EAW zieht Kostenschraube an: DV ohne Host und R/2

01.07.1994

Der Umstrukturierung des Ostberliner Kombinats Elektro-Apparate- Werke (EAW) zur EAW Industrieholding fielen im DV-Sektor der Mainframe und die dummen Terminals zum Opfer. Die neuen, eigenstaendigen Gesellschaften sind nun mit flexiblen Client- Server-Umgebungen ausgestattet. Das SAP-Anwendungssystem R/2 wurde von einer auf mittelstaendische Betriebe zugeschnittenen Softwareloesung abgeloest.

Die Berliner EAW Industrieholding GmbH ist aus dem Kombinat Elektro-Apparate-Werke (EAW), einem der groessten Elektronik- Elektrotechnik-Unternehmen der ehemaligen DDR, hervorgegangen. Im Rahmen eines Sanierungs- und Privatisierungskonzepts der Treuhandanstalt uebernahm diese Holding zum 1. Januar 1993 Arbeitskraefte, Vertrieb und Produktion der EAW. Dabei wurde auf kleine, schlagkraeftige Einheiten Wert gelegt, es entstanden mehrere Tochtergesellschaften mittelstaendischen Zuschnitts. Hierzu gehoeren die EAW Elektronik GmbH, die EAW Relaistechnik GmbH, die EAW Schaltgeraete GmbH sowie die EAW Werkzeuge und Sondermaschinen GmbH. Das Produktspektrum dieser vier EAW-Toechter reicht von Niedrigspannungsschaltern und Schuetzen ueber Speicherungen bis hin zu Relais und Sondermaschinen. Damit deckt die EAW Industrieholding eine breite Palette an Automatisierungsloesungen ab.

Nach der Umwandlung stand eine Reihe interner Umstrukturierungsmassnahmen an. Sie brachten auch in der DV erhebliche Veraenderungen mit sich.

So sollten die aus dem einstigen Kombinat EAW entstandenen Holding-Toechter eigenstaendige und flexible DV-Loesungen auf Basis offener Systeme bekommen. Das DV-Konzept der alten EAW, so die einhellige Meinung im Management der Industrieholding, sollte auf keinen Fall weitergefahren werden.

Zwei Millionen Mark pro Jahr waren zuviel

"Die EAW verfuegte ueber ein zentrales Rechenzentrum mit einem riesigen Equipment, einer maechtigen Standardsoftware und einer nicht beherrschbaren Kostenstruktur", sagt Heinz Blum, Geschaeftsfuehrer der EAW Industrieholding GmbH. Der Betrieb des BS2000-Grossrechners mit der Anwendungssoftware R/2 von SAP verschlang einschliesslich der internen Personalausgaben gut zwei Millionen Mark pro Jahr. Diesen Aufwand wollte und konnte man sich nicht mehr leisten. Rightsizing beziehungsweise Downsizing waren also das Gebot der Stunde, um eine drastische Kostensenkung zu erreichen.

Angepackt wurde das ehrgeizige Projekt im August 1993 zusammen mit dem in Rimpar bei Wuerzburg ansaessigen Systemhaus CAI Computeranwendungen fuer die Industrie. CAI richtete nach Auftragserteilung ein Buero in Berlin ein, in dem neun DV-Fachleute der alten EAW arbeiten und nun auch weitere Kunden im nordostdeutschen Raum betreuen. Damit schlugen das Rimparer Systemhaus und die EAW Industrieholding gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Umstieg in die neue DV-Welt erfolgte ohne Verlust von Anwendungs-Know-how, und die EAW reduzierte die Personalkosten.

Dass die Migration von der Grossrechner- in die Unix-Welt keine triviale Aufgabe war, verdeutlicht das Mengengeruest, mit dem die R/2-Anwendungen zurechtkommen mussten: 50 000 Materialpositionen, 280 000 Stuecklistenpositionen und rund 50 000 Arbeitsplaene mit 250 000 Arbeitsgaengen sind die Eckwerte.

Diese Aufgaben bewaeltigt jetzt die DV-Loesung "CAI-NT" in Client- Server-Manier. Die vier EAW-Toechter sind jeweils mit einem Unix- Server ausgestattet, Workstations mit einem Pentium-Prozessor. Als Clients fungieren Windows-PCs mit 486SX-CPU.

Ob Finanzbuchhaltung, Lohn und Gehalt, Vertriebsorganisation, Lagerwirtschaft, Materialwirtschaft, Einkauf, PPS oder Kostenrechnung - mittlerweile sind alle Module der neuen Loesung produktiv im Einsatz. Die in Grossrechnerzeiten unumgaengliche, teure DV-Abteilung, die einen nicht minder kostspieligen Mainframe betreut, wird dabei nicht mehr gebraucht.

Es sind aber nicht nur Kostenaspekte, die aus Sicht des Managements fuer das neue DV-Konzept sprechen. Das leichte Handling der Systeme mit ihrer grafischen Oberflaechen habe an den einzelnen Arbeitsplatz eine neue Qualitaet gebracht. Wenngleich hier, wie Geschaeftsfuehrer Blum einraeumt, einige Gewoehnungsprozesse noetig waren: "Ploetzlich gab es kein Rechenzentrum mehr, das man bei Problemen konsultieren konnte." Mittlerweile sei dies aber kein Thema mehr - angesichts "gaenzlich anderer, flexibler Moeglichkeiten, die sich dem Unternehmen sowie den einzelnen Mitarbeitern bieten". Die DV, so Blum, "ist wieder zum Werkzeug des Sachbearbeiters und zum berechenbaren Faktor im Controlling geworden."

Von Thomas Luenendonk

Redaktionsbuero Luenendonk, Muenchen.