Die Grenzen werden durchlässig

09.03.2007
CEOs mit IT-Hintergrund haben den Brückenschlag zwischen IT und Business längst geschafft.

Ende 2004 wurde Arno von der Eltz von der computerwoche zu einem der zehn besten CIOs des Jahres gekürt. Wenige Tage darauf war er bereits "Ex"-IT-Vorstand der Wacker-Chemie und frisch gebackener Geschäftsführer des Unternehmensbereichs Polymers. Vor zwei Jahren noch als Einzelfall bestaunt, sind solche Karrieren heute beinahe Normalität.

Hier lesen Sie ...

• warum zwischen IT und Business Entspannung angesagt ist;

• was das für die Karriere des CIO bedeutet;

• welche Voraussetzungen er mitbringen muss, um davon zu profitieren.

"Das Geschäft bemüht sich verstärkt um die CIOs", bestätigt Hermann-Josef Lamberti, Chief Operating Officer (COO) der Deutschen Bank: "Die Karrierepfade eines heutigen CIO enden eindeutig nicht an den Grenzen der IT-Abteilung." Lamberti selbst liefert ein gutes Beispiel für diese These: Ehemals CIO des Finanzdienstleisters, wurde er 2002 zum COO befördert, und in dieser Eigenschaft zeichnet er für das weltweite Kosten- und Ressourcen-Management verantwortlich.

Von der unternehmensweiten CIO-Position auf den Chefsessel einer Business-Division wechselte auch Adrian Bult. Er lenkt heute die Geschicke der Swisscom Mobile. Seine Sicht auf die Informationstechnik habe sich dadurch nicht verändert, beteuert er: "Die IT im weiteren Sinn ist dafür da, die Unternehmensziele zu unterstützen. Diese Ansicht habe ich damals vertreten, und dieser Überzeugung bin ich noch heute."

Gleichzeitig stellt Bult in Sachen IT auch Anforderungen an den CEO: "Er muss sich mit der Informatik auskennen; diese Aufgabe kann er nicht delegieren." Der Unternehmenschef habe also die Pflicht, sich aktiv mit dem Thema IT auseinanderzusetzen: "Ein CEO, der sich nur mit Business-Themen beschäftigt, springt zu kurz."

Was der CEO vom CIO erwartet

Auf der anderen Seite trägt der CIO aber eine Mitverantwortung dafür, dass der CEO versteht, was er tut, stellt Bult klar: "Wenn er das versäumt, ist die Unzufriedenheit auf der Business-Seite die Folge." Und die münde häufig in den Ruf nach Auslagerung der IT. "Outsourcing wird oft mit Kosteneinsparungen begründet, aber die eigentliche Ursache ist meist mangelndes Vertrauen des CEO in den CIO", so die Überzeugung des Swisscom-Mobile-Lenkers: "Ein Chef, der seinem CIO vertraut, weiß, dass dieser von selbst käme, wenn er Einsparungspotenzial durch Outsourcing sähe."

Ein guter Weg, das Vertrauen des CEO zu gewinnen, wäre es demnach, selbständig kleinere Bereiche zu identifizieren, die sich für die Auslagerung eignen. "Und wenn der CIO geschickt ist, wird er dafür ein Thema finden, das weit vom Kerngeschäft entfernt ist", bestätigt Bult.

Die erste Pflicht: Transparenz

Für die Deutsche Bank ist dieses Thema längst abgehakt. Sie hat schon vor Jahren große Teile ihrer IT-Operationen an die IBM ausgelagert. Aus Lambertis Sicht hat die IT "ganz klar eine Servicefunktion". Deshalb müsse sie ihre Leistungen transparent machen und sich dem Marktvergleich stellen. Damit ist auch Bult einverstanden: "Der CIO muss die Informatik wie ein Business führen, also konkrete Zahlen auf den Tisch legen." Doch aus der gelieferten Transparenz haben Deutsche Bank und Swisscom unterschiedliche Konsequenzen gezogen: Während der Telekommunikationskonzern seine IT größtenteils in Eigenregie betreibt, hat der Finanzriese entschieden, dass ein externer Dienstleister die Leistung preisgünstiger erbringt, indem er fixe in flexible Kosten umwandelt.

Hierbei darf sich der CIO in Lambertis Diktion nicht auf die Rolle des "Maschinisten" zurückziehen, sondern er braucht auch die Qualifikation eines "Steuermanns". Was er darunter versteht, formuliert der Deutsche-Bank-COO folgendermaßen: "Der CIO muss strategisch denken und kaufmännisch handeln, beispielsweise wenn es um das Management von Outsourcing-Verträgen geht." Dabei orientiere er sich jedoch an den Vorgaben des Geschäfts - auch wenn seine Vorschläge zu dessen Verbesserung selbstverständlich willkommen und sogar erwünscht seien.

Bult sieht den Informatik-Chef in einer aktiveren Rolle: "Er muss von sich aus mit Vorschlägen für Innovationen und Einsparungen oder mit neuen Produkten kommen." Keineswegs könne er sich auf den Standpunkt stellen, das Business müsse zunächst einmal seine Ziele nennen, damit er sie unterstützen könne: "Das ist die falsche Optik."

Das soll nicht bedeuten, dass ein CIO bei Swisscom Mobile ohne Weisungen agieren könnte: "Ich gebe ihm selbstverständlich Kostenziele vor", berichtet Bult, "und dann ist er mit laufend steigenden Anforderungen konfrontiert. Ich erwarte aber von ihm, dass er mit mir diskutiert, unter welchen Umständen er die Anforderungen erfüllen kann." Dabei sei häufig sei ein "Trade-off gegen die Effizienzziele" nötig.

Ein derart konstruktives Verhältnis zwischen CEO und CIO hat sich noch nicht überall etabliert, das weiß auch Bult: "Es gibt CEOs, für die die Informatik ein Buch mit sieben Siegeln ist - und deshalb ein Gräuel. In deren Unternehmen hängt die Informatik oft beim Finanzchef, und sie wird nur aus Kostengesichtspunkten betrachtet." Auf der anderen Seite existierten auch noch CIOs, "die verliebt in die Technik sind und nichts vom Business verstehen".

Kein USP ohne den CIO

Aber diese Spezies stirbt langsam aus - hüben wie drüben. Dass die IT in den meisten Branchen wettbewerbsentscheidend ist, bestreitet heute niemand mehr. "Wir haben drei USPs. Wir nennen sie Best Service, Best Product und Best Net", erläutert Bult: "Wir können hier kein Thema lancieren, ohne dass der CIO einen Beitrag dazu leistet."

Zudem bestehe heute das Geschäft vieler Unternehmen zu einem großen Teil aus IT, ergänzt Lamberti: "Ein erfolgreiches Geschäft verlangt geradezu, dass IT integraler Bestandteil der eigenen Strategieentwicklung und zum großen Teil auch der eigenen Liefermechanismen ist." Auch das einstige Hype-Thema E-Commerce sei zur Selbstverständlichkeit geworden.

Diskrepanzen sind passé

Aus diesem Grund ist nach Ansicht des Deutsche-Bank-Managers auch das Spannungsverhältnis zwischen IT und Business mittlerweile Geschichte: "Die Interessen von IT und Business nähern sich immer stärker an - auch wenn das vom Reifegrad der jeweiligen Organisation abhängt." Diskrepanzen zwischen IT und Geschäft habe es in den 80er und 90er Jahren gegeben: "Damals war die IT zentralisiert, hochkomplex, wenig transparent und schwerfällig." Doch das Internet und die weltweite Vernetzung hätten hier für eine Revolution gesorgt. "Der CIO, der die IT lediglich als ein großes SAP-System betrachtet, gehört der Vergangenheit an."

Die Alignment-Qualifikationen

Was aber muss ein CIO mitbringen, um eine enge Verbindung zwischen IT und Fachbereichen zu fördern? Lamberti nennt drei Voraussetzungen:

• Er muss sich als Teil des Geschäfts begreifen.

• Er muss die Umgebungsbedingungen der IT identifizieren, also sein Anwendungs-Portfolio überblicken können.

• Er muss die Hoheit über das "Wartungs-" und das "Investitions"-Budget haben sowie zwischen beiden differenzieren.

Auf jeden Fall unterlassen sollte der CIO "das Führen von Religionskriegen", so Lamberti: "Ein CIO, der sich mit Themen wie dem Für und Wider von Plattform A oder B beschäftigt, verstellt sich selbst die eigentlichen Perspektiven."

Bults Beschreibung eines Business-kompatiblen CIO enthält weitere Charakteristika:

• Der CIO muss seine Arbeit der Geschäftsseite verständlich darstellen können.

• Er sollte stets aufzeigen, was das Business mit Informatik anders oder neu machen könnte.

• Er sollte seine Arbeit nicht aus der Optik der Technik, sondern aus Sicht der Menschen definieren.

Für diesen Perspektivwechsel schickt Swisscom Mobile seine Führungskräfte für kurze Zeit "an die Front, also in unsere Shops oder Call-Center", versichert Bult. Lamberti hält das für sinnvoll, aber nicht unabdingbar: "Wichtig für das Alignment ist es, dass IT und Geschäftsbereiche miteinander reden. Das kann mittels eines formalen Austauschprogramms passieren oder dadurch, dass man beide Seiten an einen Tisch bringt." Bei der Deutschen Bank sei der CIO in Management-Meetings anwesend. Zudem hätten sich "Interlock"-Gespräche zwischen der IT und den Business-Divisions etabliert: "Dann muss man sich über den Brückenschlag keine Gedanken mehr machen."