Beispiele aus der Praxis

Die Industrie hat EDI als Standard längst akzeptiert

23.10.1992

Seit einigen Jahren versuchen immer mehr Unternehmen, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Electronic Data Interchange (EDI) zu erhöhen. Frantiséc Bumba* zeigt an einer ganzen Reihe von Beispielen, wie sich das DV-gestützte Verfahren für Dokumentenaustausch über erste Projekte bis hin zum Großeinsatz nach und nach einen Wirtschaftsbereich nach dem andern erobert.

Die Resultate der EDI-Einführung waren in Deutschland bisher eher bescheiden, wobei sich die erfolgreichsten Projekte zudem nicht auf die internationale Normierung, sondern auf nationale Branchenstandards stützen. Dennoch ist damit zu rechnen, daß die Bedeutung von EDI steil anwachsen wird. Dieser Standard spielt eine zentrale Rolle bei der anstehenden Umstrukturierung der Wirtschaft von der Massenproduktion in eine Industrie mit Lean Production, Just-in-Time-Logistiken sowie einem ausgefeilten Time-Based-Management.

Der ökonomische Erfolg der EDI-Einführung ist um so durchschlagender, je mehr sie sich an der internationalen Normierung orientiert. Diese Standardisierung schützt die Investitionen in den einzelnen EDI-Bereichen und stellt sicher, daß die darauf basierenden Produkte unverändert für unterschiedliche Aufgabenstellungen herangezogen werden können.

EDI-Aufgaben aus Sicht der Anwender

Viele Unternehmen kommunizieren heute über EDI-Schnittstellen mit ihren Geschäftspartnern (vgl. Abbildung 1). Typische Einsatzgebiete sind dabei:

- Auftragsabwicklung als Schnittstelle zu den Kunden,

- Materialwirtschaft als Verbindung zum Lieferanten,

- Anbindung an Spediteure und Frachtführer im Versand sowie

- Verwaltung mit Datenaustausch zu Banken, Versicherungen, Behörden etc.

Der Einsatz von EDI an diesen Schnittstellen zur Außenwelt hat sich - sofern die Technik überhaupt angewendet wird - langsam im Laufe der Jahre herausgebildet. Die Initiative ging dabei von unterschiedlichen Branchen aus, was zu einer ebenso differenzierten Gestaltung der einzelnen Schnittstellen führte.

Die zwei bekanntesten EDI-Projekte in Deutschland betreffen die Konsumgüterindustrie und den Verband der deutschen Automobilindustrie VDA. Die Implementationen laufen in beiden Bereichen seit mehreren Jahren. Sie wurden zu einem Zeitpunkt geplant, als der EDI zugrunde liegende Standard Edifact noch nicht festgelegt war und konnten diesen daher nicht berücksichtigen. Jedes Unternehmen stützte sich daher bei der Einführung auf brancheninterne Vereinbarungen.

Das Projekt der Konsumgüterindustrie wurde von der Centrale für Coorganisation (CCG) betreut und hat bis heute zirka 600 Anwender gewonnen, deren Anschlüsse allerdings die unterschiedlichsten Technologiestände widerspiegeln. Die Kommunikation wurde zuerst durch den Austausch von Datenträgern realisiert und bezog sich lediglich auf die Regulierung.

Für den erweiterten Datenaustausch stehen inzwischen die sogenannten Sedas-Datensätze für das Bestellwesen zur Verfügung. Das System begann mit dem von General Electric Information Services als Mehrwertprodukt (Value Added Network VAN) angebotenen EDI- und E-Mail-Netz Mark III. Inzwischen ist aber auch die IBM mit "Connect" im Geschäft.

Beide Unternehmen haben meiner Einschätzung nach auch weiterhin gute Chancen als Anbieter von Mehrwertnetzen, wenngleich nicht auszuschließen ist, daß auch andere Dienste an Bedeutung gewinnen werden, wie zum Beispiel Point-to-Point-Verfahren über Datex-P bei sehr intensiven Datenbeziehungen. Außerdem ist langfristig davon auszugehen, daß der europaweite Edifact-Subset Eancom die Sedas-Datensätze ersetzt.

In der Konsumgüterindustrie folgt der EDI-Einsatz dem Hub-und-Spoke-Modell. Der Datenaustausch wird also über eine zentrale Mailbox (Hub) abgewickelt, wobei die einzelnen Partner (Spokes) ihre Daten in die Mailbox schicken oder sie dort abrufen.

Eine abweichende Architektur verwenden die Automobilhersteller unter dem VDA-Dach mit Point-to-Point-Systemen. Hier beziehen sich die für diese Branche spezifischen Nachrichten auf unterschiedliche Geschäftsvorgänge vom Lieferabruf bis zum Speditionsauftrag. Der VDA hat heute neben den Automobilwerken zirka 1000 bis 2000 unterschiedliche Zulieferbetriebe angeschlossen. Zur Datenübertragung setzt die Organisation ein eigenes Protokoll auf der Basis von BSC3780 ein. Der Datenaustausch erfolgt über Fernsprechleitung oder Datex-L.

In Zukunft soll dieses System im europaweiten Edi-Projekt Odette aufgehen, das wiederum von derzeitigen Odette-Nachrichten über die künftige Verwendung von Edifact-Syntax in das Nachrichtenformat von Edifact-Nachrichten überführt wird.

Zur Dateiübertragung dient das Odette-File-Transfer-Protokoll (Ofip), das voraussichtlich durch das File-Transfer-Access-Management (FTAM) ersetzt wird. Odette benutzt schon heute als Basisleitung die X.25-Datennetze, die hierzulande unter dem Begriff Datex-P bekannt sind.

Das erste größere Edifact-Projekt für die Kommunikation zwischen Lieferanten und Kunden ist das Projekt der Sanitärwirtschaft. Die rund 50 Hersteller und 800 Großhändler wollen die Nachrichten zur Auftragsabwicklung ausgetauscht werden, beginnend mit Bestellung und Bestellbestätigung. Gegenwärtighinken lediglich ein Dutzend Anwender hinterher, die bisher nicht über das Stadium des Pilotbetriebes hinausgekommen sind.

In diesem Projekt werden die Nachrichten als Edifact-Subsets über Telebox 400 der Deutschen Bundespost übermittelt. Auch direkte Verbindung über Datex-P ist vorgesehen. Damit ist die Struktur des Projektes weitgehend normkonform.

In einer zweiten Stufe, deren Realisierung allerdings noch nicht ganz sicher ist, sollen auch die Handwerksbetriebe mit dem Großhandel verbunden werden. In diesem Bereich werden bisher sogenannte Datanorm-Informationen verwandt, die nicht den Edifact Festlegungen entsprechen. Die Umstellung auf den Standard würde potentiell etwa 150 000 Handwerksbetriebe betreffen. Als Tendenz ist erkennbar, daß den Großhändlern Daten von den Handwerksbetrieben nicht per Filetransfer, sondern über Fernsprechleitung oder über Datex-P übermittelt werden. Dort soll sich das Unternehmen dann durch Emulation in die Anwendung des Großhändlers einloggen.

Elfe und Cefic noch in der Planung

Noch im Planungsstadium befinden sich EDI-Projekte für Telefonrechnungen (Elfe), für die chemische Industrie (Cefic), die Elektro-Branche (Edifice) und die Stahlproduzenten (Edifer). Alle diese Projekte wollen sich erklärtermaßen auf die Edifact und OSI-Normen sowie auf das X.400-Protokoll stützen. Über erste Tests sind diese Projekte jedoch bis jetzt nicht hinausgekommen .

Die Schlüsselposition in der Transportkette hat der Spediteur inne. Er nimmt die Aufträge vom Versender entgegen, stellt die Ladungen zusammen, beauftragt die Frachtführer, rechnet mit Auftraggeber und Frachtführer ab und verfolgt logistisch die einzelnen Sendungen. Diese Tätigkeiten machen ihn zu einer natürlichen Drehscheibe der Information in der Transportkette.

Der Spediteur tauscht die transportbegleitende Information mit Partnern unterschiedlicher Branchen aus, die ihrerseits ihren EDI-Vereinbarungen unterliegen. Daher hat der Spediteur mit der Mannigfaltigkeit unterschiedlicher EDI-Systeme zu tun. Man könnte erwarten,

daß er deshalb ein besonderes Interesse haben müßte, EDI nach allgemein gültigen, einheitlichen und internationalen Normen abzuwickeln.

Um so mehr überrascht es, daß die Spediteure bisher im EDI-Geschehen eher eine passive Rolle eingenommen haben. Sie neigen nach wie vor dazu, sich den unterschiedlichen EDI-Systemen ihrer Kunden anzupassen und nehmen in Kauf, daß sie entweder nur mit einem beschränkten Kundenkreis Daten austauschen können oder mehrere unterschiedliche EDI- Systeme unterstützen müssen.

Der Grund für diese passive Haltung liegt in der üblicherweise wirtschaftlich schwächeren Position gegenüber dem starken Versender. Spediteure versuchen einem scheinbar drohenden Konflikt durch vorauseilende Anpassungsbereitschaft zu entgehen.

Es gibt allerdings Ausnahmen bei einigen kleinen Gruppen von Spediteuren, die sich in einem räumlich begrenzten Umfeld eine isolierte EDI-Insellösung aufgebaut haben. Dazu gehört beispielsweise die IDS-Gruppe, die für ihre auf dem Dalog-System von der französischen gsi basierenden Austauschdatensätze eine Vereinbarung mit der VDA getroffen hat.

Etwas mehr Bedeutung könnten Hub-bezogene Systeme bekommen, in denen ein Hafen oder ein starker Carrier eine zentrale Rolle bei der Kommunikation spielt. Als Beispiele gelten Dakosy in Hamburg, DBH in Bremen, EDI * FRA in Frankfurt sowie EDI * DUS, EDI * CGN und Teleport. In diese Kategorie gehört auch das EDI-System Traxon.

Die Ausrichtung an Normen ist bei diesen Beispielen allerdings sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die Formate von Dakosy und DBH sind kaum standardisiert, Traxon verwendet eine Mischung aus Edifact und Cargo-IMP, während EDI * FRA die größtmögliche Anwendung der internationalen Standards anstrebt. Es ist zu erwarten, daß alle diese Projekte schrittweise auf Edifact-Datenformate umsteigen. Der Grund für die bisherige Zurückhaltung liegt darin, daß es außer der Festlegung auf das Format der IFTMFR-Nachricht keine Standards gab.

Diese Situation hat sich Ende Mai 1992 durch die Fixierung der Speditionsaufträge in Edifact geändert. Jetzt bleibt abzuwarten, wie schnell sich diese Norm durchsetzt und ob sie die notwendigen Ergänzungen durch Nachrichten- und Statusformat erhält.

Für später geplante Projekte wie zum Beispiel Euro-Log und EDI * TSL (eine Eigeninitiative des Verbandes der Kraftwagenspediteure VKS) werden sich die Verantwortlichen mehr und mehr den internationalen Standards zuwenden und dadurch den Normierungsprozeß stärken.

Seit den 80er Jahren: EDI In der Zollverwaltung

In der Zollverwaltung ist seit Anfang der 80er Jahre das Alfa-System in Betrieb, das ursprünglich für die Luftfracht entwickelt wurde. Es arbeitet in zwei Stufen, wobei es in der ersten die eingeflogenen Waren registriert. In der zweiten Stufe folgt die eigentliche Verzollung.

In beiden Fällen werden die Alfa-Datensätze mit Hilfe des proprietären Siemens-Protokolls MSV über Standleitung, Datex-L oder Datex-P übermittelt. Auch hier ist geplant, das System auf Edifact und X.400 umzustellen, da sich diese Kombination aus Standards bei den Zollverwaltungen in Europa durchzusetzen scheint. Als Vorbild können neben dem schweizerischen Zoll eine Reihe der anderen europäischen Schwesterbehörden dienen.

Außerdem wird Alfa derzeit unter der Bezeichnung Douane auf Land- und See-Transporte ausgeweitet. Vorleistungen bestehen im Exportbereich bereits seit April 91 durch Kobra (Kontrolle bei der Ausfuhr). Der exportierende Spediteur legt eine Ausfuhrerklärung in Form des Einheitspapiers vor, das gegenwärtig noch über Belegleser in Kobra eingespeichert wird. Die Umstellung auf Edifact ist ebenso vorgesehen wie der Filetransfer der Daten des Einheitspapiers zum Zoll über die Telebox 400 der Telekom.

Datenaustausch im Electronic Banking

Unter Electronic Banking wird vornehmlich der Datenaustausch zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs verstanden. Hierbei lassen sich die Bereiche "Bank-Kunde" und "Interbank" (Datenaustausch zwischen den Banken) unterscheiden. Insbesondere beim Interbank

- Datenverkehr ließen sich hierzulande wesentliche Fortschritte erzielen (vgl. Abbildung 2).

Im Rahmen des Projektes "Elektronische Öffnung" der Bundesbank wurden technische und organisatorische Vorbereitungen abgeschlossen, die den Datenaustausch zwischen den elf Landeszentralbanken und ihren 211 Zweigstellen ermöglichen. Unter dem Begriff Elektronische Abrechnung per File Transfer (EAF) werden Daten im sogenannten DTA-Format (DTA = Datenträgeraustausch) übermittelt.

An das EAF-Projekt knüpft das EAS-Projekt für elektronische Schalter an, das den Anschluß von Instituten oder aber auch Industriekunden an das gesamte System erlaubt. Zwar werden bei individuellen Überweisungen im Inland nach wie vor die DTA-Formate herangezogen, für den Auslandszahlungsverkehr gelten aber die Swift-Formate.

Edifact gilt auch in diesem Bereich als das künftige Standardformat. Derzeit ist jedoch noch nicht einmal die Vorbereitung der Ablösung der DTA- und Swift-Datenformate durch Edifact abgeschlossen. Als größtes Hindernis hat sich die Notwendigkeit herausgestellt, die bestehenden internen Bankanwendungen anzupassen.

Die Edifact-Nachrichten sind umfangreicher als die bestehenden Datenformate und die Datenelemente von Edifact länger als die alten Datenfelder. Es läßt sich noch nicht absehen, wie dieser Widerspruch aufgehoben wird. Möglicherweise lassen sich die Edifact-Definitionen zumindest in Deutschland in ein vorläufiges Subset umgewandeln, das den alten Datendefinitionen entspricht.

Auf diese Weise ließe sich Zeit gewinnen, die Anwendungen sukzessive auf die vollständigen Edifact-Definitionen umzustellen.

Ein weiteres Projekt der elektronischen Öffnung ist das Kontoinformationssystem EKI, das 1992 auf der Basis der Swift-Formate beginnen soll und an dem die EAF- und EAS-Kunden teilnehmen können. Ferner ist geplant, den Massenzahlungsverkehr auf DTA-Basis sowie den Informationsaustausch in noch nicht definierter Art und Weise zu realisieren.

Die Verbindungen von Kreditinstituten und Kunden zu den bestehenden Banksystemen sollen auf OSI-Basis erfolgen, namentlich mit X.400 für Electronic Mail und FTAM für den Filetransfer.

Hinsichtlich der Bedeutung von Electronic Banking und der Verbreitung solcher Systeme liegt hier ein wesentliches Potential zur Förderung von EDI vor. In diesem Jahr wurden deutschlandweit rund 6 Milliarden Zahlungstransaktionen abgewickelt, außerdem verfügt in Kürze voraussichtlich nahezu jede Firma über einen Anschluß an das Banksystem.

Zwar sind inzwischen eine Reihe von Fortschritten beim Electronic-Banking zu konstatieren, solange jedoch die oben genannten organisatorischen Probleme nicht gelöst werden, ist leider damit zu rechnen, daß ihre Anwendung vorläufig blockiert bleibt.

EDI-Software ist auf dem Vormarsch

In Sachen EDI hat das Produktspektrum in Deutschland in letzter Zeit zweifellos stark zugenommen. Die Zahl der Anbieter von Software für den Austausch elektronischer Handelsdaten stieg aufgrund des Durchbruchs von EDI-Anwendungen in der Praxis stark an und wird sicher auch weiterhin wachsen. Erfreulich ist dabei, daß die meisten Produkte nicht nur branchenspezifisch gestrickte EDI-Lösungen wie VDA, Sedas, Odette, etc., sondern auch die Edifact-Spezifikationen unterstützen. Wie es scheint, legen die Produzenten außerdem viel Wert auf Sicherheit. Die meisten haben einen Paßwortschutzmechanismus in ihr Produkt integriert, einige sogar die elektronische Unterschrift. In puncto Plattformen deckt das Angebot alle am Markt gängigen Standards ab, wobei natürlich DOS dominiert, aber auch der hohe Anteil an Unix-Produkten überrascht.