"Die Branche hat keine leichte Zeit vor sich"

09.03.1990

Mit Horst Nasko, Sprecher des Vorstandes der Nixdorf Computer AG, sprachen die CW-Redakteure Claudia Marwede-Dengg und Dieter Eckbauer

CW: Herr Nasko, können Sie etwas über das Jahresergebnis 1989 sagen? Wie hoch war denn der Verlust nun wirklich?

Nasko: Diese Frage werden wir zur Bilanzpressekonferenz, die für den 25. April angesetzt ist, beantworten, aber es ist zweifellos ein beträchtlicher Verlust eingetreten.

CW: Er bewegt sich in der Größenordnung, die jetzt auch schon durch die Presse ging?

Nasko: Der Verlust setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: Einmal aus dem operativen Verlust des laufenden Geschäftes, zum anderen aus Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, um wieder in eine wirtschaftlich vertretbare Situation zu kommen - und dafür müssen natürlich Rückstellungen gebildet werden, zum Beispiel für Sozialpläne und dergleichen. Das muß man im Zusammenhang sehen, wenn man das Ergebnis des letzten Jahres betrachtet.

CW: Sie sprachen von Maßnahmen - welche sind das?

Nasko: Das ist ein sehr umfangreiches Maßnahmenpaket. Es beginnt mit dem weltweiten Vertrieb, wo wir alle Regionen, alle Arbeitsgebiete analysiert und Mindestanforderungen an die Rentabilität gestellt haben. Dort, wo diese Anforderungen nicht erfüllt werden, müssen wir uns entweder zu anderen Strukturen oder zur Einstellung des Geschäftes entschließen. Als eine weitere Maßnahme haben wir den Produktionsplan noch einmal vor dem Hintergrund unserer Produktionskapazitäten gespiegelt und auch hier festgestellt, daß beträchtliche Überkapazitäten vorhanden sind. Deshalb werden wir entsprechende Werke schließen und einen entsprechenden Personalabbau durchführen müssen. Wir haben ferner die Entwicklungsaktivitäten überprüft und dort einige Einschränkungen auf Teilgebieten beschlossen, aber auch die Entwicklungstiefe auf manchen Gebieten reduziert, zum Beispiel durch Kooperationen mit Partnern - Mips und Tandem sind Beispiele hierfür. In der Verwaltung wurden die Strukturen vereinfacht, beispielsweise haben wir das Berichtswesen harmonisiert und gestrafft, so daß auch dort Kosten gesenkt werden können, aber leider eben auch Mitarbeiter freigesetzt werden müssen.

CW: Kann man über diese Maßnahmen noch etwas konkretere Ausführungen machen? Zum Teil sind ja schon - sowohl, was den Vertrieb was die Produktion und die Entwicklung anlangt - erste Schritte eingeleitet. In welche personelle Größenordnung kann das reingehen?

Nasko: Weltweit umfaßt das vorgelegte und vom Aufsichtsrat zur Kenntnis genommene Programm einen Personalabbau von über 4800 Mitarbeitern. In den vergangenen Wochen fanden intensive Gespräche über Interessensausgleich und Sozialpläne mit dem Betriebsrat statt. Über das Gesamtpaket, bei dem auch die Schließung von Fabriken im Ausland berücksichtigt wurde, konnten wir vor wenigen Tagen mit Vertretern des Konzernbetriebsrates eine einvernehmliche Lösung erzielen.

CW: Das sind aber jetzt Maßnahmen, die Nixdorf sowieso aus eigener Kraft und auf jeden Fall machen würde. Wenn es denn zu der angestrebten Vereinigung mit Siemens kommt, könnten noch zusätzliche Maßnahmen notwendig werden?

Nasko: Ein wesentliches Ziel der Kooperation mit Siemens ist die Gewinnung von Synergieeffekten in Entwicklung, Produktion und Vertrieb. Aber ich möchte jetzt keine Prognose abgeben, welche personellen Auswirkungen das dann haben wird. Denn wir hoffen ja, daß diese Kooperation, auf die wir ja sicher noch zu sprechen kommen, daß diese Integration der Siemens-DI-Aktivitäten in unser Unternehmen dazu führt, daß eins und eins nicht zwei, sondern möglichst 2,5 oder 3 ergibt. Schließlich sollen ja auch neue Geschäftsfelder erschlossen werden.

CW: Herr Nasko, Sie hatten Maßnahmen angesprochen, die darauf abzielen, die Fertigungstiefe zu reduzieren, Personal abzubauen. Nun gibt es, was die Analyse der Nixdorf-Situation betrifft, Kritiker, die sagen, warum haben die denn eigentlich alles noch selbst gemacht, warum haben die denn noch Leute eingestellt? Die Entwicklung, so meint man heute, war vorhersehbar. Wollte das Nixdorf-Management diese Entwicklung nicht sehen?

Nasko: Nun, im nachhinein ist man immer etwas klüger als vorher. Lassen Sie mich jetzt über die Jahre '87 und '88 sprechen. ln diesen beiden Jahren wurden von uns rund 6000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Im Jahr 1987 und Anfang 1988 war die Euphorie bezüglich der Einführung von Unix als Betriebssystem und offener Standards noch sehr groß. Für uns und unsere Mitbewerber waren das Zeichen dafür, daß wir jetzt eine bessere Chance bekamen, gegenüber der IBM mit ihren De-facto-Standardsystemen zu bestehen und damit auch zusätzliche Marktanteile zu gewinnen. Ganz abgesehen davon waren zumindest für Europa damals die Wachstumsprognosen noch durchaus positiv. Wenn man heute sagt, wir hätten das damals schon erkennen müssen, dann würde ich dem eher widersprechen. Rückblickend betrachtet ist es allerdings richtig, daß wir damals den Fehler gemacht haben, so optimistisch zu sein und so viele Mitarbeiter einzustellen.

CW: Es war also eine trügerische Sicherheit in bezug auf technische Entwicklungen in Richtung Standards und offene Systeme. Glauben Sie denn, daß zum heutigen Zeitpunkt die Unsicherheit in bezug auf "Wo geht es denn hin bei diesen Standards" beseitigt ist?

Nasko: Zunächst einmal muß man die spezifische Nixdorf-Situation noch insofern interpretieren, daß wir ja erfolgsverwöhnt waren. Wir haben zehn Jahre lang jährlich unser Umsatzvolumen um ungefähr 20 Prozent gesteigert. Ein so hochgelobtes und erfolgsgewöhntes Management ist natürlich geneigt, hier etwas mehr Optimismus an den Tag zu legen, als andere das tun würden. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist Ihre Frage: Wie sehen Sie es denn heute? Ich glaube schon, daß wir heute vor allem in der Kombination mit Siemens, die ja auch auf dem Gebiet der Mainframes sehr stark sind, sehr gute Möglichkeiten haben, in Zukunft ein erfolgreicher Spieler auf dem Markt sowohl bei offenen Systemen als auch bei "proprietary systems" zu sein.

CW: Wir möchten noch einmal zurückkommen auf Maßnahmen, die anstehen, die unerläßlich sind, die aber sehr wohl in der Durchführung schmerzhaft und schwierig sind, sprich Entlassungen. Wie ist der konkrete Stand der Gespräche mit dem Betriebsrat in Paderborn?

Nasko: Paderborn ist natürlich ganz besonders betroffen, weil das der Standort ist, wo wir die meisten Mitarbeiter konzentriert haben. Der vorgesehene Personalabbau wird uns in Paderborn und auch weltweit auf den Mitarbeiterstand von 1986 zurückführen. Der Betriebsrat sieht sich natürlich verpflichtet, alles zu tun, um Arbeitsplätze zu erhalten. Man darf auch nicht vergessen, daß Betriebsratswahlen vor der Tür stehen und hier noch die Komponente Wahlkampf hinzukommt, die das Problem sicherlich nicht erleichtert. Um so erfreulicher ist es, daß wir in den Verhandlungen mit dem Betriebsrat einen großen Schritt nach vorn gekommen sind.

CW: Interessanterweise argumentiert man ja auf der Seite des Betriebsrats mit Marktdaten. Man sagt, hier wurde in der Vergangenheit vieles unüberlegt getan, und man sollte doch wohl bei dem Punkt Vergangenheitsbewältigung noch etwas tiefer einsteigen, die Ursachen analysieren und die richtigen Maßnahmen ableiten, die möglicherweise dann, in Bezug auf Entlassungen, ein anderes Bild ergeben könnten.

Nasko: Unser Problem im letzten Jahr war ja, daß wir zwar die Kosten plangemäß unter Kontrolle hatten, daß wir aber den Umsatz nicht realisieren konnten, den wir uns vorgenommen hatten. Dieses Mißverhältnis darf in Zukunft nicht mehr eintreten, schon gar nicht vor dem Hintergrund der Marktentwicklung und der Marktzahlen. wie sie heute vorliegen. Denn gerade unser Schwerpunkt der mittleren DV-Systeme ist weltweit im Moment nicht gerade als Wachstumsgebiet Nummer eins zu bezeichnen; auch unsere Konkurrenten haben auf diesem Gebiet ja außerordentlich große Schwierigkeiten. Und deswegen haben wir beschlossen, jetzt eine realistische Planung zum Zuge kommen lassen. Daraus resultiert dieses Maßnahmenprogramm.

CW: Was ist denn ein realistisches Umsatzziel?

Nasko: Wir gehen davon aus, daß wir in diesem Jahr kein Wachstum werden realisieren können, sondern eher einen leichten Rückgang hinnehmen müssen.

CW: Und das ist marktkonform? Oder gibt es andere Unternehmen .... ?

Nasko: Auf dem Gebiet, auf dem wir tätig sind, glauben wir, daß das marktkonform ist. Das gilt nicht für andere Gebiete.

CW: Worauf führen Sie denn die Zurückhaltung der Anwender, die Zurückhaltung des Marktes zurück?

Nasko: Es ist nicht nur die Zurückhaltung der Anwender, es ist auch der Preiskampf, der eine wesentliche Rolle spielt. Und es ist natürlich kritisch, wenn wir zwar interessante

Aufträge hereinholen, aber gleichzeitig unsere gegebenen Kosten nicht in entsprechende Preise umsetzen können.

CW: Der Preisverfall kann also durch einen entsprechenden höheren Mengenabsatz nicht kompensiert werden. Aber in diesem tödlichen Preiskampf befinden sich ja alle. Was müßte man tun, um da raus zu kommen?

Nasko: Das ist eine schwierige Frage. Vielleicht wird eine gewisse Konsolidierung der Anbieterseite dazu beitragen, und es wird sicherlich auch noch weitere Kooperationen oder Fusionen geben.

CW: Es muß doch für einen Hersteller noch lohnend sein, Computer zu produzieren und zu verkaufen.

Nasko: Sehen Sie sich auch die Ergebnisse auch unserer Mitbewerber im vergangenen Jahr an. Da gibt es ja viele alarmierende Beispiele. Die Branche hat keine leichte Zeit vor sich und deswegen sind wir der Ansicht, wir sollten konservativ planen und unseren Break-Even-Point senken.

CW: Herr Nasko, natürlich können Sie jetzt, nachdem das SNI-Aufgebot bestellt wurde, nicht sagen, daß Siemens der falsche Partner für Nixdorf ist. Aber Tatsache ist, Sie sind ja gar nicht gefragt worden, und umgekehrt hatte die Firma Siemens nicht sehr viel Zeit, sich die Sache zu überlegen. Nixdorf befand sich sozusagen im freien Fall und von der Meldung, daß jetzt Siemens und Nixdorf zusammengehen, versprachen sich doch wohl einige Leute, daß der Vertrauensschwund gestoppt wird. Hat das bereits gewirkt? Merken Sie das am Auftragseingang?

Nasko: Zunächst einmal muß ich Ihnen ganz deutlich widersprechen. Wir sind sehr wohl gefragt worden. Wir hatten eine Reihe von Alternativen, es war also keineswegs so, daß Siemens die einzige Möglichkeit war. Nur erschien uns diese Alternative bei der Gesamtbetrachtung die beste zu sein. Sie ist klar kommunizierbar, sie enthält keine komplizierten Schnittstellen, die es mit anderen Partnern gegeben hätte. Es gibt keine Interessenkonflikte, weil Siemens eben bereit war, die eigenen Aktivitäten mit unseren

zusammenzuführen, das heiß also, den Bereich der Daten und Informationstechnik in die Nixdorf Computer AG zu integrieren. Dadurch war die Möglichkeit gegeben, weltweit alle Aktivitäten zusammenzuführen alle Synergien freizusetzen, e i n Management einzusetzen und e i n e Struktur zu realisieren, die im Weltmaßstab operieren kann. Außerdem sind die Größenordnungen ungefähr gleich. Die Überlappung beträgt maximal zehn Prozent. Es ist eine optimale Ergänzung sowohl von der Produktpalette als auch von den Märkten und von den Regionen her. Dies ist wirklich eine Lösung, die wesentlich besser ist als alle anderen Alternativen, die uns angeboten wurden.

CW: Zurück zu der eigentlichen Frage: Hat das bereits gewirkt? Merken Sie das am Auftragseingang?

Nasko: Ja, ich glaube schon, daß sich das Vertrauen der Kunden wieder gestärkt hat und Vertrauen in die Zukunft dieses Konzeptes und damit in die Zukunft unseres Hauses besteht. Der Auftragseingang im Januar bestätigt dies, er war sehr zufriedenstellend.

CW: ... im Vergleich zum Vormonat oder im Vergleich zum Vorjahr?

Nasko: Im Vergleich zum Vormonat war er besonders gut. Aber ich meine, auch im

Vergleich zum nicht so schlechten Vorjahres-Januar - und nur so ist der Vergleich fair - ist der Auftragseingang als gut zu bezeichnen. Wir hatten ja die ersten zwei Drittel des Jahres noch

eine Umsatzsteigerung von fünf Prozent. Durch die negative Berichterstattung und die

negativen Bewertungen unseres Hauses war dann vor allem das letzte Quartal im Vergleich zum Vorjahr besonders schlecht.

CW: Aber das veranlaßt Sie nicht, Ihre konservativen Schätzungen schon wieder ein bißchen nach oben zu revidieren?

Nasko: Nein, wir müssen realistisch bleiben und wir müssen unser Kostengefüge wieder auf den früheren Stand zurückführen.

CW: Nun könnte sich ja das Argument "Es gab keine komplizierte Schnittstelle" natürlich auch gegen Sie richten, indem gesagt wird, das sind in der Tat zwei grundverschiedene Unternehmen, die hatten bisher nichts miteinander gemeinsam, waren in

völlig verschiedenen Märkten tätig - und wie soll denn das nun da zusammenpassen?

Nasko: Es gibt da zwei Komplexe, die man betrachten muß: Einmal besteht sicherlich ein gewisser Unterschied in den Firmenkulturen, das ist keine Frage. Aber ich glaube, es wird uns gelingen, die positivsten Seiten beider Kulturen miteinander zu verknüpfen. Die Stärke von Nixdorf liegt sicher in der Flexibilität, in der Kundenorientierung, in der Vertriebsorientierung,

im Ideenreichtum, im Vertrieb und bei den Lösungen. Die Stärke von Siemens liegt sicherlich

in der Technologie, in der Produktion, auch in der ganzen Logistik, in der kaufmännischen Kontrolle. Das heißt also, wenn wir diese beiden Stärken addieren, dann glaube ich, daß das Ganze wesentlich stärker werden kann als jeder Teilbereich bis jetzt war. Was die Märkte betrifft, da ist es natürlich so, daß wir mit unserer Präsenz beim Kunden im vertrieblichen Bereich jetzt eine viel breitere Produktpalette anzubieten haben. Nehmen wir bei dezentralen Systemen einmal den Bankenbereich, wo wir sehr gut bei Peripheriegeräten sind, da kommt jetzt das Mainframe-Angebot von Siemens dazu. Wir haben jetzt die Möglichkeit, vom Laptop bis zum Mainframe die ganze Palette anzubieten.

CW: Wir haben aber jetzt noch die aktuelle Situation, daß der Nixdorf-Vertrieb und der Siemens-Vertrieb bei möglicherweise den gleichen Anwenderunternehmen getrennt und

gegeneinander operieren müssen. Sie liefern ja eigentlich hiermit dem Siemens-Vertrieb die Argumente, zu sagen: In der Technik ist Nixdorf nicht gut, dafür ist da Siemens gut...

Nasko: Ich habe nicht gesagt daß wir in der Technik nicht gut sind. Siemens hat sicherlich sehr viel mehr Stärken in der gesamten technologischen Basis in der Produktionstechnik, die Stärke Nixdorfs liegt zweifellos im Vertrieb.

CW: Kann man denn jetzt schon etwas darüber sagen, wie die Zusammenarbeit in der Praxis aussehen wird in den nächsten Monaten? Was hat man bereits auf den Weg gebracht, und wie ist der Stand der Dinge?

Nasko: Es gibt einige Arbeitspakete, die wir derzeit analysieren. Wir haben jedoch noch nicht die Zustimmung des Kartellamtes. Deshalb können die Dinge noch nicht im Detail besprochen werden. Zur Zeit sind nur Planspiele und strukturelle Überlegungen möglich. Erst nach der positiven Antwort des Kartellamtes können wir loslegen.

CW: Das nehmen wir Ihnen nicht ganz ab. Unabhängig von einer Entscheidung des Kartellamtes, ob Ja oder Nein: Die Planungen als solche, die Planspiele können doch laufen...

Nasko: ... da läuft auch einiges.

CW: Sie wollen dazu jetzt nichts sagen...

Nasko: Ich kann nichts sagen, solange wir die Antwort des Kartellamtes noch nicht haben.

CW: Gibt es denn gewisse Signale aus Berlin, innerhalb welcher Zeit man möglicherweise mit einer Entscheidung rechnen kann, im Interesse beider Unternehmen?

Nasko: Die maximal zur Verfügung stehende Zeit sind vier Monate, die Frist begann am 17. Januar, das heißt, der 17. Mai wäre der Endtermin, aber wir hoffen sehr, daß dieser Zeitraum nicht voll ausgenutzt wird.

CW: Befürchten Sie nicht, daß die Nixdorf-Basis noch weiter ausgehöhlt wird?

Nasko: Nein, ich glaube, die Stimmung in der Mannschaft ist durchaus positiv, und was die Kundenreaktion betrifft, bin ich ganz zuversichtlich. Das Geschäft gewinnt durchaus schon wieder an Fahrt.

CW: Wir hatten vorhin gefragt nach Entlassungen, denen möglicherweise Betriebsratsaktivitäten entgegenstehen, weil man eben sagt, wir wollen Arbeitsplätze erhalten. Die andere Seite ist: Es sind bereits Leute freiwillig gegangen - speziell aus dem Vertrieb -, weil sie sagen, wir glauben nicht daran, daß das hier für mich noch ein Arbeitsplatz ist, an dem ich mich verwirklichen kann.

Nasko: Ich glaube nicht an dieses Motiv. Wir haben eine relativ hohe Fluktuation. Das liegt aber daran, daß unsere Mitarbeiter außerordentlich umworben sind von der Konkurrenz und daß man natürlich versucht, auf diese Art und Weise auch hinter die "Erfolgsgeheimnisse" von Nixdorf zu kommen, indem man Mitarbeiter von uns abwirbt.

CW: Was macht denn der Bereich Nachrichtentechnik?

Nasko: Der blüht und gedeiht nach wie vor. Er war der erfolgreichste Bereich im letzten Jahr. Wir sind uns völlig einig mit Siemens, daß wir diesen Bereich auch im SNI-Verbund weiter betreiben werden.

CW: Das heißt, die Nixdorf-Nachrichtentechnik würde, gesetzt den Fall, es käme alles so, wie Sie das wünschen, bei SNI bleiben, und Siemens selber verfügt auch über eine eigene Nachrichtentechnik im Bereich Private Netze.

Nasko: Das ist richtig, es ist das einzige Gebiet, wo nach wie vor Parallelität zwischen Siemens und SNI bestehen wird. Man darf nur nicht vergessen, daß wir dieses Gebiet sehr integriert mit der EDV betreiben, entwickeln und fertigen. Wir setzen auf die Integration bei Kundenlösungen und sind sicher, daß dieses unser Erfolgsrezept bleibt. Sie sehen doch die kombinierten Lösungen im Hotelbereich oder im Krankenhausbereich. Wir haben immer schon

betont, daß die Systemtechnik zumindest im Nebenstellenbereich und im privaten Kommunikationsbereich die Netztechnik und ihre Beherrschung erfordert. ISDN und digitale Nebenstellenanlagen sind eine Infrastruktur, die in Zukunft sehr hohe Bedeutung bekommt, und deswegen können wir auf dieses Gebiet nicht verzichten.

CW: Ja, aber Nixdorf ist eigentlich heutzutage der einzige Anbieter, der versucht, auf beiden Feldern - der Nachrichtentechnik und der Datenverarbeitung tätig zu sein - und diesen Verschmelzungsgedanken, der inzwischen ja wieder völlig zurückgezogen worden ist bei den meisten anderen Spielern, noch zur Geltung zu bringen.

Nasko: Der Rückzug geschah zum Großteil nolens volens, weil die Integration nicht beherrscht wird. Ich bin überzeugt davon, daß der Integration dieser beiden Gebiete eine Schlüsselrolle zukommt. Es ist nicht zu übersehen, daß wir ein eigenständiges Unternehmen sind - und es als SNI auch bleiben werden. Dementsprechend werden wir diese Netztechnik auch im Angebotsspektrum behalten.

CW: Aber Siemens beispielsweise, und wir reden hier von PN, hat den großen Vorteil, daß man nicht unbedingt auf das Angebot des DI-Bereichs Rücksicht nehmen muß, sondern sie können auch DEC-Lösungen anbieten, sie können IBM-Lösungen anbieten, während Nixdorf hier ja immer nur Nixdorf-Nachrichtentechnik mit Nixdorf-DV anbieten kann. Das ist eigentlich eine Einschränkung der Palette.

Nasko: Ja, das bietet aber auch den Vorteil, daß wir uns wirklich auf kombinierte Lösungen konzentriert haben und diese aus einer Hand - taylor made sozusagen - anbieten und damit natürlich mehr bieten können, als wenn man nur fallweise mit jemandem anderen zusammenarbeitet. Im übrigen sind viele Nebenstellenanlagen, die wir geliefert haben, auch mit anderen EDV-Produkten kombiniert worden.

CW: Wir möchten nochmals auf den Punkt Preisverfall zu sprechen kommen. Der Preiskampf im Bereich der "small systems" und der mittleren Systeme geht ja weiter. Damit ist doch die Frage nach der Überlebensfähigkeit eines deutschen DV-Unternehmens wie SNI gestellt?

Nasko: Ich hoffe, daß die Schwierigkeiten, die alle unsere Konkurrenten auch haben, dazu führen, daß sich auf diesem Marktsektor wieder eine Beruhigung einstellt.

CW: Mit Herrn Wiedig steht ein Mann an der Spitze des Siemens Geschäftsbereiches Daten- und Informationstechnik, der ein reiner Kaufmann ist. Erleichtert das die Gespräche, die Zusammenarbeit?

Nasko: Ich verstehe mich mit Herrn Dr. Wiedig sehr gut, obwohl ich ein Techniker bin. Wir beide haben ja kein Problem und keine Verständigungsschwierigkeiten.

CW: Die Frage zielte darauf ab, daß bei Siemens wohl eher eine Abwäge- und Abwartehaltung zu bemerken ist und eben nicht der Eindruck entstanden ist, daß man für diese SNI-Firma Kopf und Kragen riskiert.

Nasko: Ich glaube, daß auch Siemens diese Kooperation sehr positiv sieht. Jedenfalls bei den Gesprächen, die zu diesem Arrangement geführt haben, und auch in bereits veröffentlichten Interviews hat Siemens mehrfach erklärt, daß diese Lösung für Siemens viele Vorteile bietet. Denn bei Siemens stellte sich auch die Frage, wie der DI-Bereich im Weltmaßstab zu sehen ist. Die Kooperation mit Nixdorf bietet gerade hier besondere Chancen, als Weltspieler tätig zu sein.

CW: Ist es nicht ein bißchen vermessen, wenn man jetzt von einem Spieler im Weltmaßstab spricht? Das kann sich ja höchstens auf die addierten Umsatzzahlen beziehen. Von den Märkten her, auf denen die beiden Unternehmen bisher erfolgreich, das heißt mit Gewinn tätig waren, ist das ja wohl eher auf die Bundesrepublik oder Europa beschränkt.

Nasko: Das ist richtig. Aber wir haben darüber hinaus Ansatzpunkte in USA oder in gewissen Märkten im Fernen Osten. Natürlich wollen wir dann auch in diesen Märkten erfolgreich wachsen. Die Größenordnung ist ja immerhin so, daß wir der größte europäische Computerhersteller sein werden, zugegeben, im Moment sehr stark auf Deutschland und Europa konzentriert.

CW: Sie sagten, es gab mehrere Alternativen, und Siemens war die beste. Der Siemens-Konzern als solcher, und dies ist ein Elektro-Konzern, hat diverse Engagements, Fusionen, Kooperationen etc. hier und dort im Bereich der Datenverarbeitung hinter sich und, wie man sagen kann, mehr oder weniger unbeschadet überstanden, andererseits aber auch ohne Zugewinn. Die Frage ist doch, ob nicht ein Partner, der völlig unbelastet und mit einer gewissen innovativen Aufbruchstimmung an die Dinge herangeht mit Nixdorf gemeinsam nicht letztlich doch ein besserer Partner gewesen wäre als eine Amtsbaufirma, ein Elektroriese, der langfristig, was sich auch in Kooperationen mit IBM zeigt, sicherlich andere, größere Ziele hat?

Nasko: Das sehe ich nicht so. Aber ich glaube, wir als Nixdorf müssen auch erkennen, daß wir für einen Hersteller, der sich auf Nischen konzentriert, zu groß und als Universalanbieter im Weltmaßstab zu klein sind. Deswegen hätte, glaube ich, ein aggressiver oder rein finanziell interessierter Partner weniger geholfen als ein Unternehmen, das ein Geschäftsvolumen der gleichen Größenordnung mit einbringt und damit unsere gesamte Produktpalette, die Produktionsstückzahl -Situation und unsere vertriebliche Präsenz entscheidend verbessert.

CW: Allein sind Sie zu klein, und vorhin wurde auch schon gesagt, daß die Stärken beider Partner doch vorwiegend im heimischen Markt, zu einem kleinen Teil auch im europäischen Markt liegen. Da kommen ja jetzt sofort wieder andere europäische Hersteller, wie Bull, Olivetti oder ICL, ins Spiel. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Wird es großeuropäische Lösungen geben?

Nasko: Ich könnte mir schon vorstellen, daß dieses Unternehmen - schon von der Größenordnung her und von der Breite des Arbeitsgebietes und von der technologischen und vertrieblichen Potenz, die wir in Zukunft haben werden - ein Nucleus in Europa sein kann für zusätzliche Kooperationen. Aber zunächst einmal müssen wir SNI zu einem erfolgreichen Unternehmen aufbauen, dann können wir über weitere Dinge sprechen.

CW: Das heißt, das Modell Airbus im DV-Bereich ist noch nicht ad acta gelegt?

Nasko: Es ist im Moment sicherlich nicht vorgesehen, aber wir wollen nicht ausschließen, daß es später zusätzliche Partner geben könnte. Zuerst muß einmal der Kern strukturiert werden und eine klare Politik und Strategie festgelegt sein. Dann kann man über weitere Schritte sprechen. +

_AU:Claudia Marwede-Dengg, Dieter Eckbauer