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Der Unterschätzte

12.02.2003
Von Erwin Staudt
Eigentlich wollte er Profifußballer oder Musiker werden. Jetzt hat es Erwin Staudt zum IBM-Chef gebracht - auch keine schlechte Karriere. Foto: Joachim Wendler, München SP1-02

Erwin Staudt stammt aus Leonberg und lebt auch dort. Er geht Joggen, spielt Trompete und besucht ab und zu Fußballspiele des VfB Stuttgart. Aus einer Handwerkerfamilie stammend, ist er selbst verheiratet und hat drei Kinder. Erwin Staudt ist studierter Volkswirt und gehört seit mehr als 25 Jahren dem gleichen Unternehmen an.

Was sich auf den ersten Blick wie eine durch-schnittliche deutsche Nachkriegsbiografie liest, gibt auf den zweiten Blick ein Multitalent frei: Der Mann ist unter anderem Chef eines Großunter-nehmens, Initiator einer Lern- und Wissensoffen-sive sowie Buchautor und -herausgeber.

Herausforderung als Chance Als Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland GmbH trägt Staudt die Verantwortung für 26 000 Mitarbeiter - keine leichte Bürde in Zeiten der wirtschaftlichen Flaute. In den kommenden zwölf Monaten will der IBM-Chef beweisen, dass man trotzdem Umsatz generieren kann. Zupass kommt ihm dabei die Übernahme von Price Waterhouse (PW) durch IBM: „Die Integration der 2500 deutschen PW-Mitarbeiter in unsere Organisation betrachte ich als Chance.“ Wenn Staudt sein Zwölfmonatsziel erreicht, dann läutet er wohl ein weiteres Mal die „Bell of Success“ (Erfolgsglocke), so wie während seiner Zeit in den USA, als er die lukrativsten Outsourcing-Deals an Land zog.

Trotz aller Verbundenheit mit dem Unterneh-men Big Blue verfolgt der Ex-SPD-Kreistagsabge-ordnete auch gesellschaftspolitische Ideen. So be-gründete er die Initiative D21 und hält dort den Vorsitz. Dieser branchenübergreifende Verein von rund 300 Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, zusammen mit Politik und Verwaltung den Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft in Deutschland zu beschleunigen und so die Chancen auf Wachstum und Beschäftigung zu nutzen. Nach der Dotcom-Pleite ist es in den Medien etwas ruhiger um die Initiative geworden, nicht jedoch hinter den Kulissen. An den Themen der sechs Ar-beitskreise von D21 arbeiten mehr als 400 Personen und 1800 „Ambassadors“ aus den Mitgliederunternehmen. Sie besuchen Schulen und andere Ausbildungsstätten, um die moderne Kommunikationstechnik zu erklären und dafür zu werben.

Buchautor und Musiker In diesem Herbst erschien Staudts Buch „Neustart!“, das seine Forderung nach einer Wissens- und Handlungsinitiative für Deutschland konsequent weiterverfolgt. Das knapp 200 Seiten starke Werk eignet sich für viele Zwecke: Es bietet in knapper Form einen Abriss über die Geschichte der IT, erklärt dem Laien sehr verständlich, was ein Computer oder das Internet ist, beschreibt, wie die Wirtschaft nach der Chip- und Netzrevolution funktioniert und wie Einzelne, Unternehmen, Gesellschaft und Staat in Zukunft zurechtkommen könnten. Dass er in seinem Buch auch Karl Marx zitiert, begründet Staudt mit der liberalen Position der „Freiburger Schule“, der er sich seit der Studienzeit verpflichtet fühlt. Eine zweite Karriere als Politiker oder als Verbandsfunktionär strebt der 54-Jährige allerdings nicht an. Wenn er einmal den Chefsessel bei IBM räumt, dann kann er sich vorstellen, im sportlichen oder künstlerischen Umfeld tätig zu werden. Eines steht jedoch jetzt schon fest: „Ich werde in jedem Fall Musiker, die Band steht schon und wartet nur noch auf ihren Trompeter.“

Zur Person

Erwin Staudt, Jahrgang 1948, übernahm 1998 den Vorsitz der Geschäftsführung der IBM Deutschland GmbH. Aufsehen erregte der gebürtige Leonberger mit der Initiative D21, die den Wandel Deutschlands von der Industrie- zur Informations-gesellschaft zum Ziel hat. Dazu soll auch sein Buch „Neustart!“ beitragen. Staudts Lebensmotto: Bleib dir stets treu.