Eclipse am Scheideweg?

07.04.2008
Das quelloffene Framework und Integrated Development Environment (IDE) Eclipse droht aufgrund der Vielzahl der Projekte aus den Fugen zu geraten.

Mit weltweit über einer Million Downloads pro Monat hat sich die Open-Source-IDE Eclipse inzwischen zu einer von Microsoft ernst genommenen Konkurrenzplattform gemausert. Spricht man von Entwicklern, wird im Wesentlichen in zwei Lager eingeteilt: Im Windows-Umfeld ist Microsofts Visual Studio der De-Facto-Standard, Eclipse-Tools sind die Wahl der Java-Gemeinde. Und das, obwohl Eclipse im jährlichen IDE-Vergleich von Evans Data keineswegs glänzt. Rangiert die Plattform unter den analysierten Entwicklungsumgebungen in Sachen Benutzerfreundlichkeit und Debugger-Fähigkeiten noch im mittleren Umfeld, rutscht sie in den Disziplinen Dokumentation, Application-Modeling- und Profile-Tools sowie technischer Support und Beispielapplikationen auf den letzten Platz. Positiv beurteilten die von Evans Data befragten rund 1500 Entwickler dagegen die Verbreitung von Eclipse, deren Integrationsmechanismen für Drittwerkzeuge, die Verfügbarkeit solcher Produkte sowie die Größe und Qualität der Community.

Derartige Kritik überrascht Mike Milinkovich, Executive Director der Eclipse-Organisation, wenig: "Schlechte Noten beim technischen Support? Wen wundert das, wir bieten keinen technischen Support. Dafür gibt es genügend kommerzielle Angebote." Milinkovich geht es vielmehr um die zahlreichen Produkte, die auf Eclipse aufsetzen, über 1000 solcher Plug-ins sind derzeit auf der Eclipse Plugin Central Web Page verfügbar. Jüngster Spross ist die von der Borland-Tochter CodeGear kürzlich freigegebene Java-Entwicklungsumgebung "JBuilder 2008", deren Application Factories die Wiederverwendbarkeit von Anwendungsmodulen erleichtern soll.

Einschnitte in Version 4.0

Doch genau in dieser Vielfalt liegt laut Oliver Cole, Leiter des Eclipse-Bereichs Test and Tools Platform Project, auch das Problem. Für Entwickler sei es immer schwieriger, in diesem Dschungel an Projekten das für eine spezielle Aufgabe geeignete herauszufinden. Hier seien unbedingt Einschnitte erforderlich. Wenn man Eclipse als eine einzige IDE betrachtet, dann ist diese Plattform inzwischen zu groß geworden, so Cole. Er wisse zwar noch nicht genau, welche Kürzungen konkret stattfinden müssten, sicher sei jedoch, dass auf der Liste der aktiven Projekte, die im Jahr 2010 vorliegt, so manches Projekt gestrichen ist. Sein Kollege Milinkovich glaubt zwar nicht, dass die IDE selbst künstlich aufgebläht ist und deshalb außer Kontrolle geraten könnte, doch auch er geht davon aus, dass mit dem für 2010 geplanten nächsten Major-Upgrade Eclipse 4.0 ein schlankeres Framework kommt, was die Gelegenheit zu Verbesserungen bietet.

Angesichts solcher Bestrebungen regt sich erster Widerstand in der Eclipse-Community. Dabei geht es wohl eher um die prinzipielle Befürchtung, dass die Modularität der IDE, also die Vielfalt des Plug-in-Angebots eingeschränkt werden könnte. Wer die Funktionen des Frameworks beschneiden will, muss Komponenten entfernen, so die Kritik. Doch genau darin liege der Reiz: um einen schlangen Kern ein individuelles Set von Anwendungsmodulen zu assemblieren. (ue)