Kommentar zum Kartellrecht

Die Strafen für Microsoft und Co. sind überzogen

16.09.2008
Von Florian  Hoffmann

Amerikaner kopieren den EU-Perfektionismus

Was von Ludwig Erhard und seinen Getreuen, insbesondere Franz Böhm, befürwortet und implementiert wurde und heute derartige Auswüchse zeigt, war und ist deshalb eine Art Fremdkörper in unserem Wirtschaftsleben. Das schlechte Gefühl, das wir dabei haben, ist Ausdruck eines Zusammenpralls der Kulturen. Dass ausgerechnet Microsoft betroffen ist, erschwert die Bereinigung der Situation: Bei dieser US-amerikanischen Firma ist das Denken in den Kategorien des Sherman Act "von Geburt an" gelernt. Argumente gegen den Sherman Act an sich haben firmenintern keinen Raum. Man wehrt sich gegen Maßnahmen, nicht gegen das Gesetz. Das weitere Pech von Microsoft ist, dass der Sherman Act in Brüssel mit deutscher Gründlichkeit zusammengetroffen ist. Die Brüsseler geben zu, sich in den letzten Jahren in ihrer Arbeit am deutschen Bundeskartellamt orientiert zu haben.

Aber selbst das ist noch nicht alles. Die amerikanischen Antitrust-Behörden beobachten den EU-Perfektionismus mit großem Interesse und kopieren ihrerseits die harte Vorgehensweise der EU-Kommission. Microsoft wird deshalb in den letzten Jahren in den USA schärfer unter die Lupe genommen als je zuvor.

Bußgelder sind Teil von Behördenbudgets

Ein Kernproblem besteht darin, dass Microsoft an die EU-Kommission mittlerweile in drei unterschiedlichen Teilbeträgen Bußgelder für angebliches Fehlverhalten in Höhe von insgesamt zirka 1,7 Milliarden (!) Euro gezahlt hat. Bei der Festsetzung von Bußen in dieser Größenordnung kann es sich aber nicht mehr um kleinere Verfehlungen handeln, das heißt, bei diesen Höhen konvertiert die Buße zur Strafe, zur recht markanten Strafe, die nur für Vergehen oder Verbrechen gerechtfertigt wäre (In Deutschland beträgt die gegen Firmen verhängbare Höchstbuße für Ordnungswidrigkeiten eine Million Euro). "Strafen" können jedoch nur Strafrichter in regulären Strafverfahren, nicht Behörden. Im Grunde müsste erst ein neues "Firmenstrafrecht" erfunden werden. Das verlangen die im Grundgesetz verankerten Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltenteilung. Die Bußen des Wettbewerbsrechts werden jedoch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren (in Deutschland nur formal beim OLG angesiedelt) verhandelt, die keine "Waffengleichheit" kennen, wie sie das Strafverfahrensrecht vorschreibt. In derlei Verfahren wird lediglich der Sachverhalt und das Behördenhandeln auf Rechtmäßigkeit hin überprüft. Für Millionenstrafen der genannten Größenordnung reicht eine verwaltungsgerichtliche Verhandlung nicht aus.