungs-Verhaeltnis bei Loesungen der offenen Welt.

Zur genaueren Bestimmung des Bedarfs hat Hebel Huttenheim die Management- Consulting-Abteilung der Stuttgarter SNI-Niederlassung mit einer Kurzanalyse seiner DV-Organisation beauftragt. Die dabei festgestellten Maengel beruhten ueberwiegend auf der nicht durchgaengigen DV-Unterstuetzung, die zudem noch durch Medienbrueche und Mehrfacherfassungen gekennzeichnet war.

Daraus ergaben sich die folgenden Anforderungen an neue Anwendungen:

- Daten und Informationen werden dort erfasst, wo sie anfallen.

- Der Bereich Lagerverwaltung muss DV-technisch unterstuetzt werden.

- Die Bereiche Vertrieb, Produktion, Lager und Versand sowie Finanzbuchhaltung muessen integriert bearbeitet werden.

- Alle neuen Anwendungen fussen auf einer gemeinsamen, Datenbasis und verfuegen ueber komfortable Listen- und Reportgeneratoren.

- Die Anwendungen verfuegen ueber klar definierte Schnittstellen fuer unternehmensspezifische Zusatzanwendungen.

Diese Anforderungsliste wurde mehreren Herstellern von Unix- Systemen zur Angebotsabgabe zugesandt. Hebel stellte zusaetzlich die Bedingung,

- dass die bisher eingesetzte Standardsoftware sofort ersetzt werden konnte,

- die eigenentwickelte Software und alle Daten eins zu eins auf das neue System uebernommen werden konnten, und

- als Arbeitsplaetze PCs zum Einsatz kommen wuerden.

In den darauffolgenden Tests stellte sich heraus, dass Siemens- Nixdorf fuer die Eins-zu-eins-Migration das attraktivste Angebot machen konnte. Nach einem Probelauf entschied sich Hebel Huttenheim fuer die SNI-Loesung. Danach ging es Schlag auf Schlag. Die Vertragsunterzeichnung erfolgte am 1. Dezember 1992. Fuenfzehn Tage spaeter wurde das RISC-System RM400-05 als Zwischenloesung mit 32 MB Hauptspeicher und 1,5 GB Plattenspeicher installiert. An dieses System sind 21 PCs (davon zwei remote), sieben Arbeitsplatz-Drucker und ein Systemdrucker angeschlossen. Auf diese Weise steht allen DV-Mitarbeitern ein eigener Bildschirm-Arbeitsplatz zu Verfuegung, was die Akzeptanz des Systems erheblich erhoeht.

Als Standardsoftware unter Unix kommen jetzt - gestuetzt auf eine Datenbank von Informix - Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung, Anlagenbuchhaltung sowie Lohn- und Gehaltsabrechnung von CSS zum Einsatz. Die Uebernahme aller Daten sowie die Migration und der Ablauf der Individualanwendungen erfolgte mit Hilfe der Migrationssoftware "Sipra" von Mitte Januar 93 bis Mitte Februar einschliesslich der notwendigen Funktionalitaetstests.

Die zu migrierenden Anwendungen (Quellprogramm-Bibliotheken) und Dateien (SAM, Isam, Direkt) wurden auf dem IBM-System/34 ausgewaehlt und auf das Sinix-Zielsystem transferiert. Da an der /34 keine anderen Medien zur Verfuegung standen, musste dies in einer Wochenendaktion mit Hilfe von sehr vielen Acht-Zoll- Disketten bewerkstelligt werden. Auf dem Zielsystem wurden die Quellprogramm-Bibliotheken (RPGII, Menues, Formate, Message Member) automatisch kompiliert und die Dateien wiederaufgebaut. Um die Funktionalitaet der migrierten Anwendungen zu gewaehrleisten, mussten diese, wie bei jedem Systemwechsel noetig, sorgfaeltig getestet werden.

Seit Mitte Februar dieses Jahres laeuft der gesamte DV-Betrieb von Hebel Huttenheim in der neuen Systemumgebung. Alle DV-technischen Ablaeufe haben sich im Minimum um den Faktor zehn beschleunigt. Der einzige Bereich, der noch der taeglichen Routine bedarf, ist das Drucken. Neue Drucker, ungewohnte Funktionalitaeten und Bedienung fuehren bei jedem Systemwechsel zu einem erhoehten Arbeitsaufwand, um die unternehmensspezifischen Ausdrucke korrekt zu erzeugen.

Hebel wird sich jedoch nicht auf dem Erreichten ausruhen, sondern zuegig Anwendungen fuer bisher nicht DV-unterstuetzte Gebiete wie die Produktionsplanung und -steuerung sowie die Materialwirtschaft einfuehren. Dabei ist jeweils zu pruefen, ob es sinnvoll und wirtschaftlich ist, die migrierte Individualsoftware ebenfalls durch datenbankbasierte Standardanwendungen zu ersetzen.

*Hans-Juergen Prior ist DV-Leiter der Hebel Huttenheim - Hanse Fertighaus GmbH & Co. KG, Philippsburg.

Die Hebel Huttenheim - Hanse Fertighaus GmbH

Die Firma Hebel Huttenheim - Hanse Fertighaus GmbH & Co. KG, Philippsburg, gegruendet 1956, erzeugt und verarbeitet auftragsorientiert Porenbetonplatten fuer den Wirtschaftsbau. Das Unternehmen stellt Platten bis zu einer Laenge von 8 Metern und einer Breite von 75 Zentimetern her. 140 Mitarbeiter betreuen knapp 2000 Kunden.