PERFEKT AUSWÄRTS

EDV-Englisch zum MitredenComputervokabeln kurzweilig verpackt und text-intern präsentiert Englisch zum Mitreden 9. und letztes Kapitel, Schluß

09.10.1981

Das einsilbige Kondensat der meisten englischen Wörter darf indes nicht zu der Annahme verführen, daß man in "real life" bevorzugt den Telegrammstil anwendet. Die Steno-Sprache in den Ländern dieses Kulturkreises ist eine interessante Spezialität auf der reichhaltigen Ausdruckspalette - nicht mehr und nicht weniger, und die internationale EDV-Welt bedient sich der Kürzel dort, wo die praktische Überlegung dies angezeigt erscheinen läßt. Das beginnt bei der Beschriftung von Taschenrechner-Tasten: Selbst die deutschesten Gehäuse fordern den Benutzer auf zu "clear", "read", "on" und "off". Eingravierte Einzelbuchstaben weisen in der Regel auf den englischen Terminus hin (M, RM, C, CE), was zur Internationalisierung der "Druckknopfsprache" geführt hat, so weitgehend, daß der Operator den Initialen- und Silbenverschnitt gar nicht mehr als Wortsymbole, sondern als Zeichen empfindet, ähnlich den Piktogrammen in den Flughafen- und Bahnhofshallen und analog den unverwechselbaren Einfachbildchen, die mit wenigen Strichen eine olympische Sportart darstellen.

In der technischen Kommunikation gibt es für Kurzformen eine natürliche Grenze: wenn nämlich wegen der sicheren Verständigung eine gewisse Redundanz notwendig ist. Der Astronaut, der mit seinem "space ship" gerade auf der Rückseite des Mondes landet und vom Flugleiter (auf der Erdstation) teilnahmsvoll per Funk gefragt wird, ob wohl ein Parkplatz frei sei, antwortet nicht "yes" oder "no", sondern "affirmative" beziehungsweise "negative", weil das länger ist und mithin akustisch besser unterschieden werden kann. Ebenso bei Trauungszeremonien in englischen und amerikanischen Kirchen. Das schwerwiegende Jawort mit einem simplen "yes" auszudrücken, entspräche nicht dem Pomp der Stunde; ein zweisilbiges "I will" ist das mindeste, was die Festgemeinde zu hören begehrt.

Zwei-, drei- und mehrsilbig sind auch die Wörter der gehobenen Computersprache. Softwarespezialisten und Organisationsexperten pflegen das langstilige Vokabular, das die Bildung des Sprechers beweist - und nicht nur dessen Schulung. Das läuft bei den Angelsachsen nicht viel anders als bei uns: Je komplizierter ("sophisticated") die Wendung, desto bedeutsamer das Gesagte - meint man. Darum ist es für jedermann nutzvoll, sich bisweilen gewählt zu artikulieren - sowohl im Englischen wie auch im Computer-Deutschen, also in der anglisierten Formelhaftigkeit einheimischer Mitteilungen ("Über das Problem der Implementierung des Software-Packages wird unser zuständiger Projektmanager auf dem nächsten Meeting seinen Input geben, Mahlzeit!").

EDV-Freunde deutscher Zunge haben kaum Schwierigkeiten mit gedehnten englischen Fachwörtern, denn seit der Erfindung des Donaudampfschiffahrtsgesellschaftskapitäns und des Datenfernübertragungskabelsteckers macht uns in diesem Punkt keiner was vor - alles nur eine Frage des modular kombinierbaren Wortschatzes. Man sagt zwar im Vorbeigehen: "I don´t think this is what our boss wants". Aber würde man einen schriftlichen Kommentar so reduziert abfassen?

Wahrscheinlich nicht, wenn man sprachlich imstande ist, den einfachen Satz folgendermaßen aufzumotzen: "A careful analysis of the matter under consideration has conclusively shown that the solutions specified in your report are incompatible with the approved guidelines of our corporate policy." Im perfekten Manager-Deutsch wird dieses "statement" mindestens genauso lang und noch etwas umständlicher.

Ob man sich nun so oder so ausdrücken möchte, entscheidet die jeweilige Situation. Ein paar Hinweise sollten jedoch beherzigt werden, wenn man beim Mitreden in Sachen Computer ernstgenommen werden will:

1. Das EDV-Idiom ist und bleibt eine Sammlung von Fremdwörtern, deren passive Kenntnis und aktive Anwendung den bewußten Lernvorgang voraussetzt.

2. Die korrekte Aussprache dieser Wörter, soweit sie in der englischen Form belassen und nicht eingedeutscht sind, erfordert ebenfalls eine bewußte Anstrengung.

Das Problem der richtigen Aussprache von Fremdwörtern ist uralt und ein Quell für ewige Kalauer; stundenlange Fernseh-Shows leben oft nur vom Witz mit der verkehrten und verqueren Lautung. Doch merkwürdigerweise scheinen gerade im EDV-Bereich viele Leute zu glauben, daß sie, weil sie einmal in der Schule englisch gelernt haben, die Ausspracheregeln (oder Unregelmäßigkeiten) für alle Zeit beherrschen. Wer so denkt, möge in einem ausführlichen Diktionär nachprüfen, wie man "simultaneity", "distributed", "preface" oder den Namen des amerikanischen Bundesstaates "Arkansas" richtig betont - er wird unter Umständen eine kleine Überraschung erleben.

Es geht also nicht allein darum, EDV-Englisch zu verstehen und das Computer-Neudeutsch mittelprächtig zu sprechen, man muß auch vermeiden, die gehässige Umwelt mit Fehlleistungen zu amüsieren - oder gar Mißverständnisse mit fatalen Folgen auszulösen, wie das einst im Falle des sagenhaften Dampfers geschah, der vielleicht noch ein Stück weitergeschwommen wäre, wenn Mr. Klammheim, deutschstämmiger Generalbevollmächtigter der Reederei, das englische "th" nicht immer wie ein germanisches "s" gezischt hätte. Klammheim, der gerade von einer IBM-Veranstaltung kam, wo (damals) sämtliche Seminar-Wände mit den Gebotsschildern "Think!" bepflastert waren, befand sich an Bord des Ozeanriesen, als dieser den dicken Eisberg rammte.

"Well, Mister Klammheim", sprach der Kapitän und beugte sich besorgt über die Reling, "we´ve got a problem here. What shall we do now?"

"Sink!" rief Klammheim spontan, und meinte natürlich, der Seemann möge bitte nachdenken und sich etwas einfallen lassen.

"Okay, let´s sink then", befahl der Captain weisungsgemäß. "Into the boats everybody! The trip is over!"

Moral: Wer es mit einem System zu tun hat, ganz gleich ob Dampfer oder Rechner, der übe schon jetzt den guten Ton, zumal die Computer-Spracheingabe demnächst ohnehin von jedem Anwender einen anmutigen Akzent abverlangt.

Einstweilen ist es noch nicht soweit. Allen freiwilligen und genötigten Eindringlingen in die Domäne der Datenverarbeitung bleibt genügend Zeit, ihr "Auswärts" auf perfekt zu trimmen - und dazu wollte dieses Buch einige Anregungen liefern.