Mobile World Congress 2017

Die IoT-Technik ist da - aber die Phantasie zur Lösung?

02.03.2017
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
IoT war eines der zentralen Themen des Mobile World Congress. Egal ob Connectivity, Security oder Implementierung - offene Fragen in Sachen IoT gab es auf der Messe eigentlich nicht mehr.

Was hat Gaudis Basilika Sagrada Familia mit dem Mobile World Congress zu tun? Auf den ersten Blick nichts, auf den zweiten sehr viel. Denn die Sagrada Familia ist ein real live use case für IoT und Big Data. Mit Hilfe dieser Technologien will die Stadt die Besucherströme - alleine 2016 besuchten rund 4,5 Millionen Menschen das unvollendete Bauwerk - lokalisieren und kanalisieren. Auf diese Weise will etwa die Anfahrt der Touristenbusse optimieren oder Abfahrtszeiten des öffentlichen Nahverkehrs optimieren. Gefördert wurde das Projekt im Rahmen des Programms "Mobile World Capital", das Barcelona als Veranstalter des Mobile World Congress (MWC) von der GSMA erhält.

Mit IoT und Big Data lenkt Barcelona die Besucherströme rings um die Sagrada Familia.
Mit IoT und Big Data lenkt Barcelona die Besucherströme rings um die Sagrada Familia.

Betrachtet man das Projekt im Detail, so hat es wenig mit Raketenwissenschaft zu tun. Zum Einsatz kommt etwa altbekannte Technologie: Neun WLAN-Sensoren, drei 3D-Kameras und ein GSM-Sensor. Die Faszination des Projekts liegt vielmehr darin, wie aus vorhandenen Daten im IoT-Zeitalter neue Informationen entstehen - also aus dem unergründlichen Datensee Smart Data wird. Etwa indem der GSM-Sensor genutzt wird, um die Nationalität der Benutzer zu erkennen. Schließlich bucht sich jedes Handy mit seiner Nummer inklusive Ländervorwahl in die Mobilfunkzellen ein.

Dies macht denn vielleicht auch die größte Faszination der IoT use cases auf dem Mobile World Congress aus: Das Verknüpfen bereits bekannter und vorhandener Technologien zu neuen Lösungen. Oder wie es Telekom-Technik-Vorstand Claudia Nemat formulierte: "combining fantasy and reality in realtime." Der Faszination der IoT-Welt konnte sich auch der spanische König auf seinem Messerundgang nicht entziehen und hielt sich in der Innovation City besonders lange auf, um sich über die neusten Trends zu informieren. Die GSMA Innovation City war der Publikumsmagnet des diesjährigen MWC in Sachen IoT, Hier gab es die meisten Showcases in Sachen IoT zu sehen.

IoT in der Rikscha

Dabei erschienen manche Lösungen für den Besucher aus der ersten Welt sicherlich abstrus. Auf der anderen Seite ist es wiederum ein Beleg für das Potenzial von IoT - und dass nicht die Technik, sondern die Idee für ein neues Business-Modell entscheidend ist. Etwa wenn in Afrika IoT dazu genutzt wird, um per Mobile Payment das Gas zum Kochen on demand per use freizuschalten. Oder wenn in Indien die Rikscha per eCall mit Mobilfunk ausgerüstet wird und so für alle möglichen anderen Anwendungen zur Verfügung stellen.

Lebensretter IoT

Eine interessante Idee in Sachen IoT hatte man auch bei Korean Telecom (KT). Die Asiaten packten Sensoren etwa in Funktionskleidung für Bergsteiger, Skifahren, sowie in professionelle Rettungswesten für die Seefahrt. Im Unglücksfall können die Sensoren dann die Position des Verunglückten per NB-IoT melden. Zur Suche, gerade bei widrigen Wetterverhältnissen, setzt KT dann auf Connected Drones. Ein Thema an dem auch Huawei mit Partnern arbeitet. Denn während hierzulande das Thema Connected Drones noch an regulatorischen Vorgaben scheitert, ist es in Asien ein heißes Thema und die unterschiedlichsten Business Cases werden diskutiert.

IoT im Connected Car

Des Weiteren zeigte Huawei in seinem X-Lab per Virtual Reality, wie sich das Autonome Fahren der Zukunft anfühlt, wenn die Fahrzeuge per 5G über Überholvorgänge kommunizieren. Allerdings arbeitet Huawei nicht alleine daran, sondern im Rahmen der 5GAA Automotive Association mit Partnern wie Audi, BMW, Mercedes, Ericsson, Intel oder Nokia.

Apropos Automobil: Mittlerweile finden immer mehr Autohersteller, egal ob BMW, Mercedes, Seat etc. den Weg auf den MWC, um hier ihre Connected-Car-Lösungen zu präsentieren. Connected Car stand auch im Mittelpunkt des AT&T-Messeauftritts. Am Beispiel Red Bull Racing zeigte der Carrier die Bedeutung des schnellen und reibungslosen Datenaustausches im Rennsport. Ein andere Use Case seitens AT&T ist das moderne LKW-Flotten-Management mittels IoT-Technik. Autohersteller Seat zeigte gleich eine ganze Palette an neuen Services rund um das vernetzte Auto, von Parkdiensten bis zu Werkstatt-Services.

Funktechnologien für IoT

In Sachen Connectivity, hierzulande auch gerne als einer der bremsenden Faktoren bezeichnet, zeichnete der MWC ein klares Zukunftsszenario: IoT-Echtzeitanwendungen, die auf garantierte Latenzzeiten und hohe Bandbreiten angewiesen sind, ist 5G die Mobilfunktechnologie der Zukunft. Mit LTE CAT-M und NarrowBand-IoT (NB-IoT) stehen jetzt zudem Funktechnologien zur Verfügung, die auch entfernte Devices in einer Tiefgarage oder einem Keller erreichen.

Dabei benötigt die neue Technik so wenig Energie, dass die Batterien bis zu zehn Jahre halten sollen. Die Ausstattung entsprechender Devices mit dieser Technik soll keine zehn Dollar kosten. Weshalb denn auch in vielen Ländern Smartmeter für Strom und Wasser zu den heißen Trendthemen zählen. Lediglich in Deutschland floppt das Thema Smartmeter, weil - wie auf dem MWC hinter vorgehaltener Hand zu hören war - eine Installation aufgrund der BSI-Vorgaben zu teuer sei.

IoT im Gebäude-Management. Im Brandfall werden etwa Lichter und Aufzüge vom Alarmmelder
IoT im Gebäude-Management. Im Brandfall werden etwa Lichter und Aufzüge vom Alarmmelder

IoT selbst realisieren

Kommunikationsexpertise bei der Realisierung eines eigenen IoT-Projektes ist zwar nicht hinderlich - aber sie ist auch nicht mehr erforderlich, so die Botschaft auf dem MWC. Egal ob Sierra-Wireless oder Huawei etc. - Plug an Play heißt das Gebot der Stunde. Viele Anbieter legen ihre eigenen APIs mittlerweile offen, so dass die Funktionen in andere IoT-Plattformen integriert werden können. Ferner können die IOT-Module häufig über die Cloud-Plattform des entsprechenden Anbieters gemanagt werden - in Eigenregie oder as a Service als Dienstleistung. Noch einen Schritt weiter geht Dell-Tochter VMware mit ihrer Plattform Project Ice. Wie bei ihren anderen Produkten will die Company die Hardware gegenüber dem User vollkommen abstrahieren. Gleichzeitig versucht man mit Project Ice den Spagat zwischen IT und OT des Shopfloors zu bewältigen. Die IT soll die Informationen zu Steuerung des Netzbetriebes erhalten, während die OT die entsprechenden Informationen über Industriegeräte wie Roboter erhält.

Dell versucht mit Project Ice die IoT-Hardware für den User zu abstrahieren.
Dell versucht mit Project Ice die IoT-Hardware für den User zu abstrahieren.

Angesichts obiger Beispiele gibt es eigentlichen keinen Grund mehr, vor IoT-Projekten zurückzuschrecken. Selbst das gerne als Killer-Argument ins Feld geführte Thema Security sticht nicht mehr. Für diese Herausforderung existieren mittlerweile unterschiedliche Lösungen.

NXP setzt in Sachen IoT-Security - auch beim Connected Car - auf Secure Elements.
NXP setzt in Sachen IoT-Security - auch beim Connected Car - auf Secure Elements.

Zwei Ansätze zur IoT-Sicherheit

Allerdings greifen die alten Security-Paradigmen der IT hierbei nicht mehr. Das alte Credo des "Perimeter Building", so waren sich fast alle Experten auf dem MWC einig, kann in einer Welt mit Millionen oder Milliarden vernetzten Devices - egal ob Sensoren, Roboter oder gar Connected Cars - keine Sicherheit mehr gewährleisten. Ein Patentrezept für eine Security-Strategie im IoT-Zeitalter gibt es allerdings auch nicht. Derzeit scheint die Branche in zwei Lager gespalten zu sein:

- Die einen befürworten eine Security by Design, die bereits bei der Entwicklung des Endgerätes ansetzt, Dabei erlebt etwa das Secure Element, über das vor drei bis vier Jahren im Zusammenhang mit Mobile Payment viel diskutiert wurde, ein Revival.

- Die anderen setzen dagegen auf einen netzzentrischen Ansatz, da sie die These vertreten, es sei unmöglich Milliarden von IoT-Devices sicher zu bauen. Sie wollen verdächtige Verkehrsmuster im Netz erkennen und so Sicherheitsbedrohungen aufspüren.