E-Learning-Trends: Spielend lernen

08.02.2010
Der Weiterbildungsmarkt trotzt der Krise. Neue Lernformen etablieren sich.

Die Weiterbildungsbranche ist insgesamt betrachtet gut durch die Krise gekommen", sagt Harald Melcher, Geschäftsführer der privaten Akad-Hochschulen aus Stuttgart. Besonders berufsbegleitende akademische Weiterbildungskurse zu Themen aus Wirtschaft, Technik und Ingenieurwissenschaften gelten als feste Wachstumsgrößen. Melcher betont, dass die Akad-Fernhochschulen im vergangenen Jahr ihren Umsatz weiter steigern konnten und dieser Trend in den kommenden Jahren anhalten werde.

Nachwuchs erwartet Abwechslung

Allerdings sehen Anbieter von beruflichen Weiterbildungskursen das Krisenjahr 2009 nicht ganz so positiv. Die Buchungsquote variiert stark nach Auftraggeber. Während Unternehmen bei der Weiterbildung den Rotstift ansetzten, investierten die Arbeitsagenturen weiterhin in Schulungsangebote für ihre Kunden. Auch nutzten viele Betroffene Kurzarbeit für die berufliche Weiterbildung.

Wurde vor einiger Zeit noch diskutiert, ob das Web 2.0 das Lernverhalten beeinflusse, dreht sich jetzt die Diskussion stärker um die Frage, wie und wo interaktive und kommunikative Elemente in der beruflichen Weiterbildung verankert werden. Gerade junge Erwachsene erwarten ein vielschichtiges und abwechslungsreiches Lernangebot. Peter Henning, Informatikprofessor an der Hochschule Karlsruhe, sieht zwei gegenläufige Trends: Viele Lernende wünschen sich interaktive Tools, die sie aus sozialen Netzwerken kennen, um sich mehr mit Gleichgesinnten auszutauschen. Außerdem seien Videokonferenzen sowie kleine Lerneinheiten, eine Art "E-Learning-Light", gefragt. Gleichzeitig beobachtet Henning den Wunsch nach einer zunehmenden Personalisierung der Lernumgebung. Nutzer wünschen sich beispielsweise, dass sich die Lernsysteme den eigenen Vorkenntnissen und Lernerfolgen anpassen. Viele E-Learning-Programme und Plattformen bieten diese Features bereits an, inklusive individueller Wissenstests und Klausuren.

Lernen in Kleinstportionen

Kleine, zu 140 Anschlägen filetierte Wissensportionen kommen im Zeitalter von Twitter und iPhone besonders in Mode. Als das MMB-Institut für Medien- und Kompetenzforschung in Essen im Frühjahr 2009 E-Learning-Fachleute auch zu Twitter befragte, schrieben sie dem Tool noch das geringste Nutzungspotenzial unter den neuen Lerntechniken zu. "Die Einstellung zu Twitter hat sich im vergangenen Jahr verändert", sagt Lutz Goertz vom MMB-Institut. "Als die Daten für den Trendmonitor im Frühjahr 2009 erhoben wurden, galt Twitter noch als Tool, um Informationen über sich in die ganze Welt zu posten." In einem anderen, Ende 2009 publizierten Ranking der "Top 100 Tools for Learning 2009" eroberte Twitter dagegen den ersten Platz. Diese Liste erstellte Jane Hart, britische Beraterin für Social Learning, indem sie 278 Bildungsexperten befragte (http://www.c4lpt.co.uk).

Projektnotrufe via Twitter

Goertz sieht für das Microblogging-Tool noch andere Einsatzoptionen für Firmen: "Gerade für eine unternehmensinterne, schnelle Kommunikation innerhalb eines Projekts ist Twitter ideal. Wenn es beispielsweise Probleme gibt, können sich die Projektmitarbeiter schnell gegenseitig informieren." Twitter übernimmt dann die Funktion des Wissensaustauschs und dient dem informellen Lernen.

Wie sich Menschen Wissen aneignen und neue Inhalte lernen, verändert sich mit den neuen Möglichkeiten immer mehr. Das klassische Frontalseminar in der Erwachsenenbildung rückt in den Hintergrund, und die engen Grenzen zwischen Lernen und (Computer-)Spielen verwischen. "Serious Gaming" gilt als Trend in der beruflichen Weiterbildung. Der Karlsruher Informatikprofessor Henning sieht hier die unter 35-Jährigen als Innovationskraft. Wer mit Gameboy und Computerspielen aufgewachsen sei, suche auch als Erwachsener innovative Lernformen und wolle "spielend lernen".

Zwar eroberte E-Learning im gesamten Weiterbildungsmarkt nach einer Studie des Lünendonk-Instituts bisher nur zehn Prozent Marktanteil. Doch mit vielen neuen und komfortableren Anwendungen bietet dieser Markt weiteres Wachstumspotenzial, glauben Kenner der Szene. "Blended Learning" als Kombination von Präsenz- und E-Learning-Einheiten ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich unterschiedliche Lernmethoden immer mehr verbinden.

Goertz vom MMB-Institut beobachtet die neu entstehenden Weiterbildungsportale im Netz genau. Das Spektrum reicht von kostenlosen Plattformen wie www.sekretaria.de aus dem Haufe Verlag bis hin zu teuren Abo-Modellen, etwa für Wirtschafts- und Steuerberater vom Verlag Neue Wirtschafts-Briefe (www.nwb.de) in Herne. Ob sich ein tragfähiges Geschäftsmodell dazu stricken lässt oder beispielsweise Verlage die Internet-Portale als Vertriebskanal für ihre Zeitschriften nutzen, hängt vom jeweiligen Anbieter ab. Viele Anwender und Lernwillige profitieren von den Angeboten, sagt Goertz: "Branchenbildungsportale könnten zukünftig gerade für Berufstätige eine wichtige Rolle spielen, die ihre eigene Weiterbildung organisieren möchten."

E-Learning in der Wolke

Die Information Multimedia Communication AG (imc) in Saarbrücken erzielte 2009 als größter E-Learning-Anbieter in Deutschland einen Umsatz von 12,5 Millionen Euro. Bekannt ist imc für seine Lerntechniken. Doch mittlerweile erproben die Saarbrücker neue Einsatzszenarien für Cloud Computing, das zu den wichtigsten Trends der IT-Branche zählt. Zusammen mit dem Aufsichtsrat August-Wilhelm Scheer entwickelte imc "Cloud Learning" als neues Serviceangebot. "Lernen ist keine unternehmenskritische Anwendung und eignet sich deshalb hervorragend für das Modell ,Software as a Service`. Seit dreieinhalb Monaten ist unser Angebot am Markt, und es hat sich gut entwickelt", bilanziert Vorstandsvorsitzender Wolfgang Kraemer.

Für sparsame Mittelständler

Reizvoll sei das übersichtliche Abrechnungsmodell vor allem für mittelständische Unternehmen, die keine eigene Lernplattform anschaffen möchten, sondern ihre Mitarbeiter flexibel und schnell schulen wollen. Die Kunden zahlen pro gebuchten Kurs, sie können ihre eigenen Schulungsunterlagen im System hinterlegen, Support und Service für das E-Learning-Umfeld bietet imc zu einem Festpreis an. Geringere Kosten für den Kunden heißt gleichzeitig auch mehr Arbeit für den eigenen Vertrieb, denn es müssen mehr Projekte akquiriert werden. Kraemer sieht diese neue Herausforderung sportlich: "Die Akquise geht schneller, und die Durchlaufzeit eines Projekts beträgt drei bis fünf Tage."

Im Jahr 2010 stehen Bildungshungrigen viele Wege zu neuen Wissenshorizonten offen. Längst gibt es kein Entweder-oder mehr, sondern diverse Mischungen aus verschiedenen Methoden und Lernstilen. Dazu zählen auch hochpreisige Angebote. Das Malik Management Zentrum in St. Gallen etwa bietet ein berufsbegleitendes, 21-monatiges "Malik-Master-of-Management"-Programm an, bei dem persönliche Kontakte zu Referenten und Studienkollegen eine wichtige Rolle spielen. Auch Namensgeber Fredmund Malik selbst referiert; diesen Kurs lassen sich Interessenten rund 71.000 Schweizer Franken kosten. (hk)

Learntec

Vom 2. bis zum 4. Februar fand die Fachmesse Learntec mit integriertem Kongress in Karlsruhe statt. Die beiden Gründerväter, die Professoren Uwe Beck und Winfried Sommer, geben nach 18 Jahren nun den Stab an die Bildungsberaterin Sünne Eichler und den Informatikprofessor Peter Henning von der Hochschule Karlsruhe weiter. Rund 5600 Besucher kamen zur Messe, was einem Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr entsprach, und 160 Firmen stellten aus.