Die zentrale Kontrolle über die "Physik" muß bleiben

11.11.1977

Nach IBM, Nixdorf, Digital Equipment und anderen Herstellern hat jetzt Hewlett Packard mit Distributed Systems Network (DSN) ein Architekturkonzept für Distributed Processing angekündigt. Welche Marketing-Philosophie verfolgt HP mit dieser Ankündigung?

Das von uns angekündigte Distributed Systems Network ist hauptsächlich dafür entwickelt worden, unseren primären Markt, das sind große Industrieunternehmen, zu bedienen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sowohl mit ihren Zentralrechnern als auch mit ihren Rechnern im technisch-wissenschaftlichen und im kommerziellen Bereich zu kommunizieren. Hewlett Packard hat zwei unabhängige Systemfamilien, die diese beiden Bereiche bedienen, und es soll den Kunden die Möglichkeit gegeben werden, die verschiedenen Systeme "in einfacher Form" miteinander und mit Zentralrechnern zu verbinden.

- Was sind nun die Besonderheiten dieses Konzeptes?

- Wir sind ja schon seit 1973 auf dem Gebiet der Netzwerke tätig und gehörten soviel ich weiß, zu den ersten Minicomputerfirmen, die - zumindest für technisch-wissenschaftliche Rechner - Netzwerkverbindungen angeboten haben. Diese waren zu Anfang lediglich in hierarchischen Anordnungen möglich. Nunmehr haben wir nicht nur unsere kommerziellen Rechner in diese Netzwerke eingeschlossen, sondern zusätzliche Strukturen ermöglicht.

- Heißt das, HP-Anwender können jetzt auch Kommunikationssysteme aufbauen, in denen alle Rechner gleichberechtigt sind, wie es etwa Digital Equipment mit DECNET praktiziert?

Zusätzlich zu den hierarchischen Verbindungen ist es möglich, Ringverbindungen aufzubauen, wobei jedoch die zentrale Kontrolle über die "Physik" (über die dezentralen Satellitenrechner, d. R.) erhalten bleiben sollte.

- Sie orientieren sich also von der Netzwerk-Philosophie her am Großanwender der beispielsweise einen IBM-Mainframe-Computer hat?

Gewachsene Strukturen des Unternehmens müssen erhalten, die nicht unerheblichen Investitionen im EDV-Bereich geschützt werden. Wir wollen allerdings den Anwender mit DSN in die Lage versetzen, Netzwerke unterhalb der Zentrale in beliebigen Verbindungen zusammenzustellen und damit den betrieblichen Organisationsstrukturen anpassen zu können.

- Im Rahmen des Distributed Systems Network wurde bisher lediglich eine Software erzeugt die die HP-eigene Hardware zum Laufen bringt. Ist beabsichtigt, Verträglichkeit mit den bekanntesten internationalen Standard-Leitungsprozeduren wie HDLC oder SDLC aber auch mit der DFÜ-Hardware anderer Hersteller zu gewährleisten?

Wir haben bei der Konzipierung und Entwicklung von DSN darauf geachtet eine leichte Anpassung an später zu standardisierende Übertragungsverfahren und Prozeduren machen zu können.

- Können Sie das präzisieren?

Wir haben das Distributed Systems Network modular aufgebaut so daß wir sowohl elektrische Interfaces wie auch Softwareprozeduren dem jeweiligen Stand der Technik anpassen können, ohne das Benutzerinterface ändern zu müssen.

- Wie den meisten "traditionellen" Minicomputer-Herstellern haftet Hewlett Packard das Image des reinen OEM-Zulieferers an. Wollen Sie von diesem Image wegkommen und verstärkt in den kommerziellen Markt gehen?

Wir haben eigentlich weniger als andere Minicomputer-Hersteller das Image des OEM-Lieferanten, denn wir hatten von jeher einen verhältnismäßig starken Anteil unseres Geschäfts im Enduser-Bereich. Insbesondere im kommerziellen Systemfamilienbereich der 3000 verkaufen wir einen großen Teil unserer Anlagen direkt an die Endverbraucher, und es ist unsere Absicht, unsere Zielmärkte direkt zu beliefern, die Erstanwender jedoch durch Systemhäuser betreuen zu lassen.

- Wo sehen Sie diese Zielmärkte?

Ich sprach schon am Anfang über große Industrieunternehmen, über Fertigungsunternehmen, die für uns Zielmärkte sind. Diese Unternehmen haben oftmals genügend Erfahrung in ihren EDV- oder Stabsabteilungen, um unsere kommerziellen Systeme effizient zu verwenden. Außerdem gehören wir selbst zu dieser Art von Kunden, und wir glauben, daß unsere Erfahrungen - insbesondere auch mit der Eigenanwendung unserer Systeme und Netzwerke - unseren Kunden helfen können.

- Wo sind - geographisch gesehen - die wichtigsten europäischen Märkte für HP?

In der Hinsicht ist HP nicht anders orientiert als alle anderen Minicomputerhersteller. Für uns ist die Bundesrepublik der größte europäische Markt, gefolgt von Frankreich und England. Aber auch andere europäische Länder wie Italien und Holland sind gute Märkte für Hewlett-Packard-Produkte.

- Es wird behauptet, daß der deutsche Markt im Vergleich zum US-Markt konservativ sei und daß der deutsche Anwender in Sachen Distributed Processing eher zurückhaltend hantiere.

Es ist durchaus wahr, daß der deutsche Markt konservativer ist als der amerikanische. Aber ich bin der festen Überzeugung, daß sich auch in Deutschland bald eine Aufgeschlossenheit gegenüber neueren Techniken zeigen wird.

- Mit welchen Zuwachsraten im kommerziellen Bereich rechnet HP in den nächsten Jahren?

Es ist nicht unser erklärtes Ziel, eine bestimmte Wachstumsrate zu erzeugen. Wenn wir die Dinge richtig machen, sowohl von unseren Produkten her wie auch vom Marketing, dann werden wir das Wachstum automatisch bekommen.