Die IBM ist nicht Nixdorf

20.05.1983

Das Jahresergebnis 1982 der IBM Deutschland GmbH ist mit Vorsicht zu beurteilen. Es mag schon sein, daß die Mitglieder der Geschäftsführung des Stuttgarter Computerriesen mit der Entwicklung zufrieden sind, wie Bösenberg-Nachfolger Lothar F. W. Sparberg auf seiner ersten Bilanz-Pressekonferenz als Primus sagte (siehe auch Seite 1). Wie üblich, kennen wir aber die Teilergebnisse nach Produktbereichen nicht. Bei Großsystemen, so sagt Sparberg, sei es hervorragend gelaufen. Ist das so neu? IBM-Kenner wissen, daß das Geschäft mit Dickmaschinen wie der 308X die dicksten Gewinne abwirft.

Es wäre ja denkbar, daß die übrigen Produktgruppen weit weniger gut abgeschnitten haben, und es wäre sicherlich lohnend, dem nachzugehen. Die CW-Frage nach dem Status einer "Rest-IBM", die, nach Abzug der Großsysteme, von der Produktpalette her mit Nixdorf vergleichbar wäre, mochte Sparberg indes nicht beantworten. Die IBM ist nicht Nixdorf und sicher stimmt, daß sich viele IBM-Konkurrenten, wenn es um wirtschaftliche Fakten geht, zugeknöpfter geben als ein KuK-Oberkellner. Zu IBM mag eine derartige Informationspolitik nicht passen. Man wüßte schon gerne, wie sich für das Sparberg-Haus die Stückerlöse bei Personal Computern (PC), Bürosystemen (sprich: Schreibmaschinen), Peripheriegeräten sowie kleinen und mittleren Systemen (/23, /34, /38) rechnen. Daß sich durch die neue kundenorientierte Geschäftsstellenordnung die Vertriebsleistung, wie Sparberg sagt, verbessert habe, ziehen nicht nur IBM-Insider in Zweifel. Das Quotensystem zwingt den IBM-VB ja geradezu, nach Maschinengröße zu verkaufen, getreu dem Motto: Jumbos first.

Ganz wohl scheint den IBM-Verantwortlichen denn auch nicht gewesen zu sein, die Vertriebsproblematik anzusprechen. Das Thema ist leidig: Mit Heinz Schuma hat nach Bernhard P. Sauer, Wilhelm Jägers und Dr. Georg Lotz ein weiterer Mann aus dem High-Management-Potential der Stuttgarter die Litzen mit den drei Großbuchstaben abgelegt. Bloß Zufall? Einige IBM-Verkäufer mögen daran nicht glauben.

Gänzlich ohne Spekulationen kann man ein anderes Ergebnis betrachten: Das Mietgeschäft der IBM Deutschland GmbH stagniert, der Zuwachs kommt allein aus dem Kaufgeschäft. Fraglich bleibt allerdings ein nicht unwesentlicher Punkt, ob nämlich diese Zunahme aus Neugeschäften resultiert oder durch Umwandlung von Miete in Kauf bei IBM-Kunden erzielt wurde. Auch hier bleibt Sparberg die Auskunft schuldig. Es wurde lediglich betont, daß IBM den Verkaufsanteil erhöhen will, daß aber auch der Markt zunehmend zum Kauf tendiere. Wem fällt dazu nicht ein, daß der Erfinder des "Marketing by Miete" 1957 durch Gerichtsbeschluß verpflichtet wurde, seine Maschinen auch zu verkaufen. Es gibt nicht wenige DV-Historiker, die sagen, die Raten-Idee habe die IBM erst groß gemacht. Für die Miete wurde doch mit dem Argument "schneller technischer Wandel" geworben, daß eben das Innovationstempo in der Computerindustrie sehr hoch sei und Kauf binde. Die IBM wird nicht sagen wollen, daß sich bei ihr auf technologischem Gebiet nichts mehr tue. Im Gegenteil: Neue Maschinengenerationen sollen nicht mehr solange leben wie frühere. Aber der Kunde soll gefälligst kaufen. Die IBM braucht Geld, um Wachstum zu finanzieren. Doch noch einmal zum Bilanzaspekt: Für 1982 reichte der Zuwachs im Kaufgeschäft noch aus, einen hübschen Positivsaldo auszuweisen. Aber wenn nun die Kunden 1984 partout nicht kaufen, sondern mieten wollen? Das Jahresergebnis 1982 der IBM Deutschland GmbH ist mit Vorsicht zu beurteilen.