Geheimnis meines Erfolgs

Der tierische Erfolg von Fressnapf-Chef Torsten Toeller

29.05.2013
Von Manfred Engeser

Fahrtest für Führungskräfte

Und Toeller legt ein enormes Tempo vor: Weil ihm das Eigenkapital für ein Filialsystem fehlt, vergibt er Franchiselizenzen - die erste an einen früheren Kommilitonen. Doch mit einem Freundschaftsdienst hat das nichts zu tun: Nur wer schnell wächst, so sein Kalkül, kann zügig von Mengenrabatten profitieren. Nach fünf Jahren gehören 50 Filialen zum Fressnapf-Reich, ein Jahr später sind es schon 100, im Jahr 1997 folgt die erste außerhalb Deutschlands, in Österreich. Toeller führt seine Partner an der kurzen Leine, Produktpalette und Preise dürfen höchstens um fünf Prozent von seinen Vorgaben abweichen.

Torsten Toeller: "Jeden Tag eine neue Idee - das Gas ist vorn rechts."
Torsten Toeller: "Jeden Tag eine neue Idee - das Gas ist vorn rechts."
Foto: Fressnapf

Systematisch verkürzt Toeller die Wertschöpfungskette zwischen Produktion und Kunden, verzichtet auf Großhändler, feilscht direkt mit den Produzenten um die günstigsten Einkaufskonditionen. Er entwickelt als Erster Eigenmarken im Premiumsegment, steigt 2000 als Vorreiter in seiner Branche in den Online-Handel ein, zahlt Lehrgeld, versucht es 2009 erneut - mit Erfolg. "Wir geben nicht auf", sagt Toeller. 2013 will Fressnapf den Online-Anteil am Gesamtumsatz auf fünf Prozent verdoppeln.

Bald sollen alle Kanäle - Online-Shop, Katalog, Mobilgeräte, Callcenter und Läden - über einheitliche Softwaresysteme komplett miteinander verknüpft sein. Wer etwa im Katalog bestellt, kann online bezahlen und die Ware bei Nichtgefallen stationär zurückgeben, wer sich im Geschäft informiert, wird auch auf zusätzliche Online-Angebote hingewiesen oder kann per Handy bezahlen - etwa auch individualisiertes Futter, das über Canimix angeboten wird, ein Startup, an dem sich Fressnapf früh beteiligt hat. Gut möglich, dass zu den XXL-Märkten in schmucklosen Gewerbegebieten bald kleine Läden in exklusiven Innenstadtlagen kommen. "Wenn unsere Kunden das wollen", sagt Toeller, "müssen wir solche Entwicklungen genau im Auge behalten."

Harter Selektionsprozess

Genau auf die Finger schaut Toeller auch potenziellen Führungskräften. Mit Bewerbern, die Headhunter-Auswahl und Assessmentcenter überstehen, geht Toeller anschließend selbst für ein paar Tage in den Ring: Fährt mit jedem Kandidaten zu Fressnapf-Filialen - und bleibt dabei konsequent auf dem Beifahrersitz. Denn Toeller beurteilt nicht nur Fachwissen und Auftreten der Bewerber im Gespräch und beim Gang durch die Läden. Er schließt auch aus dem Fahrstil auf die Eignung für den Job. Erwartet von einem Finanzer eher Zurückhaltung am Steuer, während ein angehender Vertriebler ruhig so forsch fahren kann, wie der bekennende Sportwagenfan Toeller selbst es gern tut. Krönender Abschluss des Selektionsprozesses: Toeller lädt zum Essen - im Hause des Bewerbers. Wer dem potenziellen Chef den Privatbesuch ohne triftigen Grund verweigert oder in Relation zur künftigen Aufgabe nicht angemessen wohnt, fällt durchs Raster. "Bevor ich jemand große Verantwortung übertrage, muss ich doch auch sehen, wie er privat tickt", sagt Toeller.

Duzen ohne Ausnahme

Am besten so gerade raus wie er selbst. Statt mit klassischem Handschlag begrüßt Toeller Mitarbeiter gern mit High Five, duzt ausnahmslos und besteht darauf, auch selbst so leger angesprochen zu werden. "Direkt, frech, ehrlich, bescheiden" sollen die Mitarbeiter des Fressnapf-Teams auftreten - wie das Spiegelbild ihres Chefs. Der kommt am liebsten in Jeans ins Büro, trägt das Hemd gern offen und das Herz auf der Zunge. "Ich rede gern Klartext", sagt Toeller, "hier wird keine Politik gemacht."

Sondern Dampf. Beim Gespräch hält es ihn kaum auf dem Stuhl, er trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte, steht auf, geht ein paar Schritte durch den Raum, wie ein Tiger im Käfig. Für die Skulptur des belgischen Künstlers Wim Delvoye auf der Terrasse vor seinem Büro im fünften Stock der Krefelder Firmenzentrale - ein auf dem Kopf stehender Geschäftsmann in Anzug, mit weißem Hemd und Businesskoffer - hätte Toeller glatt selbst Modell stehen können. An der Wand hängt sein Lieblingsbild: "Being successful is fun" - "Erfolg macht Spaß" steht in großen Lettern auf einem großen Gemälde des belgischen Malers Don Ken.

Bescheidenheit statt Protz

Zeitgenössische Kunst ist neben japanischen Kois - Toeller hält 17 dieser edlen Zierkarpfen im heimischen Teich - sein einziges kostspieliges Hobby. Im Unternehmen aber zählt "Wir sind sparsam" zu Toellers obersten Geboten. Geflogen wird nur 2. Klasse, übernachtet für maximal 80 Euro, als Mietwagen tut es statt der S-Klasse auch ein 3er-BMW.

In das Wohl seiner Mitarbeiter investiert er lieber an anderer Stelle: Zur Zentrale in Krefeld gehört ein Fitnessstudio, demnächst auch eine Kindertagesstätte. In der firmeneigenen Akademie bringt er jedes Jahr 2000 Mitarbeitern den Fressnapf-Spirit nahe, vermittelt betriebswirtschaftliche Grundlagen, bietet Verkaufsseminare und Sprachkurse. Wer will, kann sein Tier mit ins Büro bringen, "das steigert das Wohlbefinden beim Arbeiten". Jeden Mitarbeiter aus der Zentrale schickt er jedes Jahr für drei Tage an die Verkaufsfront, "damit wir hier nicht entscheiden wie im Raumschiff Enterprise".

Deshalb lädt Toeller auch Mitarbeiter, etwa aus der Buchhaltung, zum Frühstück mit Geschäftsführern, verlangt über ein neunstufiges Bewertungssystem Feedback, auch zu seiner Arbeit. Wer loyal, aber mit seinem Job überfordert ist, für den wird nach Alternativen gesucht - "wer sich an unsere Regeln hält", sagt Toeller, "den lassen wir nicht hängen". So wie einen ehemaligen Top-Manager, der heute als Franchisenehmer tätig ist - und so sein Gehalt verdreifacht hat.

Reichtum ist sekundär

Auch wenn seine Zahlen stimmen - Fressnapf hat keine Bankverbindlichkeiten, dafür eine Eigenkapitalquote von 70 Prozent: Geld ist kein Ziel, das Toeller noch groß antreibt. "Ich stehe nicht auf, um reicher zu werden", sagt Toeller. "Ich stehe auf, weil ich mich jeden Tag frage: Kann ich noch mal über die Latte springen?“

Ja, er kann: Mit Equiva hat er das Fressnapf-Modell erfolgreich auf eine zweite Tierbedarfskette übertragen, die sich ganz auf den Bedarf von Pferden und ihren Besitzern konzentriert. "Reiter sind besonders und wollen auch so behandelt werden", sagt Toeller.

Offenbar glaubt er das auch von einer anderen zweibeinigen Spezies: Studenten. Unter dem Label Headquarter hat Toeller begonnen, an Deutschlands besten Hochschulstädten Wohnheime in zentraler Lage zu bauen und zu betreiben. Die ersten 264 Apartments in Frankfurt waren schon bei der Eröffnung vor vier Monaten komplett vermietet, in Münster sind weitere 175 Wohnungen mit Blick auf den Aasee im Bau, in Darmstadt mit seiner exzellenten Technischen Universität sollen 349 dazukommen.

Die Buden, alle mit Ikea-Charme möbliert, sind zwischen 16 und 35 Quadratmetern groß, kosten zwischen 380 und 600 Euro pro Monat - inklusive Waschküche, Internet-Flat, Kinosaal, Fitnessstudio. Selbst Autos können die Studis dort mieten.

Finanziert hat er die Projekte größtenteils über den Millionenerlös aus dem Verkauf der Getränkemarktkette Trinkgut an Edeka, die er zusammen mit seinem inzwischen verstorbenen Schwiegervater betrieben hatte. Warum er das Geld nicht einfach in Fressnapf investiert oder in Gold gesteckt hat? "Ich habe nicht nach einer Geldanlage, sondern einem neuen Businessmodell gesucht", sagt Toeller. "Alles andere wäre doch viel zu langweilig."

(Quelle: Wirtschaftswoche)